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Renntag der Deutschen Einheit: „Bei dem Gedanken an die Tour nach Hoppegarten wird mir heute schlecht“
Eigner Gerhard Schöningh spricht über den emotionalsten Renntag des Jahres, den Aufbruch nach der Wiedervereinigung und die großen Herausforderungen, als Trainingsstandort attraktiv zu bleiben.
Stand:
Herr Schöningh, vor 35 Jahren am 31. März gab es den ersten Deutsch-Deutschen Renntag in Hoppegarten nach dem Mauerfall. Danach wurde der Renntag der Deutschen Einheit etabliert. An keinem anderen Renntag ist die Anlage so gut besucht wie an diesem. Was macht die Einheitsfeier in Hoppegarten so besonders?
Hoppegarten ist einfach die größte und in den Augen vieler auch schönste Rennbahn, die in Deutschland je gebaut wurde. Dass diese Rennbahn zu besuchen ist für Pferde und Menschen von überallher, erkennen viele Fans, aber auch neue Besucher. Und das wollen sie feiern, ob sie aus der Hauptstadtregion kommen oder woanders her. Das ist Punkt eins.
Was sind die weiteren Gründe?
Rennsport ist sehr dynastisch. Die Tätigkeit im Rennsport vererbt sich oft über viele Generationen. Hoppegarten war bis 1945 Zentrale des deutschen Rennsports, mit 40 Rennställen, rund 1000 Pferden im Training und allen klassischen Rennen mit Ausnahme des Derbys.
Dann gab es zwei große Auswanderungswellen. Zunächst Ende der 40er-, Anfang der 50er-Jahre und dann noch mal Anfang der 60er-Jahre. Und so kommt es, dass ganz viele Familien im Rennsport noch einen Hoppeartenbezug haben, selbst wenn sie in Köln oder München leben. Sie nutzen diesen Tag, um Verwandte zu besuchen oder die Heimat ihrer Vorfahren zu erkunden. Außerdem ist der Preis der Deutschen Einheit das einzige nationale Sportereignis, das die Einheit feiert und sehr gut nach Berlin und Hoppegarten passt an diesem Tag.
Derzeit entsteht immer wieder der Eindruck einer zunehmenden Entfremdung zwischen Ost und West. Der Renntag der Einheit wirkt da fast wie ein Gegenentwurf.
In meinem Bekannten- und Freundeskreis oder bei zufälligen Begegnungen bin ich überrascht, dass Menschen aus Zehlendorf genauso wie Menschen aus Köpenick erzählen, dass sie immer am 3. Oktober nach Hoppegarten kommen. Ich glaube schon, dass es viele gibt, die diesen Rahmen angemessen finden.
Wir haben vor einigen Jahren eingeführt, dass wir vor dem Hauptrennen gemeinsam mit einem Chor die Nationalhymne singen und Deutschlandfahnen verteilen. Da könnte man unken, dass das irgendwie nach AfD aussieht. Aber es geht hier um unseren Nationalfeiertag und unsere Flagge, ich finde das ein wichtiges Zeichen. Und die Menschen schätzen das auch.
Sie waren selbst beim ersten Deutsch-Deutschen Renntag dabei, obwohl Sie in London lebten.
Ich hatte damals meine Eltern in Krefeld besucht und bin auf diesen Renntag aufmerksam geworden. Ich hatte mir dann das Auto meines Vaters ausgeliehen, bin morgens losgefahren und habe irgendwo im Halteverbot geparkt, weil überhaupt keine Aussicht auf einen freien Parkplatz bestand. Nachts um ein Uhr war ich dann wieder zurück. Allein bei dem Gedanken an diese Tour wird mir heute übel.
Es geht hier um unseren Nationalfeiertag und unsere Flagge, ich finde das ein wichtiges Zeichen. Und die Menschen schätzen das auch.
Gerhard Schöningh
Aber dieser Tag hat einen nachhaltigen Eindruck bei Ihnen hinterlassen.
Mein erster Besuch in der DDR, in Berlin und in Hoppegarten war drei Wochen vor dem Mauerfall – zum Preis des Winterfavoriten auf der Rennbahn. Das wurde von der Norddeutschen Besitzervereinigung aus Hannover organisiert. Und dadurch, dass ich noch nie in Berlin oder der DDR war, habe ich nicht nur das Rennsportprogramm mitgemacht, sondern war auch viel in Mitte, wo es viele Demonstrationen gab. Die Wende war schon deutlich spürbar damals.
Beim Deutsch-Deutschen Renntag war ich dann total begeistert. Die Rennbahnen, die ich kannte, galten vor 1945 als Provinz, Berlin war die Hauptstadt, Hoppegarten die Zentrale. Das waren andere Dimensionen. Und es gab bei Besitzern und Trainern eine große Euphorie, wieder zu investieren und Hoppegarten wieder zur Nummer eins zu machen.
