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In Paris wird die erste Eröffnungsfeier der Paralympics außerhalb eines Stadions stattfinden.

© Paris 2024

Start der Paralympics in Paris: Kraftvoll und ikonisch

Der französische Theatermann Thomas Jolly eröffnet die Sommerspiele in Paris entlang der Champs-Élysées. Forderungen nach Gleichberechtigung und Barrierefreiheit sollen die Paralympics überdauern.

Von Vincent Busche

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Wenn im Spätsommer von Paris an diesem Mittwochabend die Paralympics eröffnet werden, soll es zum größten Fest in der Geschichte des Para-Sports kommen. Auf eine solche Strahlkraft hofft zumindest das Internationale Paralympische Komitee (IPC), das zuletzt kräftig die Werbetrommel für die Spiele rührte.

Auch der Organisationschef von Paris 2024, Tony Estanguet, hatte zum Abschluss von Olympia von einem Hinspiel gesprochen, das an jenem Abend zu Ende gegangen sei – aber mit den Paralympics folge ja noch das Rückspiel, rief er den berauschten Parisern zu. „Und die werden emotional noch stärker sein“, versprach Anne Hidalgo, Bürgermeisterin der Stadt, obendrauf.

Auch die Eröffnungszeremonie der Paralympics wird in Paris zum ersten Mal außerhalb eines Stadions stattfinden. Die Regie übernimmt erneut der französische Theatermacher Thomas Jolly, der den Auftakt der Olympischen Spiele bereits pompös inszenierte. Im strömenden Regen hatte er entlang der Seine offensiv queere Ballroom-Ästhetik zelebriert. Extravagante Silhouetten, ausgefallen bunte Stoffe, ein nackter Dionysos singt auf einem langen Esstisch – die Komposition erinnerte an Da Vincis Gemälde vom letzten Abendmahl. „Subversive Intentionen“ in seiner monumentalen Aufführung wies der Künstler zurück.

Es war, als wiege die Luft leichter.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die Zeit der Olympischen Spiele

Anders äußerte sich Jolly hinsichtlich der Paralympics. 15 Prozent der französischen Bevölkerung lebe mit Beeinträchtigungen: „Paradoxerweise werden die Athletinnen und Athleten während der Spiele als Helden verehrt, um dann wieder in einem Alltag voller Hindernisse ignoriert zu werden.“

Die 4400 Teilnehmenden aus rund 180 Nationen lässt er in einer prachtvollen Parade entlang der Champs-Élysées zum Place de la Concorde (Jolly: „Hier fielen die letzten Könige und Königinnen, etwas, das unsere Identität begründete“) ziehen, wo sie um den mittelalterlichen Obelisk von Luxor zusammenfinden.

Jolly verspricht eine kraftvolle Zeremonie, kämpferisch vereint mit den Forderungen der Menschen mit Beeinträchtigungen nach Gleichberechtigung und Barrierefreiheit, die ein Gradmesser für die diesjährigen Paralympics wird.

Bereits im Vorfeld der Spiele hatte es Beschwerden über die Nicht-Zugänglichkeit der öffentlichen Transportmittel für Rollstuhlfahrer gehagelt. Im Zentrum der Kritik steht das in die Jahre gekommene U-Bahnsystem: „Die Metro ist der schwarze Fleck“, behauptet Frankreichs Behindertenorganisation APF, und das IPC räumte ein, es könne die Frustration verstehen.

Die Verkehrsbetriebe der Stadt rechnen während der Paralympics täglich mit rund 4000 Personen im Rollstuhl. Barrierefrei nutzen lässt sich die Metro durchgängig nur auf der jüngst fertiggestellten Linie 14, die das Stade de France (Leichtathletik) im Norden und die Bercy-Arena (Rollstuhlbasketball) im Süden verbindet.

Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung

Um alle anderen Veranstaltungsorte in der Stadt zu erreichen, verweisen die Organisatoren auf Investitionen in Höhe von 125 Millionen Euro in Shuttlebusse und Taxis. Die sollen den Menschen im Rollstuhl an allen großen Bahnhöfen zur Verfügung stehen – sofern sie zwei Tage vorher reserviert wurden.

Es wird sich zeigen, ob der öffentliche Druck auf verkehrspolitische Reformen so stark sein wird, dass er zu einem nachhaltigen Umdenken und Umbauen in Paris führt. Sollte das gelingen, wäre die Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung durch die Paralympics eindrucksvoll belegt.

Was die Sichtbarkeit der Spiele angeht, freut sich Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, dass zwei Wettkampfabende erstmals im Live-TV gezeigt werden, sprich nach der Tagesschau im Ersten. Für die Eröffnungsfeier im Zweiten wurde – auf Druck von Beucher – ein Pokalspiel der Fußballer vorverlegt.

„Es war, als wiege die Luft leichter“, hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die Zeit der Olympischen Spiele gesagt. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni begann er mit der schweren Suche nach einem neuen Regierungschef. Auch das französische Volk schien für einen Moment vereint und glückselig – und scheint bereit für das Rückspiel. Der Vorverkauf hatte zuletzt deutlich angezogen, viele Wettbewerbe werden ausverkauft sein.

Jollys Eröffnungsfeier soll der Auftakt sein, der die Zuschauenden und das TV-Publikum mit dem paralympischen Geist vereint. Würde es auch der Stadt Paris gelingen, einen würdigen infrastrukturellen Rahmen herzustellen, kann der Sport bis zum 8. September im Mittelpunkt stehen. Es wäre ein großer Beitrag zur Teilhabe und Inklusion. Die Sichtbarkeit der Athletinnen und Athleten, soviel scheint sicher, wird in diesem Jahr größer sein als jemals zuvor.

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