zum Hauptinhalt
Im Visier der Politik: Die Fans aus der Kurve.

© IMAGO/Eibner

Vater Staat gegen Fußball-Anhänger: Wie die Politik problematische Fans ins Visier nehmen will

Erst werden drei Fanhilfe-Vertreter vor Gericht bestellt, nun könnte eine zentrale Kommission über Stadionverbote entscheiden: Der Staat zeigt eine neue Strenge im Fußball. Ob sie Erfolg verspricht?

Stand:

Die neuen Helden im deutschen Fußball können weder hart schießen noch schnell dribbeln oder bezaubernde Pässe spielen. Sie können vor allem mit Menschen reden – und ihnen zuhören.

„Standhaft bleiben, Sophia, Volker und Stan“ und „Zeugnisverweigerungsrecht jetzt“ – so lauteten in den vergangenen Wochen die Botschaften in den Kurven vieler deutscher Bundesligastadien.

Sophia, Volker und Stan sind drei Mitarbeiter des Fanprojekts des Karlsruher SC, die vor Gericht standen. Ihr vermeintliches Vergehen: versuchte Strafvereitelung. Am Donnerstag dann die Erleichterung: Die beteiligten Parteien einigten sich vor dem Landgericht Karlsruhe auf eine vorläufige Einstellung des Verfahrens.

Die Angeklagten müssen 3150, 1500 beziehungsweise 2022 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. „Wie unsere Anwälte schon gesagt haben: Der Umstand, dass wir einen Beitrag an eine gemeinnützige Einrichtung leisten, ist kein Schuldeingeständnis. Es gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung“, sagte Sophia Gerschel, eine der Beschuldigten, am Freitag dem Tagesspiegel.

Gerschel wirkte im Gespräch etwas erleichtert – nach nervenaufreibenden Wochen. Vor allem deshalb nervenaufreibend, weil sie durch den Fall stark in die Öffentlichkeit gerückt wurde. „Wir sind selbst aktiv an die Öffentlichkeit gegangen, um auf den Fall aufmerksam zu machen und eine Diskussion über den fehlenden Schutz Sozialer Arbeit auszulösen.“ Das sei anstrengend gewesen. „Aber wir haben das bewusst so gemacht.“

Was war passiert?

Nach einem Pyro-Skandal beim Zweitliga-Spiel des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli im November 2022, bei dem elf Personen verletzt wurden, weigerten sich die drei Sozialarbeiter, im Zuge der Aufarbeitung als Zeugen auszusagen. Sie begründeten ihr Verhalten damit, dass ihre Arbeit auf dem Vertrauen der Fans beruhe und sie dieses Vertrauensverhältnis schützen müssten.

Wir können in der Sozialen Arbeit nicht helfen, wenn das Vertrauen nicht geschützt wird.

Sophia Gerschel, Beschuldigte im Prozess gegen die Sozialarbeiter

Das Problem dabei: Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht in der Sozialen Arbeit hierzulande nicht. Gerade in der Fanbetreuung ist das ein großes Defizit. Es führt dazu, dass Fans – insbesondere jene, die häufiger auffallen – nur wenig oder gar kein Vertrauen zu den Fanhilfe-Organisationen aufbauen. Denn sie wissen: Wenn es ernst wird und der Staat durchgreift, geraten die Sozialarbeiter selbst ins Kreuzverhör.

„Wir können in der Sozialen Arbeit nicht helfen, wenn das Vertrauen nicht geschützt wird“, sagte Gerschel. Ein Zeugnisverweigerungsrecht helfe, vertrauliche Dinge zu besprechen. „Gibt es dieses Recht nicht, wird es schwierig, auch grenz- oder straffälliges Verhalten aufzuarbeiten.“

Zugespitzt läuft es im Fußball auf einen Kampf zwischen Staat und Fans hinaus. Die CDU-geführte Bundesregierung will mehr Kontrolle und setzt zunehmend auf repressive Mittel. Eine Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts lehnt sie ab. Zudem wird nun über die Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission diskutiert.

Bisher entscheiden die einzelnen Kommissionen der Vereine über Stadionverbote. Die Politik möchte insbesondere bei schweren Verstößen selbst eingreifen können. „Wir müssen ein gemeinsames gesellschaftspolitisches Interesse daran haben, dass die Stadien sicher sind und dass wir das, was von den Fans kommt, einigermaßen unter Kontrolle halten. Auch die Fanszene wird nicht einfacher“, zitierte die ARD Bundeskanzler Friedrich Merz aus einer DFL-Versammlung im vergangenen Herbst.

Der Hintergrund der politischen Vorstöße: Die Zahl der Straftaten ist in der vergangenen Saison in den drei höchsten deutschen Fußballligen signifikant gestiegen. In bestimmten politischen Kreisen herrscht die Auffassung, dass gegen Krawallmacher in den Stadien nicht konsequent genug vorgegangen wird. Ob jedoch mehr Eingriffe von oben – von der Politik – die Probleme in den Kurven tatsächlich lösen können, darf bezweifelt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })