zum Hauptinhalt
Gennaro Gattuso soll die italienische Nationalmannschaft zur WM führen.

© AFP/FRED TANNEAU

Weltmeister Gattuso als Nationaltrainer: Ein Beweis für die Verzweiflung des italienischen Fußballs

Italiens Nationalmannschaft befindet sich in der Krise – mal wieder. Wichtige Reformen sind nicht in Sicht, dafür soll es ein Weltmeister von 2006 richten. Das wird nicht funktionieren.

Julian Graeber
Ein Kommentar von Julian Graeber

Stand:

Das Paniklevel im italienischen Fußball ist mal wieder hoch. In der vergangenen Woche verlor die Squadra Azzurra 0:3 gegen Norwegen, die Chancen auf die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr sind bereits nach einem Spiel stark gesunken. Die Angst, zum dritten Mal in Folge bei der WM in die Zuschauerrolle degradiert zu werden, ist greifbar.

Nationaltrainer Luciano Spalletti wurde entlassen und an diesem Sonntag wurde offiziell, was eigentlich seit Tagen klar war: Gennaro Gattuso soll die italienische Nationalmannschaft aus der Krise führen. „Das Blau ist für ihn wie eine zweite Haut“, sagte Verbandspräsident Gabriele Gravina.

Die Wahl Gattusos soll die einst so stolze Fußballnation in erster Linie aus dem Stimmungstief führen – und ist ein Beweis für die Verzweiflung der Verantwortlichen. Seit Jahren fehlt es an Ideen, Reformen und Mut, um international wieder konkurrenzfähig zu werden.

Der 47 Jahre alte Kalabrese ist ein Relikt aus einer erfolgreicheren Vergangenheit. Er spielte in einem Team voller Weltklassefußballer und machte die Drecksarbeit für Andrea Pirlo. Gattuso gewann mit dem AC Mailand die Champions League und 2006 mit Italien die WM – und das schien zuletzt das Hauptbewerbungskriterium zu sein.

Nachdem Altmeister Claudio Ranieri abgesagt hatte, geisterten die Namen mehrerer Weltmeister von 2006 durch die Gerüchteküche, obwohl Gattuso, Fabio Cannavaro und Daniele De Rossi als Trainer bisher wenig gerissen haben.

Nach dem Abgang von Roberto Mancini nach Saudi-Arabien und dem Scheitern eines ausgewiesenen Spitzentrainers wie Spalletti, der allerdings nicht mit den Herausforderungen der Arbeit mit einer Nationalmannschaft warm wurde, setzt der Verband auf das Prinzip Hoffnung.

Mit der Autorität eines einstigen Fußballhelden soll das verunsicherte Team wiederbelebt werden. Das kann funktionieren. Siehe Rudi Völler beim DFB zu Beginn der 2000er Jahre, Didier Deschamps in Frankreich oder England unter Gareth Southgate.

Zweifel sind bei der Squadra Azzurra allerdings angebracht – und das hat nichts mit den Trainerqualitäten Gattusos zu tun. Die italienische Nationalmannschaft befindet sich – nur unterbrochen vom überraschenden EM-Titel 2021 – seit mehr als zehn Jahren im Abwärtstrend. Es wird kritisiert, es wird diskutiert, doch die strukturellen Probleme bleiben weitgehend unangetastet. Auch ein Weltmeister auf der Trainerbank wird diese Defizite nicht überdecken können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })