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Jennifer Hermoso auf dem Weg zum Prozess.

© REUTERS/VIOLETA SANTOS MOURA

Rubiales-Prozess in Spanien: Jennifer Hermoso und ihr Kampf gegen die Macht der Männer

Beim Prozess gegen Luis Rubiales will der Ex-Präsident des spanischen Fußballverbands die Täter-Opfer-Rolle umkehren. Dass Jennifer Hermoso weiter dagegen ankämpft, ist nicht hoch genug zu bewerten.

Inga Hofmann
Ein Kommentar von Inga Hofmann

Stand:

Anderthalb Jahre lang war Jennifer Hermosos Leben auf Standby. Sie hatte Angst, auf die Straße zu gehen, erhielt Morddrohungen und musste mit der Familie ihre Heimatstadt Madrid verlassen. „Ich kann nicht frei leben“, sagte die spanische Fußball-Nationalspielerin in einem bewegenden Statement am Nationalen Gerichtshofs in Madrid.

Trotz aller Widerstände entschloss sie sich, zu klagen – gegen Spaniens ehemaligen Fußballverbandschef Luis Rubiales, der Hermoso nach dem WM-Sieg 2023 gegen ihren Willen auf den Mund geküsst hatte.

Diese Entscheidung ist mutig und erfordert immense Kraft. Hermoso setzt sich nicht nur gegen Rubiales zur Wehr, sondern bringt den gesamten männerdominierten Machtapparat des Profifußballs auf die Anklagebank.

„Dass mein Boss mich küsst, so etwas kann und darf nicht passieren“, stellte Hermoso am Montag, dem ersten Tag des Prozesses, klar.

Ein Graffiti in Barcelona, das „Respekt“ fordert.

© REUTERS/BRUNA CASAS

Und das ist richtig. Es darf nicht im Fußball und nirgendwo sonst geschehen. Und doch gibt es bis heute Stimmen, die den Vorfall bagatellisieren und ihn nicht als das benennen, was er ist: als einen sexuellen Übergriff.

Dabei wurde alles auf Kamera festgehalten und von Millionen Zuschauern live im Fernsehen gesehen. Wie müssen sich andere Betroffene fühlen, wenn selbst dieser Fall für viele nicht eindeutig ist? Wenn Hermoso sich weiterhin erklären und rechtfertigen muss?

Bis heute hat Rubiales sich nicht öffentlich entschuldigt, ganz im Gegenteil: Er inszeniert sich als „Opfer eines falschen Feminismus“ und behauptet, man wolle ihn „killen“. Er dreht die Täter-Opfer-Rolle einfach um. An dieser Strategie hält er auch beim Prozess in Madrid fest.

Auf der Anklagebank sitzt aber nicht nur Rubiales, neben ihm werden auch Ex-Nationaltrainer Jorge Vilda, Ex-Sportdirektor Albert Luque und Ex-Marketingchef Rubén Rivera der Nötigung beschuldigt. Sie alle sollen Hermoso, sowie ihren Freunden und ihrer Familie, gedroht haben. Und sie sollen weitere Frauen, die sich hinter Hermoso gestellt hatten, unter Druck gesetzt haben.

Es sind schockierende Anschuldigungen, die offenlegen, wie der Machtapparat Profifußball funktioniert. Mächtige Männer schützen sich gegenseitig und wollen um jeden Preis die eigene Position bewahren auf Kosten einer Spielerin, deren Karriere von ebenjenen Funktionären abhängig ist, die in der Hierarchie weiter unten steht. Auch deshalb versucht die Anklage in Madrid nachzuweisen, dass die Mitangeklagten aus ökonomischen Eigeninteressen handelten.

Hermoso verdient Respekt und Anerkennung dafür, dass sie ebenjene Strukturen versucht, ein Stück weit aufzubrechen. Sie hat ihr eigenes „freies Leben“ dafür geopfert. Der Preis könnte kaum höher sein.

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