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Sport: Linksaußen

Das Büfett war geräumt, die wichtigsten Hände geschüttelt. Zeit, den Dienstwagen zu ordern.

Das Büfett war geräumt, die wichtigsten Hände geschüttelt. Zeit, den Dienstwagen zu ordern. Doch Winfried Hermann, grüner Sportpolitiker aus Baden-Württemberg, schwatzte noch mit Kollegen aus der Regierung. Da schlich sich ein Mann heran und tippte ihn an. "Wenn ich könnte, würde ich zum Grünen-Parteitag fahren und eine Rede für Sie halten", sagte er. Hermann begrüßte den netten Gast: Manfred von Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes. Beide lachten. Ein linker Grüner und ein konservativer Sportchef freundlich vereint - ein seltenes Bild.

Lange war das unmöglich. Grüne und Spitzensport, das ging so wenig zusammen wie Ökos und Atomindustrie. Sportlehrer Hermann wollte das ändern - erst in Stuttgart, dann in Berlin. Seit 1998 sitzt er im Bundestag, er machte den grünen Sport gesellschaftsfähig. Doch an der Basis interessiert sich keiner für Dopingopferfonds und Sportstättenbau. Und in den Parteigremien sowieso nicht. "Ich bin Außenseiter", gibt Hermann zu. Am heutigen Samstag will der 49-Jährige beim Landesparteitag der Grünen das Gegenteil beweisen. Im Kampf um Listenplätze für die Bundestagswahl tritt er gegen die Parteiprominenz an - und dürfte als Verlierer vom Platz gehen. Denn Hermann hat die falschen Themen. Und zu den richtigen Themen hat er die falsche Meinung.

Beispiel Afghanistan: Da war er gegen Krieg, trotz Koalitionskrise. Alle Kameras richteten sich auf den unbeugsamen Unbekannten. Dabei war er schon früher so. In den Siebzigern verweigerte er den Wehrdienst, vor Kasernen verteilte er Flugblätter. Danach organisierte er die Kampagne "Sportler für den Frieden". Ist es nicht logisch, dass er im Parlament Friedenspolitik macht? Selbst wenn er im Umweltausschuss über einen "Masterplan Fahrrad" philosophiert. Oder im Sportausschuss über eine Anti-DopingAgentur. "Ich hätte auch in den Verteidigungsausschuss gehen können, aber dort geht es nur um Rüstungsbeschaffung."

Hermann hat sich im Büro am Spreeufer eingerichtet. Angekommen ist er nicht. In der Fraktion schneiden sie ihn. Manche halten ihn für linksdogmatisch, andere für profilierungssüchtig. "Joschka Fischer hört mir nicht mehr zu. Der weiß vorher, was ich sage, und dagegen hat er wieder was." Hermann klingt frustriert. Zum Ausgleich macht er autogenes Training. Das half ihm schon früher - als Außenseiter.

1987 gründete Hermann einen Sportklub, den VfvB Stuttgart. Im "Verein für vielfältige Bewegungskultur" wollten sie Spaß statt Wettkampf. Mit neuen Regeln. Beim Basketball standen Kisten unter den Körben, für kleine Spieler wie Hermann. Beim Fußball zählten Tore erst, wenn eine Frau traf. Inzwischen ist Sport Freizeitvergnügen. Traditionelle Vereine bieten Yoga und Skateboardfahren an, bei Club-Reisen zählen Gymnastik und Freizeitfußball zum Programm. "Vieles, was mal innovativ war, ist heute selbstverständlich", sagt Hermann. Auch im Sport sind die Grünen normal geworden. Doch normale Grüne wie Hermann stehen am Rand.

Bei Terminen ist er selten zu sehen. Ministerin Renate Künast rollt für die Presse auf Inline-Skates, Fraktionschef Rezzo Schlauch fährt Rad. Hermann scheint nur im Büro zu sitzen und das Sportprogramm "Goldener Plan Ost" durchzuarbeiten. Mit seiner Akribie hat er zwar erreicht, dass die Sportförderung ins grüne Parteiprogramm kommt. Aber wenn im Fernsehen über die Bundesliga diskutiert wird, fehlt er. TV-Termine verteilt die Fraktion.

Tut das nicht weh, immer im Abseits zu stehen? Hermann zuckt die Schultern. Soll er sich jetzt aufregen? Etwa über Karl-Heinz Rummenigge, der vom Fußball als Produkt redet. "Haben Sie Rummenigges Anzug gesehen?", fragt Hermann, "jeder Banker läuft lässiger rum." Leute vom System sind ihm zuwider. Dabei gehört seine Partei längst dazu. Hermann kleidet sich schlicht: kariertes Hemd, Lederjackett, Jeans. Muss er sich ändern, um besser anzukommen? Hermann schüttelt den Kopf. "Ich lehne diese Frage innerlich ab."

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