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Die schönste Schale des Landes. Oder zumindest die am meisten begehrte.

© Imago/Imagebroker

Rückrundenstart in der Fußball-Bundesliga: Dortmund wird Meister! Und Bayern! Und Gladbach!

Sechs Punkte vor Bayern, neun Punkte vor Gladbach: Dortmund steht als Meister bereits vor der Rückserie fest. Oder etwa nicht? Drei subjektive Ausblicke auf den Ausgang einer noch langen Saison.

BAYERN MÜNCHEN
Google ist keine Hilfe. „Wer wird Deutscher Meister?“, gebe ich bei der allwissenden Suchmaschine ein, in der Hoffnung, vielleicht ein paar Argumente für die große Aufholjagd des FC Bayern zu finden. Doch die Autovervollständigung lässt mich im Stich. Erster Vorschlag „HSV“, zweiter Vorschlag „BVB“. Sehr lustig, Google.

Selbst als Bayern-Fan ist es momentan nicht ganz einfach, ernsthaft an den Titel zu glauben, geschweige denn diese Überzeugung noch zu begründen. Nach sechs Meisterschaften in Folge, bei denen eigentlich nur die Frage war, ob man sie schon im März oder erst im April mit einem zufriedenen Kopfnicken zur Kenntnis nehmen kann, ist die aktuelle Situation fast schon eine Überforderung. Jahrelang reichte mir eine Sekunde für den Blick auf die Tabelle. Platz 1: Bayern. 17 Punkte dahinter: Wen interessiert's?

Nun ist alles anders. Ganz oben steht Dortmund, sechs Punkte dahinter: Bayern. Wann gab es das zuletzt? Muss ziemlich lange her sein. Vielleicht unter Klinsmann, Magath oder doch beim Trap?

Ist im Grunde aber auch egal, denn mittlerweile habe ich die Autosuggestion für mich entdeckt. Je länger ich auf die Tabelle und den Spielplan gucke, desto sicherer bin ich, dass es doch noch klappt. Die Erklärung ist einfach: Bayern gewinnt heute gegen Hoffenheim, Dortmund verliert in Leipzig – und schon sind es nur noch drei Punkte. Und mit Druck umgehen, das können die Münchner Spieler. Da zahlt es sich dann aus, dass man eine überalterte – ich meine natürlich – erfahrene Mannschaft hat. Die weiß dann auch, wie man die richtigen Prioritäten setzt. Während der BVB in der Champions League weiterkommt, verabschieden sich die Bayern gegen Liverpool. So lässt sich auch die x-te Niederlage gegen diese lästigen Spanier verhindern und Karl-Heinz Rummenigge hat jüngst nicht umsonst an Artikel eins des Grundgesetzes erinnert: Die Meisterschaft des FC Bayern ist unantastbar – oder so ähnlich.

Vielleicht hilft ja da oben jemand den Bayern. Franck Ribéry hätte nichts dagegen.
Vielleicht hilft ja da oben jemand den Bayern. Franck Ribéry hätte nichts dagegen.

© picture alliance/dpa

Aber mal im Ernst: Die Schale muss in dieser Saison noch einmal nach München. Damit Niko Kovac weitermachen darf und die alternden Bayern-Stars sich mit einem Titel verabschieden. Klar, Franck Ribéry hat in letzter Zeit absolut zu Recht fast alle Sympathien verspielt, aber Arjen Robbens Zeit darf nicht als Vizemeister enden. Nächstes Jahr kann dann gerne jemand anderes Meister werden. Meinetwegen sogar der BVB. Nur an den HSV glaube ich nicht so recht. Julian Graeber

Seite 2: Borussia Dortmund - die Nerven müssen halten

BORUSSIA DORTMUND
Am Ende der Saison wird Marco Reus als Kapitän die Schale in die Luft recken, und Felix Magath wird wissen, dass er falsch lag. Jener schrieb vor einigen Tagen in seiner Kolumne für den „Kicker“, dem BVB fehle die nötige Klasse. An dieser Stelle ein kurzer Ausflug in die jüngere Bundesliga-Geschichte, Saison 2008/09: Da wurde Wolfsburg Deutscher Meister. Trainer war Felix Magath. Der Kader bestand noch zwei Jahre zuvor aus läppischen zwölf Spielern und die Mannschaft startete in die Rückrunde vom neunten Tabellenplatz. Von Klasse keine Spur. Niemand, der nicht zu viele Kopfbälle trainiert hat, hätte dem VfL den Titel zugetraut. Felix Magath würde – wenn er denn gefragt würde – wohl sagen, es lag an Felix Magath. Zwei Jahre später, Saison 2011/12: Ein junges Team mit wenig Erfahrung wird Meister, das war der BVB. Mario Götze war damals kaum 18 Jahre alt, ein Mats Hummels noch unerfahren. Trainer, und das ist wichtig, war Jürgen Klopp und nicht Felix Magath. Der verramschte währenddessen den Erzrivalen Schalke 04.

