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Tour de France femmes und sonst?: Fehlende deutsche Rennen im Frauen-Radsport
Seit einigen Tagen läuft die Tour de France der Frauen. Radsportfans hierzulande dürften dabei etwas neidisch ins Nachbarland schauen, denn in Deutschland gibt es kaum große Frauenrennen. Woran hapert es?
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Wenn man die achtfache Weltmeisterin Hanka Kupfernagel fragt, dann hängen der Mangel an Frauen-Radrennen in Deutschland und die Hast von Verkehrsteilnehmern zusammen. „Wir wissen ja, wie ungeduldig so ein deutscher Autofahrer sein kann“, sagt die 51-Jährige mit Bezug auf die ungeliebten Streckensperrungen durch die Events. Für viele sei dies „der Weltuntergang“, schiebt sie mit einem Schmunzeln hinterher.
Kosten, komplizierte und kleinteilige Sicherheitskonzepte: Die Hürden sind natürlich vielfältig, das weiß auch Kupfernagel. Am vergangenen Wochenende begann in Frankreich die nächste Ausgabe der Tour de France Femmes – der größten Rundfahrt bei den Frauen mit deutschen Top-Fahrerinnen wie der dreimaligen Giro-Etappensiegerin Liane Lippert, Straßenrad-Meisterin Franziska Koch und Antonia Niedermaier, die den Giro zuletzt als Fünfte und beste Nachwuchsfahrerin beendete.
Die Olympia-Zweite Kupfernagel begleitet das Event für die ARD als Expertin. Im Laufe der insgesamt neun Etappen dürfte ihr dabei bewusst werden, wie wenige Profi-Rennen es für Frauen in Deutschland gibt. „Ich finde es ein bisschen traurig, denn unweit Richtung Westen in Holland und Belgien finden jede Woche Frauenrennen statt“, sagte Kupfernagel. „Finden keine guten Rennen statt, kommt natürlich kein großes Publikum. Wenn die Rennen nicht gezeigt werden, wenn es keine mediale Sichtbarkeit gibt, dann gibt es keine Sponsoren und dann gibt es weniger neue Fans“, beschrieb sie den Negativkreislauf.
Zwar gibt es Rennen wie den Grand Prix in Stuttgart, aber die Liste an bekannten deutschen Eintagesrennen ist kurz. Im vergangenen Jahr kassierte der Frauen-Radsport mit dem Wegfall der Thüringen-Rundfahrt aus Kostengründen einen herben Dämpfer: Es war das einzige deutsche Etappenrennen, einige World-Tour-Teams nahmen stets daran teil. Die Landesregierung wollte nicht mehr wie im Vorjahr die 200.000 Euro an Fördermitteln aufbringen.
Unterstützung aus der Politik fehlt
„Ich würde nicht sagen, dass sich die Veranstalter schwertun, sondern die Veranstalter sind sehr engagiert“, meinte Kupfernagel. „Da fehlt nur oft die Unterstützung aus der Politik und vom Weltverband“, kritisierte sie. „Wenn die Kosten anfangs nicht auch vom Land oder vom Staat zum Teil mitgetragen werden, dann ist es schwer möglich, Rennen mit hohem Niveau zu etablieren“, sagte die 51-Jährige.
Die großen World-Tour-Eintagesrennen im Männerbereich – die Hamburger Cyclassics und Frankfurt-Eschborn – haben im Gegensatz zu einigen anderen prominenten europäischen Events keine eigenen Frauenveranstaltungen. Fabian Wegmann plant die Strecken bei den Rennen für die Radsport-Organisation ASO – und ist auch nicht glücklich mit der Situation der Frauenrennen: „Es ist nicht schön“, meinte der TV-Experte und Ex-Profi. Generell sehe er aber eine Entwicklung.

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Wegmann kennt die Probleme gut. Etwa das knifflige Thema mit den Streckensperrungen. Die beiden bekannten deutschen World-Tour-Rennen in Hamburg und Frankfurt seien gewachsene Rennen, mit teils 11.000 Startern – darunter vor allem Amateure. „Das Schlimmste wäre, wenn unterschiedliche Rennen ineinanderlaufen. Auf die Strecke passen nicht unendlich viele Rennen“, sagte Wegmann. Bei zu langen Sperrzeiten weigerten sich die Behörden.
Und es geht auch um die Sichtbarkeit und das mediale Interesse. Wie viele Menschen würden die Rennen vor den Bildschirmen verfolgen, wenn die Frauen mittags ins Ziel kommen? „Das ist ja auch nicht schön für die Frauen. Bei vielen anderen Rennen machen sie es jetzt, dass die Frauenrennen genau dieselben Uhrzeiten kriegen, aber an einem anderen Tag“, sagte Wegmann.
Der Ableger der Tour-Organisatoren ASO in Deutschland organisiert aktuell in Deutschland sieben professionelle Renntage. „Aus unserer Sicht verdient jedes Frauenrennen diese Eigenständigkeit und sollte nicht als "Side Event" im Rahmen eines Männerrennens konzipiert werden“, teilte Geschäftsführer Matthias Pietsch mit. Durch den vollen Rennkalender konzentriere man sich darauf, „die bestehenden Renntage nachhaltig weiterzuentwickeln“.
Bestimmt hilft auch die Tour de France, um die Sichtbarkeit weiter zu erhöhen. 2022 wurde sie wiederbelebt, nachdem sie bereits zwischen 1984 und 2009 mit teils wechselnden Namen ausgetragen worden war. (dpa)
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