Aber die Euphorie hatte zunächst auch wieder stark nachgelassen.
Die Eigentumsverhältnisse waren lange ungeklärt und es gab einen jahrelangen Konflikt zwischen dem Land Brandenburg, dem Bund und dem Alt-Eigentümer Union-Klub. Als der Union-Klub ans Ruder kam, Anfang der 2000er-Jahre, hatte er das Gelände auf Erbpachtbasis bekommen, hat aber nicht lange durchgehalten und ging 2005 in die Insolvenz.
Dann fiel das Gelände zurück an den Bund und wurde schließlich ausgeschrieben. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ich 2008 der neue Eigentümer. Die Stimmung war zu dieser Zeit am Boden, das fand ich aber interessant, um etwas aufzubauen.
Wie wurden Sie aufgenommen als Investmentbanker aus London, der in Westdeutschland aufgewachsen ist?
Die Entscheidung, an wen das Gelände privatisiert wird, war eine politische Entscheidung. Im Aufsichtsrat der Gesellschaft, die das zu entscheiden hatte, saßen Vertreter der Gemeinden Hoppegarten, Neuenhagen und des Landes Brandenburg. Da hatte ich die größte Zustimmung finden können, weil ich ein gutes rennsportliches Konzept hatte.
Zustimmung und Ablehnung waren gemischt. Ich glaube, es gibt viele Menschen, die froh und dankbar sind, dass ich die Rennbahn weiterentwickelt habe. Die Kritiker sind natürlich nicht ganz so offen. Und man hört über Dritte, was man alles besser machen könnte und wie viele Fehler ich begehe. Und ja, mir unterlaufen Fehler, aber so ist das im Leben. Aber ich habe viele gute Mitstreiter, die das Projekt unterstützen. Der Renntag der Deutschen Einheit ist mittlerweile der bestbesuchte Renntag in Deutschland, Hoppegarten ist von Platz acht auf Platz drei unter den Rennbahnen aufgestiegen.
Die Rennbahn Hoppegarten trägt viele wichtige Rennen aus. Aber die großen Rennställe sind in Westdeutschland beheimatet.
Rund um die Rennbahn werden um die 120 Pferde trainiert, das ist als Zahl gar nicht so schlecht. Aber es ist richtig, dass das Gros der Spitzenpferde im Westen steht. Köln ist nach wie vor die führende Trainingszentrale mit rund 300 Pferden. Unser Standort hat Vor- und Nachteile.
Wir werden den Standortnachteil, den wir gegenüber Köln haben, nicht ausgleichen können in den nächsten zehn Jahren. Aber wir können unsere Berlinnähe als Trumpf ins Spiel bringen.
Gerhard Schöningh
Die da wären?
Wir haben sehr vielseitige Trainingsmöglichkeiten, die es woanders in Deutschland kaum gibt. Wir haben ein großartiges Renntagserlebnis. Wir haben die Hauptstadtregion und ganz viele Unternehmer und Menschen, die die nötigen Mittel haben, Rennpferde zu halten.
Und was sind die Nachteile?
Wir sind relativ weit von den großen Futtertrögen in Frankreich entfernt. Ich muss auch zugestehen, dass wir viel in die Trainingsanlage investiert haben. Aber die Strategie, weitere Trainerinnen und Trainer hier anzusiedeln und die Qualität der Pferde zu heben, haben wir noch nicht umgesetzt.
Wir konzentrieren uns derzeit darauf, für Fans und Sponsoren richtig attraktiv zu sein. Und dem Event eine Relevanz zu geben, um dadurch kostendeckend zu arbeiten. Da sind wir sehr nah dran. Das letzte große Projekt auf der Rennbahn wird die Sanierung der Haupttribüne sein, die hoffentlich Anfang 2026 losgehen wird. Die Stärkung des Trainingsstandortes werden wir danach angehen.
Der Beruf des Pferdetrainers ist sehr fordernd. Es gibt kaum Auszeiten, wenig Fachpersonal, die Kosten steigen. Gibt es überhaupt noch viele Menschen, die das ausüben wollen?
Die Herausforderungen sind da und es gibt die gestiegene Erwartung, dass die Pferde sehr gut betreut werden – mit umfassendem Auslauf, Paddocks. Das ist entsprechend intensiv, was die Personalkosten betrifft. Entsprechend ist es wichtig, ein Rennpferd als teureres Paket zu verkaufen. Gleichzeitig muss man intensiv mit den Besitzern kommunizieren und sie betreuen, wenn sie in den Rennstall kommen. Wir müssen dafür ein passendes Umfeld bieten.
Wir werden den Standortnachteil, den wir gegenüber Köln haben, nicht ausgleichen können in den nächsten zehn Jahren. Aber wir können unsere Berlinnähe als Trumpf ins Spiel bringen.
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