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Im Hinspiel der Zweiten Bundesliga trennten sich der 1. FC Union und der Hamburger SV noch 2:2-Unentschieden.

© IMAGO/Matthias Koch

Vom Zwangsabstieg in die Zweite Liga: HSV und Union stehen für den Wandel im deutschen Frauenfußball

Zum Rückrundenauftakt reisen die Fußballerinnen des 1. FC Union zum Hamburger SV. Beide spielen noch nicht lange in der Liga, dennoch sind sie Aufstiegsaspiranten. Das liegt am Männer-Lizenzverein im Rücken.

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Wenn ein Männerteam aus der Fußball-Bundesliga absteigt, hat das stets sowohl sportliche als auch wirtschaftliche Folgen für den gesamten Verein. Spieler verlassen das Team und auch finanziell müssen meist Abstriche gemacht werden. Wenn es ganz schlecht läuft, betreffen solche Sparmaßnahmen auch die Frauenabteilung, ganz egal, in welcher sportlichen Lage sich die jeweiligen Teams gerade befinden.

Erst in der vergangenen Saison stieg der MSV Duisburg ab, die Frauen aus der Ersten Liga, die Männer aus der Dritten Liga. Der Verein sah sich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, seinem Frauenteam den Spielbetrieb in der Zweiten Bundesliga für die neue Saison zu ermöglichen und zog es zurück. Nun treten die Fußballerinnen in der Landesliga an.

Das gleiche Schicksal ereilte 2012 auch den Hamburger SV, kommenden Gegner der Fußballerinnen des 1. FC Union am Sonnabend (14 Uhr, Platz 6 am Volksparkstadion). Eigentlich war Carl-Edgar Jarchow 2011 gekommen, um den HSV aus seiner finanziellen und sportlichen Krise zu führen. Letztlich war der Vorstandsvorsitzende jedoch dafür verantwortlich, dass das Frauenteam aus der Ersten Liga zurückgezogen wurde.

Der Start in die nächste Saison soll an 100.000 fehlenden Euro gescheitert sein. „Der Frauenfußball stellt nach wie vor ein Zuschussgeschäft dar, dessen Gesamtetat von jährlich 750.000 Euro vom Bundesligabereich finanziert werde“, sagte Jarchow damals. Parallel wurde dem Männerteam in Liga zwei ein Etat von 35 Millionen zugestanden.

Diese Entscheidung kam nach der WM 2011 in Deutschland ebenso überraschend wie der Rückzug Duisburgs nur zwei Jahre nach der EM in England. Und doch stehen die Hamburger Fußballerinnen derzeit sinnbildlich für die rasante Entwicklung, die spätestens seit diesem Turnier voranschreitet.

HSV-Frauen fanden durch Catharina Schimpf zu alter Stärke

Maßgeblich für den Erfolg der Hamburger Fußballerinnen ist Catharina Schimpf. Die ehemalige Spielerin des HSV erlebte den Zwangsabstieg 2012 hautnah mit. Sechs Jahre später legte sie der Führungsriege ein Konzept vor, wie der Frauenfußball beim HSV zurück zu alter Stärke findet. „Damals dachte ich mir: Es kann nicht wahr sein, dass wir im Norden kein Frauenfußballteam haben, was unsere Talente im Norden hält“, so Schimpf im „Frauen.Fußball.Podcast“.

Catharina Schimpf war einst selbst Spielerin des Hamburger SV und erlebte den Zwangsabstieg hautnah mit.

© IMAGO/Lobeca

Die ersten Strukturen wurden aufgebaut, 2021 war der Rückhalt des gesamten Vereins schließlich vollends spürbar und Schimpf als Koordinatorin für den Frauenfußball hauptberuflich tätig – auch dank der Unterstützung von Horst Hrubesch. Zur Saison 2023/24 gelang dank der erfolgreichen Relegation gegen Viktoria Berlin schließlich der Aufstieg in die Zweite Bundesliga, nachdem man im Vorjahr noch knapp an Turbine Potsdam II gescheitert war. Zwar wechselte Catharina Schimpf vor etwa einem halben Jahr zu Regionalligist Viktoria nach Berlin, die Ambitionen des HSV blieben aber.