Das bringt uns zurück in die Gegenwart: In Dortmund hat derzeit Lucien Favre das Sagen. Der gewiefte Taktiker zählt zu den Top-Trainern in Europa und trainiert im Jahr 110 seit Gründung des Vereins eine junge Mannschaft, die zweifelsohne spielen kann und sich beweisen will. Schon klar, am Ende müssen die Nerven halten. Routinierte Spieler wie Reus und Götze wissen, wie man Titel gewinnt. Nur zum Vergleich: In Wolfsburg wusste das 2009 praktisch niemand.

Luftsprung nach dem Titel? Sieht gut aus für Lukasz Piszczek (li.) und den BVB.
Luftsprung nach dem Titel? Sieht gut aus für Lukasz Piszczek (li.) und den BVB.

© Thomas Frei/dpa

Favre muss seine Spieler im Grunde nur noch wachhalten bis zum letzten Spieltag. Bayerns Spiel ist zwar immer noch hochklassig, doch erstmals – ungefähr seit Erfindung des Balls – ziehen sich Risse durch das Bollwerk FC Bayern. Selbst die Konzernchefs Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß sind nicht mehr unantastbar und die Spieler plötzlich nicht mehr gefeit vor Kritik. Sie können ja kaum noch ungestört ihr Goldsteak verdrücken, ohne dafür auf die Mütze zu bekommen. Die Rückrunde ist noch gar nicht angepfiffen, die Ziellinie längst noch nicht in Sicht, da liegen die Nerven schon blank. Profispieler wissen, dass sich solche Gelegenheiten nicht allzu oft ergeben. Chancenverwertung ist das Stichwort. Das weiß auch Favre, das weiß auch der BVB.

Als wäre es nicht reizvoll genug, den wankenden Münchnern die Beine wegzuziehen (sprichwörtlich!), hilft jetzt auch noch Felix Magath. Sollten die Dortmunder gegen Ende der Saison müde werden, muss Favre nur dessen Kolumne vorlesen. Einfach kurz das Unvertrauen eines gescheiterten Ex-Schalkers ins Gedächtnis rufen. Dann geht’s. Christian Vooren

Seite 3: Borussia Mönchengladbach schafft es noch

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH
Neun Punkte. Neun Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. LÄ!-CHER!-LICH! Natürlich wird Borussia Mönchengladbach Meister. Sollen die anderen die Mannschaft von Dieter Hecking ruhig ein bisschen unterschätzen.

Ich bin ja ein erklärter Freund von Analogien im Fußball: Exakt zehn Jahre ist es jetzt her, dass der VfL Wolfsburg als Neunter in die Rückrunde startete – und am Ende die Meisterschaft feierte. Wie viele Punkte lagen die Wolfsburger im Winter hinter dem Tabellenführer Hoffenheim (und dem Zweiten Bayern München)? Neun!

Neben den übersinnlichen gibt es auch ein paar handfeste Gründe für die erste Meisterschaft seit 1977. Okay, aus eigener Kraft kann es Gladbach nicht mehr schaffen. Aber wir wollen uns doch nicht mit Kleinigkeiten abgeben. Von den ersten acht der Tabelle hat nur Frankfurt die Abreibung im Borussia-Park schon hinter sich. Alle anderen – auch Dortmund und Bayern – müssen den schweren Gang erst noch antreten. Acht Heimspiele, acht Siege: Das spricht für sich (und hat ganz sicher nichts damit zu tun, dass von den ersten acht nur Frankfurt schon in Mönchengladbach vorstellig geworden ist).

Neun Punkte Rückstand - was ist das schon? Gladbachs Kapitän Lars Stindl.
Neun Punkte Rückstand - was ist das schon? Gladbachs Kapitän Lars Stindl.

© Eibner/Imago

Anders als Dortmund und Bayern können sich die Gladbacher zudem voll und ganz auf die Meisterschaft konzentrieren. Kein Pokal, kein Europacup. Selbstverständlich ist das ein Vorteil. Den positiven Effekt hat man schon in der Hinrunde gesehen, als die Borussia bei den Leipzigern drei Tage nach deren kräftezehrendem Auftritt in der Europa League souverän mit 0:2 verloren hat.

Dass Gladbach Meister wird, weiß ich seit ungefähr vier Monaten. Mitte September habe ich die Einladung zu einer privaten Veranstaltung am 18. Mai in Zürich bekommen, die ich definitiv nicht ausschlagen kann. Wenn die Borussia den BVB am letzten Spieltag zum großen Finale um die deutsche Meisterschaft empfängt, werde ich leider verhindert sein. Ist ja typisch. 42 Jahre wartet man auf diesen Moment, und dann das!

Inzwischen habe ich auch eine genaue Vorstellung, wie es laufen wird. Nachdem dem BVB ab Mitte März das Glück abhandengekommen ist und Trainer Lucien Favre mehr und mehr Zweifel im Gesicht trägt, ist der Vorsprung vor dem letzten Spiel auf zwei Punkte zusammengeschmolzen. Als es in der Nachspielzeit immer noch 1:1 steht, gibt es einen Freistoß in aussichtsreicher Position. Thorgan Hazard, in seinem letzten Einsatz für die Borussia vor seinem Wechsel zum BVB, tritt an und setzt den Ball unhaltbar in den Winkel. Anschließend bricht er in Tränen aus.

Und ich auch. Stefan Hermanns

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