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Stefan Leitl wirkt schon bei Hertha BSC: Hinten stabil, vorne mit Steigerungsbedarf
Nach zuletzt vier Niederlagen holt Hertha beim Trainerdebüt von Stefan Leitl zumindest einen Punkt. Vor allem die Defensive präsentiert sich deutlich stärker als unter Cristian Fiél.
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Die Veränderungen in Folge des Trainerwechsels bei Hertha BSC hielten auch nach dem Schlusspfiff noch an. Als alles vorbei war, versammelte Stefan Leitl seine Spieler auf dem Feld um sich. Sie bildeten einen großen Kreis, und der neue Trainer des Berliner Fußball-Zweitligisten sprach ein paar abschließende Wort.
Auch Cristian Fiél, Leitls Vorgänger, hat nach den Spielen natürlich zu seiner Mannschaft gesprochen. Aber er tat das eben nicht coram publico. Bei ihm mussten sich die Spieler möglich zügig nach dem Schlusspfiff in der Kabine einfinden. Erst dort richtete Fiél das Wort an sein Team.
Jeder Trainer hat nun mal seine eigenen Vorstellungen. Dass Leitl noch auf dem Platz zu seinen Spielern redete, war eine der von ihm vorgenommenen Neuerungen. Aber es war im großen Ganzen sicher nicht die wichtigste. Der Einfluss des neuen Trainers auf das Spiel seiner Mannschaft trat jedenfalls deutlich stärker zu Tage.
„Man hat heute schon eine Handschrift gesehen“, sagte Herthas Außenstürmer Fabian Reese nach dem 0:0 im Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg, dem ersten Spiel ohne Niederlage seit mehr als einem Monat. „Man hat eine Mannschaft gesehen, die lebt, die Bock hat, das Stadion mitzunehmen, die sehr wohl weiß, dass sie Siege braucht und dafür bereit ist, über die Schmerzgrenze zu gehen.“
Gegen den Ball war es mit unser bestes Spiel, wenn nicht gar das beste. Es ist lange her, dass hier im Olympiastadion mal ein richtig gutes Pressing funktioniert hat.
Herthas Offensivspieler Fabian Reese
Personell hatte Leitl gar nicht so viel verändert im Vergleich zu Fiéls letztem Spiel eine Woche zuvor. Tjark Ernst kehrte ins Tor zurück, und Florian Niederlechner ersetzte den Franzosen Michael Cuisance, der zuletzt nur selten überzeugt hatte. Doch Leitls Entscheidung richtete sich weniger gegen Cuisance, sondern war vor allem dem Wunsch geschuldet, einen richtigen Mittelstürmer auf dem Platz zu haben.
Aber selbst wenn die Veränderungen beim Personal eher moderat ausgefallen waren und Leitl bei gerade drei Trainingseinheiten nur wenig Zeit gehabt hatte, mit der Mannschaft an Details zu arbeiten: Hertha sah am Freitagabend schon ganz anders aus als zuletzt.
„Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben“, sagte Leitl. „Wir wollten aktiv sein. Wir wollten hohe Ballgewinne steuern über Pressingmomente. Das ist uns wirklich gut gelungen.“
Hertha postierte sich in der Tat extrem hoch, lief die Nürnberger aggressiv an und presste sie bereits an deren Strafraum. „Wir hatten einen sehr guten Plan, wo wir die Bälle gewinnen“, sagte Reese. „Wir haben Nürnberg in den Zweikämpfen echt den Schneid abgekauft.“

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Das Umschaltspiel der Gäste, das Leitl vor der Partie noch so gelobt hatte, fand de facto nicht statt. Herthas Torhüter Ernst erlebte ein weitgehend ereignisarmes Comeback, musste erst in der Schlussphase zum ersten Mal eingreifen.
„Gegen den Ball war es mit unser bestes Spiel, wenn nicht gar das beste“, sagte Reese. „Es ist lange her, dass hier im Olympiastadion mal ein richtig gutes Pressing funktioniert hat.“
Torhüter Ernst sah es ähnlich: „Wie wir gepresst haben, wie unsere Außenverteidiger immer wieder nach vorne angesprintet sind, was wir für Balleroberungen hatten, das hat gezeigt, was da drinsteckt und macht Lust auf mehr.“
Nürnberg hatte so gut wie keine Chance
Der neue Ansatz tat Hertha gut, vor allem tat er Herthas Defensive gut, die erst zum vierten Mal in dieser Saison zu null spielte. Da der Ball meist weit weg war vom eigenen Tor, kam die letzte Reihe der Berliner diesmal gar nicht erst in Verlegenheit, den möglicherweise mal wieder entscheidenden Fehler zu machen. „Ich kann mich an fast kein Spiel erinnern, wo der Gegner so torungefährlich war“, sagte Reese.
Dass Leitls Wirken einen positiven Einfluss auf die defensive Stabilität hat, ist nicht neu. Als er bei Hannover 96 Ende des vergangenen Jahres (mit zwei Punkten Rückstand auf den Relegationsrang) entlassen wurde, stellte seine Mannschaft die beste Defensive der Zweiten Liga. In 17 Spielen war sein Team siebenmal ohne Gegentor geblieben.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass nach der Hinrunde nur die letzten vier der Tabelle weniger Tore geschossen hatten als Hannover. Vor allem das uninspirierte Offensivspiel wurde Leitl bei 96 zum Verhängnis.
Sein Plan ist es, den Ball durch das intensive Pressing möglichst nah am gegnerischen Tor zu gewinnen und damit die Wahrscheinlichkeit eigener Treffer zu erhöhen. Gegen Nürnberg gelang das noch nicht so wie erhofft.
Der neue Trainer, so berichtete es Fabian Reese, „hat uns in der Offensive große Freiheiten gelassen, wie wir spielen können“. Nach einem ausgeklügelten Plan klang das nicht.
Aber die Umsetzung eines ausgeklügelten Plans erfordert auch die nötige Zeit, um ihn einzuüben. Die Probleme bei der Entscheidungsfindung in der Offensive, die schon unter Fiél deutlich zu Tage getreten waren, ließen sich nicht über Nacht beheben.
„Wir haben es nicht immer perfekt ausgespielt“, sagte Reese über Herthas Offensivbemühungen. „Aber wenn wir diese Intensität weiter fahren, werden wir große Chancen haben, auch Tore zu erzielen. Wir probieren im letzten Drittel noch etwas genauer und zwingender zu werden. Und dann gewinnen wir Spiele.“
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