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In rund 500 Metern Tiefe lagern im Endlager in Morsleben (Bördekreis) Fässer mit Atommüll, aufgenommen 21.10.2009.

© picture alliance / dpa

Atommüll: Endlager? Ja bitte!

Heute übergibt die Endlagerkommission ihren Abschlussbericht. Der jahrzehntelange Streit um den Atommüll könnte bald zu Ende gehen. Die Politik will Sicherheit und Akzeptanz schaffen.

Wenn die Endlagerkommission an diesem Dienstag ihren Abschlussbericht übergibt, hat sie zwei ihrer Ziele schon erreicht. Ende Juni hat der Bundestag zwei Kernforderungen der 34-köpfigen Kommission bereits beschlossen. Bundestag und Bundesrat hatten die Kommission einberufen, um Kriterien für eine neue Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll zu entwickeln.

Ziel Nummer eins: Es soll ein „nationales Begleitgremium“ eingesetzt werden, das den Endlagersuchprozess von Anfang an beobachtet und kommentiert. Das Gremium ist Teil einer ganzen Reihe von Bürgerbeteiligungsprozessen bis zum Bau eines Atomendlagers. Union, SPD und Grüne beantragten die Schaffung des Begleitgremiums gemeinsam. Sechs „angesehene Persönlichkeiten“ sollen von Bundestag und Bundesrat berufen werden. Dazu kommen zwei zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger und ein ebenfalls zufällig ausgewählter Vertreter der jungen Generation, die vom Umweltministerium in einem „geeigneten Auswahlprozess“ gefunden und berufen werden sollen.

Dieses Gesetz nutzte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) quasi als U-Boot, um noch ein zweites Ziel zu erreichen: die Neuordnung der Behördenzuständigkeiten, die zu einer klaren Arbeitsteilung führen soll. Einerseits der Organisation des Atomausstiegs und der Atommüllentsorgung, und andererseits dem Schutz der Bevölkerung vor schädlicher Strahlung.

Schon in der vorhergehenden Legislaturperiode hatte der Bundestag ein neues Bundesamt für Entsorgung (BfE) geschaffen, das praktisch jedoch bis heute kaum Aufgaben hat. Das Argument damals: Das bestehende Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sei gleichzeitig „Vorhabenträger“ für Endlagerprojekte, habe aber auch Aufsichtsfunktionen. Der Chef des BfS, Wolfram König, fand das Argument immer etwas lächerlich. Aber die neue Behördenstruktur diente 2012/13 wohl auch dazu, ihn selbst zu entmachten, ohne ihn zu entlassen.

Denn König, der das BfS seit 1999 leitet, galt unter Atomlobbyisten als unliebsame Figur. Der Grüne wurde dem Amt vom damaligen Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) vor die Nase gesetzt. Das war nicht konfliktfrei. Denn im BfS saßen viele, die den Atomkurs seit den 1970er Jahren für völlig richtig hielten, die überzeugt waren, dass der umstrittene Salzstock in Gorleben das richtige Atomendlager ist, und die dessen „Erkundung“, der eher einem Vollausbau glich, massiv unterstützten. Mit Wolfram König kam nun jemand an die Spitze, der schon als Staatssekretär in Magdeburg alles dafür getan hatte, das Endlager der DDR für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Morsleben nicht mehr weiter mit dem Müll aus westdeutschen Atomkraftwerken zu befüllen.

