zum Hauptinhalt
Niko Kappel trifft die Nachwuchstalente. 2012 war er selber bei einem Jugendlager in London.

© Amrei Zieriacks / Deutsche Behindertensportjugend

Road to LA: Niko Kappel trifft Paralympics-Stars von Morgen

2028 möchten sie selbst teilnehmen, in Paris schnuppern sie schonmal paralympische Luft. Zwei Nachwuchstalente treffen Silbermedaillengewinner Niko Kappel.

Von Lilli Heim

Stand:

Mehr als 140 deutsche Athletinnen und Athleten sind zu den Paralympics nach Paris gefahren. Außerdem in der französischen Hauptstadt: 19 Jugendliche, die selber einmal an Paralympischen Spielen teilnehmen möchten.

Zwei Kugelstoß-Talente aus dem Jugendlager der Deutschen Behindertensportjugend haben in Paris den besten deutschen Kugelstoßer in seiner Klasse und Weltrekordhalter Niko Kappel getroffen. Der 29-Jährige hat bei den Spielen in London 2012 selber ein Jugendlager besucht – und erste paralympische Luft schnuppern dürfen.

Bei dem Treffen im Paralympischen Dorf hat Kappel seine jüngst in Paris gewonnene Silbermedaille dabei. Ganz im Sinne des Jugendlagers, das seit 1992 bei Paralympischen Spielen ausgerichtet wird, um die Nachwuchssportlerinnen- und Sportler am „Spirit“ der Spiele teilhaben zu lassen.

Zwei deutsche Nachwuchshoffnungen im Kugelstoßen sind Anna Lea Bergfeld und Hannah Magdalena Jannack. Beide sind 17 Jahre alt und haben sich erfolgreich auf eine Teilnahme am Jugendlager beworben. Und dann treffen sie Kappel – einen, der es geschafft hat. Und der vor zwölf Jahren ebenfalls von der Para-Weltbühne träumte.

Im Alter von 16 Jahren nahm Kappel während der Spiele in London an einem Jugendlager des württembergischen Verbandes teil. Er habe die Band Coldplay bei der Abschlussfeier gesehen und sei von der Leichtathletik verzaubert gewesen: „Da habe ich mir wirklich geschworen, nächstes Mal, 2016 in Rio, unten auf dem Platz zu stehen. Nicht oben zu sitzen und die anderen zu feiern, sondern an Wettkämpfen teilzunehmen.“

Der Plan ist aufgegangen. Vier Jahre später holte er in Rio seine erste paralympische Medaille – und zwar gleich Gold. Seitdem hat er das Medaillenset mit Bronze in Tokio und Silber in Paris vollgemacht. Die Silbermedaille zeigt er beim Treffen mit den Nachwuchstalenten Bergfeld und Jannack. Beide dürfen die Medaille in die Hand nehmen, während sie von einer Teilnahme an den Spielen in Los Angeles in vier Jahren träumen.

Doch gerade die Zeit zwischen dem Jugendlager und seinem Golderfolg in Rio sei nicht einfach gewesen, so Kappel. Er habe sich Gedanken gemacht, mit dem Sport aufzuhören, wechselte dann aber Trainer und setzte auf eine neue Technik. Ein ständiger Begleiter im Leistungssport: der Verzicht auf eine „normale Jugend“.

Der Verzicht bleibt

Kappel erzählt den jungen Athletinnen, dass sich der Verzicht durch seine Karriere ziehe, er immer noch viel tun müsse, um konstante Leistungen zu bringen: „Ich muss nach meinem Essen gucken, ich muss nach meinem Schlaf gucken, ich muss aufs Training vorbereitet sein und wenn ich die drei Punkte schonmal gut mache, dann habe ich 99,5 % von dem, was ich brauche, um Topleistungen zu bringen“, sagt er den 17-Jährigen, für die in Paris neben dem Besuch von Wettkämpfen auch ein Treffen mit Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf dem Programm stand.

Inklusion auf dem Trainingsplatz

Hannah Jannack trainiert beim SC Magdeburg Speerwurf und Kugelstoßen. Aufgrund einer beidseitigen Zerebralparese stößt und wirft sie im Sitzen. Bis vor kurzem hat sie in einer Gruppe trainiert, in der olympische und paralympische Nachwuchsathletinnen- und Athleten zusammen trainieren.

Treffen von Niko Kappel mit zwei Nachwuchsathletinnen aus dem Jugendlager

© Amrei Zieriacks / Deutsche Behindertensportjugend

Kappel erklärt den Sportlerinnen jedoch, dass „die Dosis das Gift“ mache und man sich nicht verrückt machen solle. Für die Nachwuchssportlerinnen kein unbekanntes Gefühl: Auch sie wissen, wie es ist, den Sport mit dem Jugendlichsein unter einen Hut bringen zu müssen: „Ich stecke gerade in der Vorbereitung der Abi-Zeit. Das heißt, ich muss mich jetzt drum kümmern, dass ich Schule und Sport auf einem guten Niveau hinkriege. Das stellt Freunde ganz hinten an“, sagt Bergfeld, die mit einer einseitigen Zerebralparese lebt. Sie trainiert sechsmal wöchentlich beim BPRSV Cottbus in einer Para-Trainingsgruppe.

Ein Modell, das Niko Kappel unterstützt. Er plädiert für gemeinsame Trainingsstrukturen im paralympischen und olympischen Sport: „Die Zusammenarbeit der Trainer ist der Schlüssel für langfristig erfolgreichere Para-Leichtathletik in Deutschland“, sagt er. Man könne von keiner Trainerin und keinem Trainer erwarten, hundertprozentige Expertise in verschiedenen Disziplinen zu haben: „Wir brauchen keine Para-Sporttrainer, sondern wir brauchen Spezialisten in ihrer Disziplin“, fügt er hinzu. Kappel trainiert selbst mit einem Trainingspartner, der nicht kleinwüchsig ist. Das funktioniere wunderbar: „Auch beim paralympischen Sport ändern sich nicht von heute auf morgen die physischen Gesetze“ - es sei egal, ob man 1,40 Meter oder 2,10 Meter groß ist.

Von Paris nach L.A.

Für Hannah Jannack sind die Spiele in Paris eine Erfahrung, auf die sie sich bereits seit einem Jahr gefreut hat: „Es fühlt sich alles irgendwie nicht real an, es ist einfach unbeschreiblich“, sagte sie. Auch Anna Bergfeld hat die Atmosphäre, vor allem im Stadion aufgesogen: „Es war gigantisch. Nicht nur seine großen Vorbilder wie Niko Kappel, sondern auch die ganzen Sprinter zu sehen, die Medaillen abräumen und total viel Spaß an der Sache haben. Das war toll.“

Aktuell fehlen den beiden noch ein paar Meter, um die Norm für die Paralympischen Spiele in Los Angeles 2028 zu schaffen. Laut Kappel kein Grund zur Sorge: Er sagt ihnen, dass das beste Alter im Kugelstoßen zwischen 28 und 34 sei, da man dann im Vollbesitz seiner athletischen und technischen Fähigkeiten sei.

Zum Schluss der Begegnung hat Kappel dann noch einen Vorschlag für die Nachwuchstalente: „In L.A. will ich auch nochmal mitmachen. Da fahren wir dann einfach gemeinsam hin, okay?“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })