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Frauenfußball

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Frauenfußball: Vorteil Deutschland

Vieles spricht dafür, dass der DFB am Dienstag zum Ausrichter der Frauenfußball-WM 2011 gekürt wird. Einzig verbliebener Gegenkandidat ist Kanada.

Berlin - Vor 15 Jahren ist Siegfried Dietrich noch belächelt worden, weil er auf die wunderliche Idee kam, sich mit Frauenfußball abzugeben. „Jetzt klopfen mir die Leute auf die Schulter“, sagt der Manager des Deutschen Meisters 1. FFC Frankfurt, dem finanzkräftigsten und am professionellsten geführten deutschen Frauenfußballklub. Dietrich kann sich mit seiner Vorahnung, dass dem Frauenfußball eine große Zukunft bevorstehen könnte, bestätigt fühlen. Tausende Fans haben dem deutschen Team nach dem Gewinn des WM-Titels Ende September in China am Frankfurter Römer zugejubelt, und Dietrich ist sich sicher, dass die Austragung der WM 2011 dem Frauenfußball einen weiteren Push geben würde. „Die Menschen würden sich emotional noch mehr dafür interessieren, die Euphorie würde zunehmen“, sagt er.

Heute bestätigt der Fußball-Weltverband Fifa Brasilien, den einzigen Bewerber, als Ausrichter der Männer-WM 2014, und entscheidet über die Vergabe der Frauen-WM 2011. Deutschland hat nach dem Rückzug von Frankreich, Australien, Peru und der Schweiz nur noch einen Gegenkandidaten: Kanada. Aus Fifa-Kreisen gibt es Signale, dass Deutschland den Zuschlag bekommen wird, und Uefa-Präsident Michel Platini hat zugesichert, die deutsche Bewerbung zu unterstützen, die in Anlehnung an die WM 2006 unter dem Motto „Wiedersehen bei Freunden – Welcome back“ steht. Als größtes Plus gelten die vorhandene sportliche Infrastruktur und der Erfolg des DFB-Teams. Der zweite WM-Triumph vor vier Wochen hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Zudem haben die letzten drei Weltmeisterschaften in Asien oder den USA (1999, 2003) stattgefunden, so dass vieles für Europa spricht.

Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder ist sich „hundertprozentig sicher“, dass der DFB die Zusage bekommt. „Ich bin überzeugt, dass mein Freund Theo Zwanziger die Präsentation so macht, dass es ausreicht“, sagt er. Neben dem DFB-Präsidenten, der bekennender Frauenfußballfan ist, sind in Zürich Generalsekretär Wolfgang Niersbach sowie die Nationalspielerinnen Birgit Prinz und Fatmire Bajramaj an der Präsentation beteiligt. Frauen- und Familienministerin Ursula von der Leyen drückt vor Ort die Daumen, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird per Videobotschaft die Einladung der Bundesregierung aussprechen.

Der DFB hat die Bewerbung mit großem Nachdruck betrieben, Fotoshootings gemeinsam mit dem Männerteam veranstaltet und den bekanntesten Fußballdeutschen als Sympathieträger auf Reisen geschickt. Franz Beckenbauer ist, wie schon vor der WM 2006, durch die Weltgeschichte geflogen, von Afrika bis Ozeanien, um für Frauenfußball-Deutschland zu werben. Eine Aufgabe, die er sich vor einigen Jahren wohl noch nicht hätte vorstellen können. Auch er ließ sich erst von den Erfolgen des deutschen Teams – sechs EM- und zwei WM-Titel seit 1989 – davon überzeugen, dass das freiwillige Betrachten eines Frauenfußballspiels einen Lustgewinn bedeuten kann.

Beckenbauer steht mit seiner anfänglichen Skepsis nicht allein da. Bei der EM 1989 kamen viele Menschen nur ins Stadion, um sich über die kickende Weiblichkeit lustig zu machen. Seither ist die Akzeptanz stetig gestiegen. Siegfried Dietrich, der umtriebige Manager, versucht die Frankfurter Nationalspielerinnen wie Birgit Prinz „rund um die Uhr auf allen Plattformen einzusetzen“. Gefragt seien sie etwa in Motivationsrunden in großen Firmen, wo sie über Leistungsentwicklung und Teamgeist sprechen. „Gesichter sind wichtig“, sagt Dietrich. Das von Birgit Prinz kennt man inzwischen ebenso wie das der ehemaligen Nationalspielerinnen Steffi Jones und Nia Künzer. Jones hat unlängst ihre Autobiographie beim Fischer-Verlag herausgebracht („Der Kick des Lebens. Wie ich den Weg nach oben schaffte“), Künzer, Schützin des Golden Goals im WM-Finale 2003, tritt als TV-Fachfrau bei Länderspielen in Erscheinung, als weiblicher Günter Netzer sozusagen.

Die Entwicklung des Frauenfußballs lässt sich auch an der Stadiongröße festmachen. 2001, bei der zweiten EM in Deutschland, trat das DFB-Team in Erfurt und Ulm an, in Stadien, die 20 000 Zuschauer fassten. Aber auch in Reutlingen (9400) und Aalen (11 100) wurde gespielt. Die Arenen sollten bei Spielen ohne deutsche Beteiligung nicht zu groß sein, um leere Tribünen zu vermeiden. Zehn Jahre später will man sich in neue Dimensionen vorwagen: Mit zwölf Stadien bewirbt sich der DFB für 2011, um auch dafür gerüstet zu sein, dass die Teilnehmerzahl womöglich von 16 auf 24 erhöht wird. Die meisten Stadien fassen rund 25 000 Fans, Mönchengladbach (46 000), Frankfurt am Main (50 000) und Berlin (75 000) wesentlich mehr. Berücksichtigt wurden mehrere Städte, die ihre Bewerbung für die WM 2006 wegen der Fifa-Hürden zurückzogen oder leer ausgingen, etwa Mönchengladbach, Leverkusen, Dresden oder Magdeburg.

Noch eine Zahl ist seit 2001 rasant gestiegen: Spielten damals noch 211 000 Mädchen bis zu 16 Jahren in 3206 Mannschaften Fußball, so sind es nun 298 000 in 6292 Teams. Zahlen, die auch Turbine-Trainer Schröder freuen – doch euphorisch ist er nicht. „Durch den WM-Sieg und die WM-Vergabe entwickelt sich der Frauenfußball nicht automatisch“, warnt er. Als größtes Problem sieht er nicht die häufig noch wenig professionelle Arbeit bei den Bundesligisten, sondern die fehlende Qualität der Trainer an der Basis, im Mädchen- wie im Frauenbereich. Er hofft deshalb, dass im Falle des WM-Zuschlags Wege gefunden werden, nicht nur oben zu fördern, sondern auch unten. Damit nicht nur das Aushängeschild, das Nationalteam, von der WM profitiert.

Helen Ruwald

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