Die Atomkonzerne wollten das Rad zurückdrehen

Auch nachdem sich die großen Linien in der Atompolitik mit dem ersten Atomausstieg in den frühen 2000er Jahren änderten, versuchten die Atomkonzerne das Rad zurückzudrehen. Mit stetiger Lobbyarbeit vor allem in der Unionsfraktion und bei der FDP im Bundestag. Und mit einem Zuständigkeitskonstrukt, das die bestehende Atompolitik zementieren half: die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE). 75 Prozent dieses Unternehmens gehören den vier Atomkonzernen, 25 Prozent dem Bund. Es war das einzige Unternehmen, das vom BfS mit Arbeiten in den Endlagern beauftragt werden durfte. Die Stabilisierung des Endlagers in Morsleben, der Bau des einzigen genehmigten Endlagers für schwach und mittelradioaktive Abfälle in Schacht Konrad bei Salzgitter und das Erkundungsbergwerk in Gorleben lagen damit in der Hand der DBE. Das Unternehmen hatte eine Gewinngarantie, führte jährlich etwa 2,5 Millionen Euro an seine Besitzer ab. Bezahlt wurde die DBE aus Steuermitteln für den Anteil der öffentlich erzeugten Atomabfälle, aus Kernforschungszentren oder aus der Medizin. Für den Anteil der Unternehmensabfälle leisten die Atomkonzerne Vorauszahlungen – und verdienen damit an sich selbst. Eine bequeme Monopolkonstruktion, die 2009 erstmals Konkurrenz bekam: Der Bund übernahm das Skandalendlager Asse von der Helmholtz-Gesellschaft und gründete für die konkreten Arbeiten im ehemaligen Salzbergwerk vor Ort die bundeseigene Asse GmbH – und beauftragte nicht die DBE.

Aus dieser Asse GmbH, der DBE und Teilen des BfS soll nun eine neue bundeseigene privatrechtliche Gesellschaft werden: Die Bundes-Gesellschaft für Endlagerung GmbH (BGE). Sie wird mit gut 1400 Mitarbeitern an den Start gehen. Allerdings muss der Bund zunächst die Anteile der Energiekonzerne an der DBE kaufen. Das BfE wird künftig Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit heißen und die neue BGE mit dem Betrieb von Endlagern beauftragen. Wo der Sitz des Bundesamtes sein wird, ist noch nicht entschieden, aber Salzgitter ist ein heißer Kandidat, weil ein größerer Teil des dort beheimateten BfS in das neue Amt integriert werden wird. Neben der Aufsicht über die Standortsuche und schließlich der Genehmigung des Endlagerstandorts ist das Amt für die Aufsicht über alle anderen Endlagerstandorte zuständig. Es soll zudem Zwischenlager und Atomtransporte genehmigen. Wer dieses BfE führen wird, ist noch offen. Klar ist nur, dass Ewold Seeba, der das BfE aktuell leitet, das wohl nicht mehr sein wird. Denn er ist auch Leiter der Zentralabteilung im Umweltministerium, „und ich bin sehr glücklich mit ihm in dieser Funktion“, sagte Ministerin Hendricks zur Frage, wo Seeba in Zukunft arbeiten soll. Die neue Struktur soll jedenfalls die „historisch gewachsene Zuständigkeitslandschaft“ (Seeba) an die Notwendigkeiten des Atomausstiegs anpassen.

Klare Kompetenzen

Auch Wolfram König, dessen BfS in absehbarer Zeit nur noch für den Strahlenschutz zuständig sein wird, ist zufrieden mit der neuen Struktur. Sie sei „die Konsequenz aus den Erfahrungen seit knapp 30 Jahren“, sagte er dem Tagesspiegel. Außerdem sei sie die Voraussetzung dafür, „Vertrauen zu schaffen“, sagt König.

Bei der Schaffung des Begleitgremiums rät König übrigens, von Anfang an „Rollenklarheit“ herzustellen, damit die beteiligten Bürger keine falschen Vorstellungen über ihre Kompetenzen hätten. Das, findet der Berliner Anwalt Hartmut Gassner, der in der Endlagerkommission die Arbeitsgruppe Bürgerbeteiligung geleitet hat, sei im Abschlussbericht gut gelungen. Die Kommission habe ein „gut ausgewogenes System“ von nationaler, überregionaler und regionaler Beteiligung vorgeschlagen.

Daran zweifelt aber die Beteiligungsforscherin Patrizia Nanz. Die Professorin ist Wissenschaftliche Leiterin des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS. Sie befürchtet, dass die „Zufallsbürger“ in dem nationalen Begleitgremium mangels Kompetenz und Ressourcen im Verhältnis zu den „angesehenen Persönlichkeiten oder Experten „marginalisiert“ werden könnten. Das führe zu einer „öffentlichen Beschädigung des Beteiligungsverfahrens“, warnte sie in einem Brief an die Vorsitzenden der Endlagerkommission.

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