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Auch Woo-yeong Jeong spielte gegen Freiburg ziemlich glücklos.

© Imago/Eibner/Ryan Sleiman

Mit Minimalismus auf Tuchfühlung: 1. FC Union Berlin ist offensiv so harmlos wie nie zuvor

Nach der katastrophalen Vorsaison läuft es wieder beim 1. FC Union – zumindest defensiv. Die Berliner Offensive bleibt eine große Baustelle und ein echter Knipser fehlt seit Jahren.

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Der 1. FC Union Berlin spielt mittlerweile in der sechsten Saison in der Fußball-Bundesliga und hat einiges erlebt. Viele erste Male, Geisterspiele, Höhenflüge und Abstiegsdramen. So harmlos wie aktuell waren die Köpenicker aber noch nie. In zehn Ligaspielen hat Union neun Tore erzielt, in zwei Pokalbegegnungen kam gegen den Regionalligisten Greifswalder FC sowie Drittligist Arminia Bielefeld ein mickriger Treffer dazu. Macht 0,8 Tore pro Spiel. Eine Quote, mit der man normalerweise absteigt.

Dass Union nach dem 0:0 gegen den SC Freiburg am Freitagabend dennoch fast dreimal so viele Punkte gesammelt hat wie in der vergangenen Saison und damit auf Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen liegt, hat mehrere Gründe: Die unter Bo Svensson wiedergewonnene Stabilität, die kompakte Abwehrarbeit und eine gute Portion Minimalismus.

0,8
Tore schießt Union in dieser Saison pro Spiel

„Wir müssen positiv bleiben. Der Saisonstart war sehr gut, insbesondere nach dem letzten Jahr“, sagte Torwart Frederik Rönnow, der mit einem parierten Elfmeter großen Anteil am Teilerfolg hatte. „Heute sind wir zufrieden mit einem Punkt.“

Weit weniger zufrieden waren die Berliner mit der Leistung. Vor allem in der ersten Hälfte bekam Union kaum Zugriff auf das Spiel, das Pressing lief ins Leere und Freiburg hatte zwei exzellente Chancen auf das 1:0. Unions einzige Möglichkeit resultierte aus einer Ecke von Robert Skov, doch Diogo Leite traf den Ball aus guter Position nicht sauber.

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In der zweiten Hälfte wurden die Angriffsbemühungen zwingender, über Fernschüsse kamen die Köpenicker aber nicht hinaus. So stand vorne nach dem 0:2 in Bielefeld und dem 0:3 in München zum dritten Mal in Folge die Null. „Es gab Situationen, aus denen mehr Torgefahr entstehen muss. Die Umschaltmöglichkeiten haben wir nicht gut ausgespielt“, kritisierte Svensson und kündigte an: „Wir müssen kritisch umgehen mit der Leistung.“

Das gilt auch spielübergreifend für die offensiven Darbietungen. Denn Unions Problem ist weniger, dass gute Chancen nicht verwertet werden; die Berliner erspielen sich viel zu wenige klare Gelegenheiten. Es fehlt an Kreativität, an Durchschlagskraft und an Torriecher.

Taiwo Awoniyi (rechts) und Sheraldo Becker waren die letzten zuverlässig treffsicheren Angreifer bei Union.

© imago/Matthias Koch

Damit setzt sich ein Problem fort, das schon in der vergangenen Saison Unions größte Schwachstelle war. Seit dem gestaffelten Abschied des erfolgreichen Sturmduos Taiwo Awoniyi/Sheraldo Becker ist es nicht gelungen, einen Angreifer zu verpflichten, der konstant Torgefahr ausstrahlt.

Kevin Behrens hatte gute Phasen, agierte dann aber glücklos; David Fofana erzeugte mehr Unruhe im Verein als im gegnerischen Strafraum; Mikkel Kaufmann wirkte überfordert; Chris Bedia floppte und Jordan agiert vor dem Tor auch im zweiten Anlauf bei Union glücklos. Einzig Benedict Hollerbach hat sich durchgesetzt und ist mit zwei Treffern gemeinsam mit Tom Rothe Toptorschütze. Der flinke 23-Jährige schwankt aber in seinen Leistungen noch deutlich und war am Freitagabend gegen Freiburg kaum zu sehen.

Das gilt im wahrsten Sinne des Wortes auch für die zwei Sommerneuzugänge Ivan Prtajin und Andrej Ilic. Beide sind fit, spielen bei Svensson aber keine Rolle. Tim Skarke ist im Sturmzentrum Joker Nummer eins und weder der Kroate noch der Serbe haben es in dieser Bundesligasaison in den Kader geschafft. In Anbetracht der offensiven Harmlosigkeit der Berliner ist das ein verheerendes Signal für die zwei Torjäger in spe.

In der Länderspielpause bis zum nächsten Spiel beim VfL Wolfsburg in zwei Wochen wird Svensson besonderes Augenmerk auf die Abläufe in der gegnerischen Hälfte legen. Denn auf Dauer lässt sich der Erfolg mit derartigem Minimalismus nur schwer aufrechterhalten.

Ein Schlüssel zu mehr Kreativität könnte Kevin Volland sein. Der frühere Nationalspieler hat die Vorbereitung und die ersten Wochen der Saison nach einer Knie-Operation verpasst, ist mittlerweile aber wieder voll im Training. Im Pokal in Bielefeld kam er 13 Minuten zum Einsatz und seine Qualitäten aus dem Zehnerraum könnten Union die Überraschungsmomente geben, die bisher zu oft gefehlt haben.

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