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Elena Semechin holte in Paris olympisches Gold.

© IMAGO/Ralf Kuckuck/IMAGO/Ralf Kuckuck

Mutterschaft im Leistungssport: „Eine Schwangerschaft ist aus Sponsorensicht gar nicht negativ“

Als Paralympics-Siegerin Elena Semechin ihre Schwangerschaft öffentlich macht, springt ein Sponsor ab. Zu Unrecht, meint eine Expertin. Denn Mütter hätten gegenüber der Konkurrenz häufig sogar Vorteile.

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Es ist eine Entscheidung, die auf viel Kritik stößt: Als die Schwimmerin und zweimalige Paralympics-Siegerin Elena Semechin ihre Schwangerschaft öffentlich macht, springt ein Sponsor ab und ein anderer friert die finanzielle Unterstützung ein. Semechin äußert Sorgen, sich und ihr Kind nicht finanzieren zu können. In den sozialen Medien sorgt das für viel Empörung, dabei ist der Fall Semechin bei weitem kein Einzelfall.

„Eine Schwangerschaft kann für Leistungssportlerinnen schwere Konsequenzen haben: Man verliert Sponsoren oder fliegt aus dem Kader. Dadurch wird einem jegliche finanzielle Grundlage entzogen“, sagt die Sportpsychologin Marion Sulprizio, die an der Sporthochschule Köln tätig ist und Athletinnen zum Thema Sport in der Schwangerschaft berät.

Immer wieder machten prominente Sportlerinnen über Missstände in diesem Bereich aufmerksam. Die Reiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann etwa prangerte vor einigen Jahren die Regelungen zum Mutterschutz in ihrer Sportart an und trug auf diese Weise zur Reform der Regelung bei. Die Tennisspielerin Tatjana Maria kritisierte, dass eine Schwangerschaft im Tennis mit einer Verletzung gleichgesetzt werde.

„Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die sicherstellt, dass Schwangerschaft und Karriere als Leistungssportlerin sich nicht gegenseitig ausschließen“, sagt auch Sulprizio. „Viele Frauen zögern die Schwangerschaft daher lange heraus, teilweise bis zu ihrem Karriereende.“

Wenig Verlass auf Vereine und Verbände

Beachvolleyballerin Laura Ludwig.

© IMAGO/Justus Stegemann/IMAGO/Justus Stegemann

Viele Sportlerinnen sind insbesondere auf die Unterstützung der Sponsoren angewiesen. So auch die Beachvolleyballerin Laura Ludwig, die in einem Interview mit dem rbb sagte: „Ich habe großes Glück mit meinen Sponsoren gehabt, die mich auch während der zweiten Schwangerschaft unterstützt haben (...) Das ist eine große Hilfe.“ Von Verbandsseite habe sie lediglich verbale Unterstützung erhalten. „Die Strukturen fehlen ein wenig.“

Immerhin: Die Sportlervereinigung Athleten Deutschland widmet sich seit einiger Zeit verstärkt dem Thema und forderte beispielsweise vor der Bundestagswahl die Einführung eines Mutterschutzes für alle Athletinnen im Rahmen des Sportfördergesetzes. Sulprizio begrüßt es, dass das Thema mittlerweile auf die politische Agenda rückt. „Das ist wichtig, um politische Grundlagen für die Versorgung schwangerer Profisportlerinnen zu schaffen.“

Gerade während der Mutterschaft sei die Unterstützung von Vereinen, Verbänden und Sponsoren besonders wichtig. Denn diese Phase sei herausfordernd genug.

„Eine Schwangerschaft kann psychisch belastend sein“, so Sulprizio. „Sie ist gerade für Leistungssportlerinnen häufig eine Frage der Identität. Identifiziert eine Frau sich nur über den Sport, ist es schwierig, darauf plötzlich verzichten zu müssen. Das kann Druck und Stress auslösen, was weder für die Mutter noch das Baby gut ist.“ Neben psychischen Problemen würden Faktoren wie Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen und Rückenschmerzen hinzukommen.

Mütter sind häufig zäher und können mehr aushalten.

Marion Sulprizio, Sportpsychologin

„Für Außenstehende wie Sponsoren oder Verbände ist die Athletin in diesem Zeitraum ein Ausfall“, so Sulprizio. „Sie verlieren dadurch Geld. Und das versuchen sie auf die Athletin abzuwälzen. Im Grunde genommen ist eine Schwangerschaft aber auch aus Sponsorensicht gar nicht negativ zu bewerten.“

Ganz im Gegenteil: Viele Sportlerinnen würden gestärkt zurückkehren und sogar mentale Vorteile besitzen. „Mütter sind häufig zäher und können mehr aushalten.“ Auch aus Marketing-Sicht kann eine Schwangerschaft clever genutzt werden. Fußballerin Melanie Leupolz etwa machte nach ihrer Schwangerschaft Werbung für eine Mutterschafts-Kollektion von Adidas, die unter anderem Sport-BHs mit Stillfunktion beinhaltete. Denkbar wären auch andere Produkte, etwa gegen Eisenmangel in der Schwangerschaft.

Sulprizio empfiehlt Sportlerinnen in jedem Fall, eine Schwangerschaft im Sponsorenvertrag abzusichern. „Der Sponsor als Geldgeber sollte der Athletin schriftlich garantieren, sie auch im Fall einer Schwangerschaft finanziell zu unterstützen.“ Grundsätzlich bräuchte es aber vor allem ein Umdenken bei dem Thema, damit Mutterschutz und Elternzeit endlich selbstverständlich sind – und damit es nicht mehr zu Fällen wie Elena Semechin kommt.

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