zum Hauptinhalt

Spanien: Neue Helden bei der Leichtathletik-EM gesucht

Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona wird es viele spannende Duelle geben – auch wenn einige der großen Namen im Aufgebot fehlen.

Vielleicht badet Jelena Isinbajewa gerade im Mittelmeer. Oder geht in Moskau shoppen. Man hat sie ja zuletzt nicht mehr gesehen. Das letzte bekannte Bild von ihr stammt vom vergangenen Freitag aus Griechenland. Da trug die Stabhochsprung-Weltrekordlerin die Flamme für die ersten olympischen Jugendspiele ins antike Olympia. In Barcelona jedenfalls hat niemand die Russin registriert. Vielleicht kommt sie am Freitag, da findet im Olympiastadion bei den Leichtathletik-Europameisterschaften das Stabhochsprung-Finale statt. Isinbajewa muss sich dann aber auf die Tribüne setzen, sie ist gerade außer Dienst. Die Weltrekordlerin hat seit April eine Pause eingelegt, der ganze Stress hat sie genervt.

Ist der Ausfall schade? Wie man’s sieht. Isinbajewa ist einer der Top-Stars der Szene, das schon. Aber sie siegt (mit Ausnahmen, siehe WM 2009) wie eine Maschine. Jetzt reißt sie eine Lücke, andere drängen nach. Der Kampf um Gold wird spannender, die EM gewinnt an Reiz.

Sie gewinnt durch viele Lücken an Reiz, auch wenn jetzt große Namen fehlen. Susanna Kallur (Titelverteidigerin im Hürdensprint), Christian Olsson (Titelverteidiger im Dreisprung), Jaroslaw Rybakow, der Weltmeister im Hochsprung, Roman Sebrle, der tschechische Titelverteidiger im Zehnkampf, und natürlich Isinbajewa, sie alle fehlen.

Ob Teddy Tamgho startet, ist noch nicht sicher: Der Franzose ist angeschlagen. Wenn er ausfiele, würde Barcelona eine Attraktion verlieren. Da muss man nur auf Christian Olsson hören, den Olympiasieger aus Schweden. Er schwärmte im Juni von Tamgho: „Der Himmel ist seine Grenze.“ Kurz zuvor war der 21-Jährige 17,98 Meter weit gesprungen, eine Weltklasseleistung. „Im Dreisprung ist er das Beste, was man seit den Neunzigerjahren gesehen hat“, sagte auch Jonathan Edwards, der Weltrekordler, die Legende aus Großbritannien.

Und noch eine Attraktion kommt aus Frankreich. Christophe Lemaitre, gerade mal 20 Jahre alt. Bei Lemaitre flippen die französischen Fans aus. Er ist der erste weiße Sprinter, der die 100 Meter unter 10,00 Sekunden gerannt ist. In Valence, bei den Französischen Meisterschaften, legte er nach seinen 9,98 Sekunden noch nach: Mit 20,16 Sekunden über 200 Meter stellte er den französischen Rekord ein. „Ich habe eine Barriere durchbrochen, aber das Beste kommt noch“, verkündete Lemaitre, „und das Beste beginnt bei der EM.“ Die Siege über 100 Meter und mit der Staffel hat er fest programmiert; ob er auch über 200 Meter startet, entscheidet er kurzfristig.

Sein Fokus liegt auf den 100 Metern – und dort wird es zu einem der interessantesten Duelle bei dieser EM kommen. Lemaitre gegen Dwain Chambers. Der Brite ist in diesem Jahr auch schon unter 10,00 Sekunden gelaufen. Allerdings taugt er eher weniger als Attraktion: Chambers ist ein früherer Dopingsünder.

Auch Anita Wlodarczyk weiß noch nicht, ob sie startet. Die Polin ist angeschlagen. Damit würde das Hammerwerfen ohne die Weltrekordlerin stattfinden. Zum großen Duell würde es trotzdem kommen: Betty Heidler gegen Tatjana Lysenko. Die Russin hat in dieser Saison am weitesten geworfen: 76,03 Meter. Sie geht als Titelverteidigerin in den Ring und mit einem Makel: Sie ist eine aus dem Kreis der ehemaligen Dopingsünder.

Und noch ein Duell gibt es zu bestaunen. Andreas Thorkildsen aus Norwegen gegen Tero Pitkämäki aus Finnland – die ewigen Rivalen im Speerwerfen. Thorkildsen ist Olympiasieger, Weltmeister, Europameister. Wenn Pitkämäki wirft, dann wirft er nie allein. Ganz Finnland wirft im Geiste mit, Speerwerfen ist in Finnland fast eine Religion.

Fragt sich, wer die Lücke im Stabhochsprung der Frauen füllt. Silke Spiegelburg und Carolin Hingst stehen bereit, ob die polnische Weltmeisterin Anna Rogowska startet, war gestern noch nicht klar. Aber auch die Russin Swetlana Feofanowa ist wieder erstarkt. In Russland sind die Springerinnen sowieso sauer, dass Isinbajewa im eigenen Verband so viele Privilegien erhält. Da springt nicht bloß Feofanowa hoch motiviert.

Über Motivation muss man auch Robert Harting nichts erzählen. Der hatte schon bei den Deutschen Meisterschaften lautstark einen „Gruß an Polen“ übermittelt – mit seinem Sieg im Diskuswerfen. Piotr Malachowski hat ihn verstanden. Der Pole ist Vize- Weltmeister, ein Dauerrivale des Weltmeisters Harting. Aber auch der estnische Olympiasieger Gerd Kanter mischt mit im Kampf um Gold. In Kienbaum, kurz vor der Anreise nach Barcelona, formulierte Harting noch einen weiteren netten Gruß, allgemein, an niemanden konkret gerichtet. Es dürfen sich alle angesprochen fühlen. „Ich möchte, dass bei mir die 70 Meter noch in diesem Jahr fallen. Im Klartext: in Barcelona.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false