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„Er kann uns in der Reform des Frauenhandballs helfen”: Markus Gaugisch will die DHB-Auswahl zurück in die Weltspitze führen
Der neue Nationaltrainer hat große Pläne mit den deutschen Handballerinnen. Am Donnerstag steht gegen Griechenland die erste Bewährungsprobe auf dem Programm.
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Seinen Geburtstag feierte Markus Gaugisch dort, wo er sich eh die meiste Zeit aufhält: in der Sporthalle. An diesem Mittwoch, zu seinem 48., war jedoch alles etwas anders als erwartet. Erst sechs Tage zuvor hatte der Trainer der SG BBM Bietigheim zusätzlich zu seiner Aufgabe im Verein den Vertrag als Bundestrainer unterschrieben und war Anfang der Woche mit der Frauen-Nationalmannschaft ins Trainingslager gereist.
„Das waren ereignisreiche Tage, an denen sehr, sehr viel los war. Aber mir geht es blendend”, sagte der gebürtige Göppinger bei seiner Vorstellung beim aktuellen Lehrgang in Hennef trotz der zahlreichen Geschehnisse entspannt.
Dass sich die Ereignisse derartig überschlagen würden, kam eher unverhofft. Zwar war klar, dass der Vertrag seines Vorgängers Henk Groener ausläuft und es wurde kommuniziert, dass man bis April ein weiteres Vorgehen besprechen wolle, doch bei den beiden Länderspielen gegen die Niederlande im März deutete wenig auf einen Abschied hin.
Überrascht von dem Rückzug des 62-Jährigen musste der Deutsche Handballbund (DHB) daher schnell eine Lösung aufbieten und wurde beim Tabellenführer und amtierenden Meister der Frauen-Bundesliga fündig.
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„Neben seinen Kompetenzen als Trainer sprach für Markus Gaugisch, dass er ein sehr kommunikativer Mensch ist, der offen auf Leute zugeht und mit den Bundesliga-Trainern im Dialog ist. Er kann uns in der Reform des Frauenhandballs helfen”, erklärte Sportvorstand Axel Kromer die Entscheidung und sprach dabei einen wichtigen Aspekt an, der Henk Groeners vierjährige Amtszeit immer wieder geprägt hatte: die oft kritisierte Kommunikation mit der Liga. Drei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land soll an dieser Stellschraube nun gewinnbringend gedreht werden.
„Es ist wichtig, dass wir alle zusammen an der individuellen Qualität der Spielerinnen arbeiten. Nur so können wir erfolgreich sein”, konstatierte Gaugisch, wobei ihm durchaus bewusst ist, dass dafür auch die Professionalisierung des Sports vorangetrieben werden muss. „Im Unterschied zu ausländischen Topklubs sind die Rahmenbedingungen in der Bundesliga andere. Wenn Spielerinnen bei uns nebenher noch 30 bis 40 Stunden arbeiten müssen, ist das sicherlich nicht optimal.”
Die Qualifikation für Olympia 2024 ist das Ziel
Trainingsmöglichkeiten, Karriereplanung, Familie, Mehrfachbelastung – die Aspekte, mit denen sich die Frauen auseinandersetzen müssen, sind im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen auf gleichem Niveau in Deutschland vielfältig. „Da müssen wir die nötigen Strukturen schaffen”, sagte Gaugisch, der das Problem durch seine zusätzliche Tätigkeit als Gymnasialschullehrer durchaus nachvollziehen kann.
Trotz seiner aktuellen Dreifachbeschäftigung machte der ehemalige Bundesliga-Spieler jedoch einen ruhigen Eindruck, antwortete angesprochen auf die bevorstehenden Herausforderungen meist mit einem Lächeln und betonte die Freude über die neue Funktion, die gleichermaßen mit strukturellen Aufgaben und Talentsichtung im Jugendbereich verbunden ist. Es wirkt, als ob Markus Gaugisch ganz genau weiß, wo die Reise mit der deutschen Nationalmannschaft hingehen soll.
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Das trifft auch sportlich zu. Kreativ, schnell und deckungsstark soll der Auftritt der Frauen sein – man wolle mehr agieren als reagieren, wie es der Trainer beschrieb. Auf diesem Weg will Gaugisch die DHB-Auswahl langfristig zurück in die Weltspitze führen und visiert die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris an.

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Kein geringes Vorhaben, denn eine Teilnahme bei den Wettkämpfen gelang letztmals 2008 und für Medaillen bei anderen Großturnieren müssen die Geschichtsbücher mindestens genauso weit zurückgeblättert werden. „Das ist ein ambitioniertes Ziel. Ich glaube aber, dass man solche Schritte nur machen kann, wenn man sich solchen Dingen eben auch stellt und vorangeht”, sagte der Schwabe, dessen Vertragskonditionen an diese Ambitionen geknüpft sind. Denn: Gaugisch unterschrieb einen Vertrag für zwei Jahre, der sich bei einer Olympiaqualifikation automatisch bis 2026 verlängert.
Einziges Manko sind die personellen Ausfälle
Zunächst einmal gilt es indes, sich die Teilnahme an der Europameisterschaft im November in Nordmazedonien, Slowenien und Montenegro zu sichern. Dafür muss die deutsche Mannschaft am Donnerstag (19.30 Uhr/sportdeutschland.tv) gegen Außenseiter Griechenland gewinnen. An sich eine machbare, wenn nicht sogar Pflichtaufgabe.
Einziges Manko sind derweil die personellen Ausfälle. Zum einen fehlt Co-Kapitänin Emily Bölk, die sowohl im Angriff als auch im Mittelblock normalerweise eine tragende Rolle einnimmt, aufgrund einer Grippe.
Außerdem mussten die Rückraumspielerinnen Alica Stolle und Lena Degenhardt verletzungsbedingt absagen. In den Kader rückten dafür Maren Weigel und Malina Marie Michalczik sowie Torhüterin Sarah Wachter.
Dennoch ist Gaugisch zuversichtlich und legt den Fokus auf die eigene Entwicklung: „Das Wichtigste ist natürlich, dass wir gewinnen. Aber es ist ein Spiel, bei dem wir uns auf uns konzentrieren und unsere Absprachen durchziehen müssen. Es ist ja immer so, dass man im Training Dinge erarbeitet, diese dann aber im Wettkampf erst erproben muss.”
Vorteilhaft ist sicherlich, dass der Kader aus fünf Spielerinnen der SG BBM Bietigheim besteht und Gaugisch auch den Rest des Teams durch seine Arbeit in der Liga gut kennt. Dort ging sein Konzept bisher bestens auf. Seit 44 Spielen sind die Baden-Württembergerinnen wettkampfübergreifend siegreich, haben die Final Fours des DHB-Pokals und der European League erreicht.
Wenn diese Erfolgsserie mit der Nationalmannschaft weitergehen würde, hätte Markus Gaugisch sicherlich nichts dagegen. Schließlich ist ein EM-Ticket als nachträgliches Geburtstagsgeschenk auch nicht zu verachten.
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