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Xabi Alonso kann's selbst nicht fassen. Trotz einer überragenden Leistungen scheiterten die Bayern im Champions-League-Halbfinale.

© Peter Kneffel/dpa

Bayern Münchens Aus in der Champions League: Was allein zählt, ist der Erfolg

Bayern hat das Spiel dominiert, Atlético hat die ganze Unberechenbarkeit des Fußballs vor Augen geführt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sven Goldmann

Was für ein Abend!  Bayern München hat Atlético Madrid an die Wand gespielt,  selten war ein Halbfinale der Champions League so einseitig. Die Bayern zeigten ihr wohl bestes Saisonspiel, vielleicht sogar das beste in drei Jahren unter Pep Guardiola, und warum sie am Ende nur 2:1 gewonnen und damit das Endspiel verpasst haben, das wissen sie wahrscheinlich selbst nicht einmal. Über zwei Spiele betrachtet hat die Zweckmäßigkeit über das Erhabene triumphiert. Der hässliche Fußball war erfolgreicher als der schöne, sehr zum Leidwesen der Ästheten, und was den Fußball an sich betrifft war das...

... gar nicht so verkehrt.

Ja, die Bayern hätten sich die Reise zum Finale nach Mailand verdient. Sie waren auf jeder Position besser besetzt und haben auch als Ensemble besser funktioniert. Das ist sicherlich ein Verdienst des um 50 Prozent höheren Budgets, aber auch eines des Pep Guardiola. Der scheidende Trainer hat das Spiel der Bayern  auf eine höhere Stufe gehoben, schon allein deswegen verbietet sich die Diskussion darüber, ob seine Zeit in München nun eine erfolgreiche war. Natürlich war sie das, trotz der drei Niederlagen en suite im Halbfinale der Champions League gegen spanische Mannschaften.

Guardiolas Ziel ist weniger die absolute Schönheit denn die absolute Kontrolle, sie gibt ihm im Optimalfall schon vor dem Spiel die Gewissheit des Sieges. In diesem Sinne hat er seine drei Bundesliga-Spielzeiten gestaltet. Nie war in diesen drei Jahren an der Deutschen Meisterschaft für die Bayern ernsthaft zu zweifeln. Das spricht für Guardiolas Arbeit. Aber ist das der Fußball, den die Leute sehen wollen? Der das Volk Schichten und Generationen übergreifend fasziniert, gerade wegen der Ungewissheit, wer denn am Ende gewinnt? Selten war die Bundesliga so langweilig wie in den vergangenen drei Jahren unter der Regentschaft des Pep Guardiola.

Diego Simeone spielt einen archaischen Fußball

Leicester City, der englische Überraschungsmeister, wird dafür geliebt, dass es dem Establishment Stirn und Stiefelspitze bietet. Endlich zeigt’s mal einer den Großen! Atlético dagegen erfährt weitgehende Ablehnung, was vor allem an der handelnden Hauptperson liegt. Es sind Trainer wie der noble Pep Guardiola, ausgestattet mit dreistelligen Millionen-Budgets, die den Fußball in die Richtung eines Robotersports driften, wo immer der Reichere und damit zwangsläufig Bessere gewinnt. Aber es sind Trainer wie der schmierige Diego Simeone, die dem Fußball seine Unberechenbarkeit erhalten, die kleine Hoffnung darauf, dass am Ende auch mal der Schlechtere siegt, so unverdient das auch sein mag. Aber dann eben auch um so emotionaler.

Schönheit ist etwas für Ästheten und Feuilletonisten. Kein Fan geht ins Stadion, um die Anmut seiner Mannschaft zu bewundern. Was allein zählt, ist der Erfolg, und wenn der von vornherein nicht mehr möglich ist, dann geht auch keiner mehr ins Stadion. Das Atlético Madrid des Diego Simeone spielt einen archaischen Fußball, eine Art Überlebenskampf auf Rasen.

Am Dienstag hat Atlético am eigentlichen Spiel gar nicht teilgenommen. Das heißt nicht, dass diese Mannschaft nicht Fußball spielen kann. Der Spielzug zum zwischenzeitlichen und höchst unverdienten 1:1 war vielleicht der schönste des ganzen Abends. Mit seiner schlichten Präzision  stand dieses Tor für die Abwehrmechanismen, die dem Prekariat im Kampf mit der Hochfinanz bleiben.  

Und sage keiner, das sei Zufall und nur auf den Moment bezogen. In den vergangenen drei Jahren hat Atlético Madrid mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln zweimal das Finale und einmal das Viertelfinale der Champions League erreicht. So viel und so konstanter Zufall ist dann wohl doch System.

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