zum Hauptinhalt
Der böse Hodgson. In Manaus ist er "Public Enemy Number One".

© reuters

Live von der Insel - Die Fußballkolumne über England: Mann oder Manaus? Streit um die WM-Auslosung

Bei der WM-Auslosung bescherten böse Kobolde England wieder einmal schweres Los. Viel schlimmer: Mit seinen Kommentaren über den Spielort Manaus hat Nationaltrainer Roy Hodgson einen politischen Orkan verursacht.

Roy Hodgson hätte es ahnen müssen. „Wir bekommen, was wir bekommen“, sagte er vor der WM-Auslosung am vergangenen Freitag. „Ich sorge mich eher um den Spielort als um die Gegner. Es wird wirklich schwierig, in bestimmten Städten zu spielen.“ Besonders in Manaus, der Stadt am Amazonas, dem klimatisch anspruchsvollsten Spielort Brasiliens.

Er hätte besser nie seinen Mund aufmachen sollen. Sobald die Worte ausgesprochen waren, wurden sie vermutlich in der finsteren Fifa-Zentrale im Erdkern aufgenommen, wo Tausende von mathematisch begabten Kobolden eine Formel erfanden, die den Engländern genau das Los schenken würde, das sie nicht wollten.

Die Kobolde sind übrigens zu bewundern. Sie arbeiten ja extrem hart. Wie jeder gute Engländer weiß, geben die kleinen Biester vor jedem Turnier alles, um entweder durch das Los oder böse Magie sicherzustellen, dass England niemals Weltmeister werden kann. Dieses Jahr arbeiten sie besonders hart, denn ein Freund aus Mailand hat mir berichtet, dass sie dieselbe Aufgabe für Italien hatten. Könnten wir nur die finstere Zentrale finden, könnten wir alle Kobolde töten und die Diktatur der Fifa endlich beenden. Dann wäre es interessant zu sehen, ob die Spanier wieder mal gewinnen, oder?

Sei es durch reines Pech oder durch eine Koboldarmee, England findet sich 2014 in der so genannten Todesgruppe wieder. Sie haben nicht nur die schwierigsten Gegner (Italien, Uruguay und, äähmm, Costa Rica) sondern auch den schwersten Spielort. Das erste Spiel müssen sie in Manaus bestreiten, wo 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen.

Das ist ein echtes Problem. Es war immer so für uns Engländer. Seitdem wir das Spiel erfunden haben, haben wir nie unseren frommen Glauben daran verloren, dass richtig schnell laufen und den Ball richtig kräftig kicken die beste Art und Weise ist, ein Fußballspiel zu gewinnen. In dem milderen Klima Europas kann das ab and zu funktionieren – in den Tropen ist es fußballerischer Selbstmord.

Diplomatische Verwicklungen nehmen ihren Lauf am Amazonas

Jetzt befürchtet ganz England, dass unsere Nationalspieler binnen zehn Minuten des ersten Spiels am Boden liegen werden. Steven Gerrard wird so rot wie einen Hummer sein, Joe Hart wird ein kleines Nickerchen zwischen den Pfosten machen (was nicht selten passiert) und Wayne Rooney wird in der Hitze einfach schmelzen.

Naja, die Mannschaft hat immer noch ein paar Monate, um sich darauf vorzubereiten. Viel problematischer ist im Moment der diplomatische Zoff zwischen Roy Hodgson und dem Oberbürgermeister von Manaus, Arthur Virgilio, dessen Reaktion auf Hodgsons Kommentare über Manaus bemerkenswert wütend war.

„Hodgson will nicht hierher kommen? Wir wollen auch nicht, dass England hierher kommt“, sagte Virgilio, „wir hätten lieber eine bessere Mannschaft hier, mit einem Trainer, der höflicher ist. Hodgson ist der einzige Mann auf der Welt, der nicht neugierig auf den Amazonas ist. Es ist der schönste Ort der Welt, und man sollte Schönheit schätzen.“

Was folgte, war eine Art Orkan Xaver der anglo-brasilianischen Politik. David Cameron musste nach Manaus fliegen, um Virgilio auf Knien zu bitten, die Mannschaft in die Stadt zu lassen. Virgilio, der ein schlauer Geschäftsmann sein soll, hat nachgegeben, aber verlangt von Cameron, dass alle Pork-Pie-Fabriken Englands nach Manaus ausgeliefert werden, um die Wirtschaft am Amazonas zu stärken.

So lauten jedenfalls die Gerüchte. Die konkreten Tatsachen sind eher, dass Hodgson sich öffentlich entschuldigte, und versprach, den Oberbürgermeister ins englische Trainingslager einzuladen. Doch was, wenn das nicht reichen wird, um Frieden zu stiften? Seien Sie nicht überrascht, wenn Hodgson beim Spiel gegen Italien nicht auf der Bank sitzt. Er wird dann in einem Kanu mit Virgilio den Amazonas hinuntertreiben, bis er die volle Schönheit des Regenwaldes zu schätzen lernt.

Kit Holden (@kitholden) ist Engländer und arbeitet derzeit als Praktikant beim Tagesspiegel. Er schreibt auch über deutschen Fußball für die englische Tageszeitung "The Independent".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false