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Eine von vielen glücklosen Entscheidungen. Nicht nur mit der Wahl von Tayfun Korkut als Trainer hat Fredi Bobic (rechts) bei Hertha BSC daneben gelegen.

© dpa

Bei Hertha BSC liegt vieles im Argen: Tayfun Korkut ist nicht der Alleinschuldige

Wie erwartet hat sich Hertha BSC von Tayfun Korkut getrennt. Aber die Probleme des Klubs gehen weit über die Trainerposition hinaus.

Hertha BSC wird am Ende dieser Saison absteigen. Dieser Satz stellt inzwischen keine allzu gewagte Prognose mehr dar. Zumal man das alles schon Ende September hätte wissen können. Zumindest Menschen, die sich in der Vereinsgeschichte des Berliner Fußball-Bundesligisten ein wenig auskennen, wissen seit exakt dem 21. September 2021, dass Herthas Abstieg unausweichlich ist.

An diesem Tag verlor Hertha 0:6 bei Rasenballsport Leipzig. Eine derartige Klatsche hatte der Klub in seiner gesamten Bundesligageschichte zuvor erst drei Mal kassiert – und jedes Mal stand am Ende der Saison der Abstieg.

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Das Szenario, dass es Hertha zehn Jahre nach der berühmtberüchtigten Relegation in Düsseldorf im Mai 2022 erneut erwischen würde, mag im September noch surreal erschienen sein. Hertha war nach dieser Niederlage in Leipzig immer noch Zwölfter, und wie sollte ein derart ambitionierter Klub in einer Liga mit Fürth, Bochum und Bielefeld ernsthaft in Gefahr geraten?

Hey, Hertha kriegt das locker hin!

Gegen das Schicksal (0:6!) hat man eben keine Chance, da ist es auch egal, dass du jetzt acht Spieltage vor dem Ende der Saison zum zweiten Mal den Trainer wechselst. So einfach ist es natürlich nicht. Aber andererseits ist es eben auch nicht so, dass allein Tayfun Korkut, der glücklose Trainer, den aktuellen Zustand der Mannschaft und des Vereins zu verantworten hat; dass automatisch alles besser wird, wenn schon am Samstag im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim ein neuer Mann an der Seitenlinie steht, weil der Kader doch viel zu gut für den Abstieg ist.

Nein, das ist er eben nicht. Das wusste im Übrigen auch Korkuts Vorgänger Pal Dardai, der Herthas Personalpolitik – sämtliche Qualität in der Offensive abgeben und durch viel Fantasie ersetzen – für mindestens fahrlässig gehalten hat. Intern hat er sich noch deutlich kritischer dazu geäußert.

Mit Pal Dardai stünde Hertha BSC besser da

Dass viele Fans glauben, mit ihm stünde Hertha aktuell weit besser da, ist übrigens trotzdem kein Widerspruch. Dardai hat gezeigt, dass er in der Lage ist, auch aus geringen Mitteln das Maximale rauszuholen. Seine Entlassung steht fast exemplarisch für die dramatische Fehleinschätzung, die Herthas Absturz zugrunde liegt.

Er ist jedenfalls nicht allein Tayfun Korkut anzulasten, der nun wie erwartet seinen Platz räumen musste. Die Fehleinschätzungen und den daraus resultierenden Absturz hat letztlich Fredi Bobic, der neue Sportvorstand, zu verantworten. Er hat (mit seinen Getreuen) den Kader zusammengestellt; er hat den Trainer ausgewählt, in Korkut etwas gesehen, was die wenigsten noch in ihm gesehen haben.

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Kaum jemand hat verstanden, warum Bobic sich Ende November ausgerechnet für Korkut entschieden hat, und inzwischen zeigt sich, dass die Skepsis begründet war. Abgesehen von einem Zwischenhoch am Ende des vergangenen Jahres hat der Verfall des Teams zuletzt ein erschreckendes Ausmaß angenommen.

Korkut sollte die Mannschaft fußballerisch weiterentwickeln – und ist an dieser Vorgabe krachend gescheitert. Es sagt alles, dass er jetzt, in der sich zuspitzenden Notsituation, auf Geheiß von Bobic gewissermaßen wieder Dardai-Fußball spielen lassen sollte. Am Samstagabend, beim 0:2 gegen Borussia Mönchengladbach, trat seine Mannschaft ultradefensiv auf, mit einer Dreier- respektive Fünferkette. Korkut griff auf genau die taktische Grundordnung zurück, die Bobic bei Dardai nicht mehr hatte sehen wollen.

Bobic ist mit seiner Transferpolitik krachend gescheitert

Auch die Zusammenstellung des Kaders fällt in die Verantwortung des Sportvorstands. Dass er aus Kostengründen viel Qualität abgeben musste, ist das eine; entscheidend ist, dass er sie nicht ansatzweise ersetzen konnte. Bezeichnend ist die Transferpolitik in diesem Winter.

Vier Spieler hat Hertha geholt, kein einziger hilft der Mannschaft in der aktuell schwierigen Situation: Kelian Nsona wird nach seinem Kreuzbandriss wohl erst in der neuen Saison zum Einsatz kommen, Dongjun Lee und Fredrik Björkan sind mit dem Niveau der Bundesliga erkennbar überfordert, und Marc Kempf, der vermeintliche Königstransfer, hat bei seinen bisherigen Einsätzen so dilettiert, dass ihn manche für einen vom VfB Stuttgart bei Hertha eingeschleusten Saboteur halten.

Zwölf Spieler hat Bobic verpflichtet, seitdem er vor knapp zehn Monaten ins Amt gekommen ist. Am Samstagabend, im wichtigen Spiel in Mönchengladbach, standen von diesen zwölf Spielern genau zwei in der Startelf.

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