
© Herrmann / Malizia
Schaden an wichtigstem Vorsegel: Boris Herrmann bei Vendée Globe zurückgeworfen
Der deutsche Solosegler fällt wegen eines Bruchs aus den vorderen Rängen heraus. Für die Reparatur ist eine gefährliche Kletteraktion in den Mast nötig, was Herrmann zunächst abschreckt - bis er sich ein Herz fasst.
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Ein flappendes Geräusch ließ ihn wach werden. Denn ein kraftlos im Wind schlagendes Segel ist nie ein gutes Zeichen. Als Boris Herrmann nachsah, was sein Vorsegel J2 flattern ließ, statt seine „Malizia-Seaexplorer“ weiter anzutreiben, da hatte es sich aus seiner Verankerung an der Mastspitze gelöst und war am Vorstag heruntergerutscht. Das zu reparieren, würde nicht leicht sein.
So segelt Herrmann zunächst mit dem kleineren Vorsegel J3 weiter. Dadurch ist er langsamer als die Konkurrenz, mit der er sich einen engen Wettkampf um die vorderen Ränge liefert, und rutscht auf Platz sieben ab, fast gleichauf mit Thomas Ruyant („Vulnerable“), der ebenfalls Probleme mit der J2 hat.
Die Vorsegel sind bei Imoca-Yachten, mit denen derzeit 35 Solosegler beim Vendée Globe Race um den Erdball rasen, die überwiegende Zeit in einer Reihe hintereinander fixiert. Sie können teils gleichzeitig gesetzt werden oder auch gänzlich geborgen und unter Deck verstaut, falls das Wetter es erfordert. Nur die J2, das „Arbeitssegel“, ist an einem festen Vorstag fixiert. Als der Klemmmechanismus am Kopf des Segels brach, fiel es deshalb nicht ins Wasser, wie es bei den anderen Vorsegeln passiert wäre.

© Herrmann / Malizia
Herrmann benutzt einen solchen Mechanismus als einziger in der Imoca-Flotte. Bei allen anderen ist die J2 fest mit der Struktur des Riggs verbunden. „Es war mein Wunsch, einen Mechanismus zum Aushaken des Segels zu haben, falls es kaputt geht.“ Deshalb könne er niemand anderem als sich selbst die Schuld geben für das Problem. Es war der zweite technische Rückschlag, nachdem ein Blitzschlag Anfang der Woche ein Drittel der Bordelektronik außer Gefecht gesetzt hatte.
Um den Schaden zu beheben, muss Herrmann in den Mast aufentern. Er hat das unlängst erst getan, doch konnte er dafür ein Flautenloch nutzen, der Seegang war schwach. Wegen der derzeit raueren Bedingungen fühle er sich außer Stande, in den 29 Meter hohen Mast zu klettern.
Boris Herrmann leidet an Höhenangst
Es sah so aus, als würde sich erst in den Doldrums am Äquator ein günstiges Wetterfenster öffnen, das eine solche waghalsige Operation für den an extremer Höhenangst leidenden Segler ermöglicht hätte. Aber Herrmann konnte nicht tatenlos zusehen, wie er abgehängt wurde - und dann auch noch selbst verschuldet. Sein Ehrgeiz verdrängte die Angst, nachdem er in Zusammenarbeit mit seiner technischen Crew an Land einen Plan ausgearbeitet hatte.

© Herrrmann / Malizia
Das Problem ist, eine Lösung zu finden, die große Lasten aufnehmen kann. Gleichzeitig muss sie es dem Segler ermöglichen, das Segel wieder in die Höhe zu hieven, das so schwer ist wie er.
In der Nacht fasste er sich ein Herz und kletterte in den Mast - ein für Herrmann erstaunliches Unterfangen, wenn man bedenkt, wie viel ihm frühere Aufstiege körperlich und seelisch abverlangten. Und dieser war besonders kompliziert. Nicht nur wegen des Seegangs. Das Segel muss am Masttop so festgemacht werden, dass es die richtige Spannung bekommt.

© Herrmann / Team Malizia
Drei Stunden nahm die Reparatur in Anspruch, was die „Malizia-Seaexplorer“ vor dem Wind 23 Meilen nach Südwesten trieben ließ. Nun ist Herrmann wieder mit einem konkurrenzfähigen Boot unterwegs.
Derweil werden auch andere Teilnehmer nach über 60 Tagen auf See von Materialermüdung heimgesucht. An Bord von Yoann Richommes „Paprec-Arkéa“ (Rang 2) brach das JO-Fall, sodass das Segel ins Wasser stürzte. Für die restlichen 1800 Meilen bis Les Sables D’Olonne steht ihm das große Vorsegel für das Duell mit dem Führenden Charlie Dalin nicht mehr zur Verfügung. Dessen Ankunft wird für den 14. Januar erwartet.
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