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Nächste Niederlage in einem Grand-Slam-Finale: Alexander Zverev – für immer unvollendet?
Es hat wieder nicht gereicht für Alexander Zverev. Warum der Deutsche immer wieder kurz vor dem Ziel scheitert. Eine Analyse.

Stand:
Hat Alexander Zverev die Klasse, um einen Titel bei einem Grand-Slam-Turnier zu gewinnen? Am Sonntag verlor der Deutsche in Melbourne auch sein drittes großes Finale. Nach dem 3:6, 6:7 (4:7) und 3:6 gegen den Weltranglistenersten Jannik Sinner sagte Zverev bei der Siegerehrung in Richtung seiner Box: „Ihr arbeitet so hart, aber ich bin einfach nicht gut genug.“
Harte Worte aus der Enttäuschung heraus. Verzweifelt fügte er in Richtung der Fans hinzu: „Ich weiß nicht, ob ich diese Trophäe jemals gewinnen werde, aber ich werde es weiter versuchen.“
Alexander Zverev ist inzwischen 27 Jahre alt, ein Alter, in dem der große Björn Borg seine Karriere bereits beendet und Boris Becker fünf seiner sechs Grand-Slam-Titel errungen hatte. Natürlich, die Zeiten heute sind andere. Auch mit über 30 kann ein Spieler noch Großes gewinnen.
Zverev hat nun drei Finals bei den wichtigsten Tennisturnieren der Welt erreicht – und jedes Mal den Sieg verpasst. Bis zum Rekord von Ivan Lendl und Andy Murray fehlt ihm nur noch eine weitere Niederlage in einem Grand-Slam-Endspiel. Die beiden früheren Weltranglistenersten unterlagen sogar in ihren ersten vier Versuchen, holten danach aber noch mehrere ganz große Titel.
Zumindest die Geschichte zeigt also, dass Zverev nicht der Unvollendete bleiben muss, für den er schon seit Jahren gehalten wird. „Es nervt, neben diesem Pokal zu stehen und ihn nicht in die Hände nehmen zu können“, sagte er noch auf dem Platz der Rod-Laver-Arena, nachdem er zuvor von Australiens Tennislegende John Newcombe getröstet worden war.
Ihr arbeitet so hart, aber ich bin einfach nicht gut genug.
Alexander Zverev bei der Siegerehrung in Richtung seiner Box.
Anders als bei seinen beiden ersten Grand-Slam-Finals war Zverev diesmal weitestgehend chancenlos. Gegen den überragenden Sinner konnte er sich nicht eine einzige Breakchance erarbeiten und als es im Tiebreak des zweiten Satzes beim Stand von 4:5 ganz eng war, spielte auch noch die Netzkante gegen den Hamburger.
Was aber fehlt Zverev außer ein bisschen mehr Matchglück, um vielleicht doch endlich ein Champion bei einem Grand-Slam-Turnier zu werden? Seit Jahren sind es Kleinigkeiten, die ihn von den allerbesten Spielern der Welt trennen.
Waren es in seinen Anfangsjahren noch Roger Federer oder Rafael Nadal und später dann Novak Djokovic, haben ihn nun die Jüngeren bereits überflügelt. In Paris verlor er im vergangenen Jahr gegen Carlos Alcaraz das Endspiel, nun gegen Sinner. Beide sind um einiges jünger als der Deutsche, aber auch schon um einiges erfolgreicher.
Dabei arbeitet Zverev beständig an seinem Spiel. Dass sein Aufschlag mal wacklig war, lässt sich aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehen. Auch gegen Sinner musste er im gesamten Match nur zwei Breaks hinnehmen.
Mit seiner Vorhand kann Zverev inzwischen Ballwechsel dominieren, im Finale von Melbourne konnte man allerdings auch erkennen, dass ihm in wichtigen Situationen zuweilen nach wie vor das Zutrauen fehlt und die Streuung dann entsprechend hoch ausfällt.

© Reuters/Kim Kyung-Hoon
Oft wurde ihm vorgeworfen, zu passiv zu agieren – gerade in große Matches. Roger Federer hatte das im vergangenen Jahr als Zverevs größtes Manko benannt. Schon in Australien hat der Deutsche gezeigt, dass er in dieser Hinsicht Fortschritte macht. Er steht jetzt näher an der Grundlinie, geht auch häufiger ans Netz. Doch gegen Sinner fehlte ihm offensiv die letzte Überzeugung, der Italiener hatte auf alles die bessere Antwort.
Letztlich ist Tennis Kopfsache, in dieser Hinsicht hat Zverev die deutlichsten Defizite im Vergleich zu Alcaraz oder Sinner. Dass der 23 Jahre Südtiroler trotz seines weiterhin nicht abgeschlossenen Dopingfalls offenbar völlig unbeeindruckt aufspielt, ist eine mentale Ausnahmeleistung. Zverev dagegen stellt seine Fähigkeiten wie bei der Siegerehrung sogar noch öffentlich selbst infrage.
Mental sind andere Spieler immer wieder stärker als Zverev
Wie nach jedem seiner verlorenen großen Endspiele wird es nun wieder heißen, dass er noch Zeit hat. Federer erklärte im vergangenen Herbst, dass sich das Fenster für den Deutschen noch lange nicht schließen wird. Und mit Blick auf die French Open auf Sand, Zverevs bestem Belag, sollte da auch in diesem Jahr noch etwas gehen können.
Andererseits liegt hinter Zverev bereits eine lange Verletzungspause, die ihn rund ein Jahr gekostet hat. 2024 hatte er viele Wehwehchen und mit fortschreitendem Alter dürfte es nicht leichter werden, sich von Verletzungen zu erholen. Die Gefahr, dass er seinem Traum vom Grand-Slam-Titel für immer erfolglos hinterherjagt, ist auch vor diesem Hintergrund durchaus real.
„Glaub weiter an dich, du bist ein toller Sportler und Mensch. Mach weiter, du wirst es irgendwann schaffen“, sagte Jannik Sinner bei seiner Ehrung in Richtung seines Finalgegners. Es sind diese aufmunternden Worte, die Zverev in seiner Karriere inzwischen schon oft gehört hat. Er ist ein Kämpfer, wird nicht aufgeben und genau das tun, was Sinner gesagt hat.
Ob es dann irgendwann auch einmal reichen wird? Alexander Zverev hat in seiner Profilaufbahn viel geschafft, worauf er stolz sein kann. Doch um den ersehnten Titel bei einem Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, muss alles passen – Tagesform, Gegner, Glück und Überzeugung. Bisher stand Zverev immer etwas im Weg. Am Ende aber ist das größte Problem Zverev selbst. Und diese letzte und schwerste Hürde kann er nur ganz allein überwinden.
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