Sie sind denen des 1. FC Union ganz ähnlich. Beide Vereine sind beispielhaft für die Veränderung im deutschen Frauenfußball. In den vergangenen Jahren gründeten immer mehr Lizenzvereine, also Erst- und Zweitligaklubs der Männer, eine Frauenabteilung oder investierten in ihre bestehenden Teams. Ein weiteres Beispiel in Berlin ist Hertha BSC, aktuell noch in der Regionalliga Nordost vertreten. Neben Lizenzvereinen könnten auch Projekte wie Viktoria Berlin, ein von Investorinnen geführtes Start-up, mit Geldern in Millionenhöhe eine Zukunft in der Ersten Bundesliga haben.

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Teams in der Ersten Bundesliga der Frauen haben einen Männer-Lizenzverein im Rücken.

Aktuell stehen dort bei zehn Teams Männer-Lizenzvereine dahinter, die in geringem oder größerem Rahmen den Frauenfußball bezuschussen. Die SGS Essen und Turbine Potsdam sind als reine Frauenfußballvereine die absolute Ausnahme. Und so kommen immer mehr Vereine in den Frauenfußball, die die Liga durch ihr Geld professionalisieren und sichtbarer machen.

Beide Vereine setzen auf den eigenen Nachwuchs

Auch beim HSV und Union wird deutlich mehr investiert als noch vor einigen Jahren. Dem Verein aus Köpenick dürfte allerdings eher die Vorbildfunktion zukommen angesichts des Unterschieds, dass Unions Fußballerinnen ihr Hobby hauptberuflich ausüben können. Eine Gemeinsamkeit ist, dass beide Vereine auf ihren Nachwuchs setzen, wobei der HSV noch mehr Talente aus den eigenen Reihen aufweist und vom Altersdurchschnitt her deutlich jünger ist.

Wir sind ein bisschen vom Jäger zum Gejagten geworden.

Ailien Poese, Trainerin des 1. FC Union

Die Erfahrung, die Union durch Spielerinnen wie Judith Steinert oder Dina Orschmann mit Einsätzen in der Champions League oder der Ersten Liga mitbringt, könnte am Sonnabend entscheidend sein, wenn die Reise als Zweitplatzierter zum Tabellenfünften nach Hamburg geht. „Am Anfang waren wir der Aufsteiger. Die größte Änderung ist, dass wir durch unseren Tabellenplatz jetzt einfach Favorit sind. Wir sind ein bisschen vom Jäger zum Gejagten geworden“, sagte Unions Trainerin Ailien Poese am Donnerstag.

Der Hamburger Verein hält sich mit solchen Kampfansagen noch zurück. „Der HSV war schon mal eine ganz große Nummer im deutschen Frauenfußball. Das ist uns allen bewusst. Man muss aber auch ganz klar sagen: Das ist jetzt zwölf Jahre her“, meint Saskia Breuer, Nachfolgerin von Catharina Schimpf. Aus diesem Umstand seien keine großen Ansprüche abzuleiten.

Selbst wenn es in dieser Saison nicht mit dem Aufstieg klappen sollte, müssen sich die HSV-Frauen zumindest keine Sorgen mehr machen, dass schlechte Leistungen der Männer ihre eigene Entwicklung erneut gefährden. Denn die Förderung der Frauenabteilung ist mittlerweile in einem Paragrafen in der DFL-Lizenzierungsordnung festgeschrieben.

Am Sonnabend können sich also beide Teams ganz auf das Fußballspielen konzentrieren und zeigen, dass sie die Zukunft des Frauenfußballs in Deutschland sind.

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