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Joshua Kimmich dürfte auch in Zukunft eine Schlüsselrolle im deutschen Team einnehmen.

© imago/Hartenfelser/IMAGO/Horst Ettensberger

Zwei Niederlagen und viele offene Fragen: Welche Schwachstellen das DFB-Team in den Griff kriegen muss

Es war nicht alles schlecht im Final Four der Nations League. Deutlich wurde aber, dass die deutschen Fußballer vor allem in drei Belangen viel Nachholbedarf haben. Eine Analyse.

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Unterm Strich stehen zwei Niederlagen, lediglich eine richtig gute Halbzeit und viel Luft nach oben in allen Mannschaftsteilen. Die Spiele gegen Portugal (1:2) in München und gegen Frankreich (0:2) in Stuttgart haben eindrücklich gezeigt, dass dem DFB-Team derzeit noch einiges bis zur internationalen Spitze fehlt.

Eigentlich Grund genug, die einst geäußerten Titelambitionen hinsichtlich der Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr etwas abzuschwächen. Julian Nagelsmann, Trainer der deutschen Nationalmannschaft, sah das am Sonntagabend aber anders. „Wenn wir so in der WM-Qualifikation auftreten, werden wir da hoffentlich gut durchmarschieren und bei der WM antreten. Und dann haben wir große Lust, das Turnier zu gewinnen“, sagte der 37-Jährige.

Allein aufgrund der zwei verlorenen Spiele nun völlig negativ in die Zukunft zu blicken, wäre nicht richtig. Ein wenig mehr Selbstkritik dürfte dem deutschen Team aber guttun, wenn es in einem Jahr den WM-Pokal in die Höhe strecken will.

Denn die gebotenen Leistungen haben aus vielerlei Hinsicht gezeigt, dass Deutschland der Konkurrenz stark hinterherhinkt. Dass man nur „ein paar Prozentpunkten hinter den Topteams“ sei, wie Nagelsmann es formulierte, entspricht nicht unbedingt der Realität.

Da wäre zum einen die fehlende Tiefe im Kader. Während Frankreich und Portugal derzeit über die möglicherweise besten Teams in ihrer Nationalmannschaftskarriere verfügen und selbst bei Ausfällen und Rotation eine Weltklasse-Elf stellen können, kommt die Anfangsformation der Deutschen einer tatsächlichen B-Elf gleich. Fehlen dem DFB-Team Schlüsselspieler wie Antonio Rüdiger, Jamal Musiala oder Angelo Stiller, kann das nicht ohne Weiteres kompensiert werden.

Was die Breite des Kaders angeht, müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass wir das in einem Jahr geregelt kriegen.

Julian Nagelsmann, Bundestrainer

Die jüngsten Auftritte, bei denen mit Karim Adeyemi und Nick Woltemade lediglich zwei junge Spieler mal etwas mehr Spielzeit erhielten und sonst auf erfahrene Akteure wie Pascal Groß, Robin Gosens oder Leroy Sané zurückgegriffen wurde, verdeutlichten einmal mehr, dass es einen richtigen Umbruch braucht.

Wer Weltmeister werden möchte, darf dabei auch keine Rücksicht auf eine U21-EM-nehmen und vielversprechende Spieler deshalb nicht nominieren. „Was die Breite des Kaders angeht, müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass wir das in einem Jahr geregelt kriegen. Wir können nicht in zwei Jahren Versäumnisse von acht Jahren aufholen“, gab Nagelsmann indes zu bedenken.

Es braucht taktische Einfachheit und mehr Intensität

Sprich, der Bundestrainer muss zumindest bis zur WM größtenteils mit dem arbeiten, was er hat. Eine weitere Lehre aus dem Final Four der Nations League ist folglich, dass man von Deutschland nicht erwarten darf, dass es in jedem Spiel dominiert.

In der ersten Halbzeit gegen Frankreich war zu sehen, dass Angriffspressing dem deutschen Team durchaus liegt. Vorausgesetzt, die Defensive steht kompakt und Passfehler in gefährlichen Räumen werden vermieden.

Bundestrainer Julian Nagelsmann gibt sich weiter optimistisch, was den WM-Titel angeht.

© imago/osnapix/IMAGO/osnapix / Marcus Hirnschal

Das war gegen Portugal oftmals nicht der Fall. Einerseits aufgrund individueller Unterlegenheit, andererseits wegen des mannorientierten Verteidigens, für das allerdings die nötige Intensität der deutschen Spieler fehlte. Gegen Frankreich lief man nach mehreren Abspielfehlern in Konter, die das Team von Didier Deschamps aber ungenutzt ließ.

Julian Nagelsmann wird es künftig also eher einfach halten, auch aufgrund der fehlenden Zeit im Nationalteam, um an taktischen Feinheiten zu arbeiten. Langfristig könnte er sich auf eine Viererkette festlegen.

Das System war bereits bei der EM vor einem Jahr von Erfolg geprägt und gibt auch Joshua Kimmich, eine der wichtigsten Stützen im Team, die Möglichkeit, sich in den Spielaufbau mit einzuschalten. Als Schienenspieler in einer Dreier- respektive Fünferkette fehlt dem Kapitän dazu die nötige Freiheit, was sich bei einem hohen Pressing des Gegners negativ auswirkt.

Nicht zuletzt muss das deutsche Team, insbesondere Nick Woltemade, vor dem Tor effizienter werden. Der 23-Jährige hat durchaus gezeigt, dass er ein Nationalspieler für die Zukunft ist, gegen Frankreich ließ er aber zwei hochkarätige Chancen in der Anfangsphase aus. Und auch gegen Portugal fehlte es ihm an Abschlussstärke.

Zum absoluten Topniveau ist es für das deutsche Team also noch ein weiter Weg. An guten Tagen kann es sicher mithalten, braucht aber auch das nötige Quäntchen Glück, um zu gewinnen.

Und dennoch bittet Bundestrainer Nagelsmann um Geduld in den kommenden Monaten. „Wir können nicht in zwei Jahren die Welt einreißen und aufholen, was über mehrere Jahre nicht gut lief“, sagte er, sprach seiner Mannschaft aber Vertrauen aus: „Ich spüre etwas Besonderes in der Gruppe.“

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