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Arne Slot gewann mit dem FC Liverpool gleich in seiner ersten Saison als Trainer die englische Meisterschaft.

© IMAGO/Sports Press Photo/IMAGO/Kobie Abott/Sports Press Photo / SPP

Zum 20. Mal Englischer Meister: Mit dem Titel krönt der FC Liverpool eine Ära

Mit einer überzeugenden Meisterschaft macht sich Arne Slot schon nach einem Jahr zur Trainerlegende beim FC Liverpool – und krönt gleichzeitig die Ära von Jürgen Klopp.

Stand:

Arne Slot wusste schon vor dem Spiel, wie es ausgehen würde. Als der Mannschaftsbus des FC Liverpool durch den roten Rauch von tausenden Fans Richtung Anfield Road schlich, war der Trainer sich sicher. „In diesem Moment wusste jeder, dass wir das Spiel niemals verlieren“, sagte er der BBC nachher.

Dass alles so selbstverständlich sein würde, hätte bei Slots Ankunft vor einem Jahr wohl keiner gedacht. Doch vier Spieltage vor dem Saisonende war es tatsächlich so weit. Am Sonntag brauchte Liverpool gegen Tottenham Hotspur nur einen Punkt, um die vierjährige Dominanz von Manchester City zu beenden und Englischer Meister zu werden. Am Ende gewannen Slots Team im Spaziergang mit 5:1.

Einigen war das vielleicht zu einfach. Das TikTok-Zeitalter verlangt vor allem einzelne Momente, Explosionen und Erlösungen. Ein Sieg ohne Spannung, ohne Gefahr, ohne das, was man auf fußballerischem Neu-Englisch gerne „Jeopardy“ nennt, ist irgendwie weniger wert.

Doch wer so denkt, hat diesen Klub und diese Stadt wohl nie verstanden. Für Liverpool war dieser Tag gerade deshalb so schön, weil er nicht nur Wochen und Monate, sondern über 35 Jahre in der Mache war. Weil es nicht nur Euphorie auslöste, sondern ein komplexes, generationsübergreifendes Kaleidoskop an Emotionen.

Zum einen hatte man etwas wiedergutzumachen. Schon 2020 hatte Liverpool seinen ersten Titel der Premier-League-Ära gewonnen und damit 30 lange Jahre ohne Meisterschaft beendet. Doch damals, mitten in der Pandemie, mussten alle hinter verschlossen Türen feiern. Die Freude war dadurch vielleicht nicht getrübt, aber sehr wohl bittersüß.

Diesmal war das anders. Die Sonne strahlte. Die Stadt leuchtete rot. Das Stadion bebte, der Champagner floss wie Regenwasser. Mo Salah machte mitten im Spiel ein Selfie mit den Fans auf dem Kop. Die erste richtige Titelfeier des 21. Jahrhunderts war gleichzeitig eine altmodische, in der man regelrecht baden gehen konnte.

Das passte auch, denn mit der 20. Meisterschaft der Vereinsgeschichte schloss sich auch ein historischer Kreis. Jahrzehntelang war Liverpool der erfolgreichste Klub der englischen Ligageschichte gewesen. Dann kam Sir Alex Ferguson, die Trainerlegende von Manchester United.

Der Schotte stürzte die Reds in seinen eigenen Worten von deren „fucking perch“, ihrem „verfickten Hochsitz”. 2011 wurde United mit seinem 19. Titel erstmals alleiniger Rekordmeister. 2013, in Fergusons letzter Saison als Trainer, baute Manchester den Vorsprung mit dem 20. Titel aus. 2020 dann holte Liverpool unter Jürgen Klopp auf. Nun, zwölf Jahre später, zieht Liverpool gleich und bewältigt damit endgültig das Trauma der Ferguson-Ära.

Der Architekt hinter dieser Restaurierung war natürlich vor allem Klopp, unter dem Liverpool in den zehn Jahren zuvor wieder zu einer Großmacht wurde. Am Sonntag erkannte das auch Slot an, als er nach dem Schlusspfiff im Mittelkreis stand, und Klopps Namen mit dem ganzen Stadion sang. „Mit Jürgen habe ich in dieser Saison öfter gesprochen. Und er hat mir vor allem geholfen, indem er mir diese Mannschaft hinterlassen hat“, sagte der Niederländer der BBC.

Slot ist eigentlich der Anti-Klopp

Dabei ist Slots Verdienst in dieser Saison auch aller Ehren wert. Ohne den Kader groß zu verändern, hat er ein schwächelndes Liverpool emphatisch wieder an die Tabellenspitze geführt und als erster Niederländer den Premier-League-Titel gewonnen. Damit wurde er den großen Fußstapfen seines Vorgängers mehr als gerecht, und das obwohl er eigentlich der Anti-Klopp ist.

Statt mit Pathos ist er mit Pragmatismus gekommen. Auch im Moment seines größten Triumphs blieb er eher besonnen und wollte nach eigenen Angaben „nicht ausflippen“.

Das war wohl clever. Dieser Triumph ist ja in vielerlei Hinsicht auch die Krönung der Ära Klopp, und auch für Slot wird es einige Zeit dauern, bevor er in Liverpool einen ähnlichen Legendenstatus wie sein Vorgänger erreicht. Vor dem Spiel gegen Tottenham weigerte er sich auch, sich als „Scouser“ zu bezeichnen: „Das wäre komisch zu sagen, dass ich nach zehn Monaten genauso bin wie Menschen, die seit 30 oder 40 Jahren hier leben“, sagte er diplomatisch.

Seinen Platz in der Klubgeschichte hat er trotzdem jetzt schon sicher, und am Sonntag sang man auf den Rängen der Anfield Road auch seinen Namen. Denn bei allem Mythos ging es bei diesem Klub nie nur um Emotionen, Klassenkampf und Zusammenhalt, sondern auch um das Siegen.

Ein wesentlicher Teil der Identität des FC Liverpool war immer auch, das Maß aller Dinge im englischen Fußball zu sein. Und seit Sonntag ist das jetzt auch wieder der Fall.

Hinweis: In einer vorherigen Version des Textes stand, dass Manchester United erst 2013 erstmals alleiniger Rekordmeister war. Das stimmt nicht und wurde entsprechend korrigiert.

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