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Mit diesem Foto will Closed darauf aufmerksam machen, dass sich die Hose aus Coreva komplett abbauen lässt.

© Closed

Stretch-Jeans für den Kompost: Jeans vom Ende her gedacht

Mit der italienischen Weberei Candiani hat die Jeansmarke Closed eine saubere Hose entwickelt, die trotz Stretch-Anteilen in den Kompost darf.

Die Jeans ist nicht nur unser liebstes, sondern auch eines der dreckigsten Kleidungsstücke in einer der schmutzigsten Industrien der Welt. Für die Produktion einer einzigen Jeans werden rund 8000 Liter Wasser gebraucht. Giftige Chemikalien fürs Färben schaden Menschen und Umwelt.

Im Jahr werden 190 Millionen Stück aus Ländern wie Bangladesch, Pakistan und der Türkei nach Deutschland exportiert, rund 50 000 Kilometer ist eine Jeans bis dahin gereist. Und auch die Zeit, in der sie getragen wird, hat sich drastisch verkürzt – nur 7,3 Prozent der Deutschen besitzen Jeans, die mindestens acht Jahre alt sind. Die Unverwüstlichkeit ist nur noch ein Mythos aus Goldgräberzeiten.

Spätestens seit in den achtziger Jahren hautenge Stretch-Jeans auf den Markt kamen, ist aus dem klassischen Denim, einem robust gewebten Stoff aus festen Baumwollgarnen, ein Mischgewebe geworden, das mit Elasthan zwar sehr viel bequemer, aber dafür auch weniger haltbar und vor allem nur schwer zu recyceln ist. Die Lebensdauer wird noch dadurch verkürzt, dass die Jeans schon vor dem ersten Tragen gebraucht aussehen soll. Mit Färben, Waschen, Bleichen und Schleifen bekommen Jeans Falten, Risse, Flecken, als hätten sie schon ein ganzes Leben hinter sich. Kein Wunder, dass sie schnell schlappmachen und entsorgt werden.

Sieht aus eine ganz normale Jeanshose.
Sieht aus eine ganz normale Jeanshose.

© Closed

Das schlechte Image der Jeans war in den vergangenen Jahren für viele Marken Anlass, darüber nachzudenken, wie man aus der bösen eine gute Hose machen kann. Bei Nudie kann man seine Hose im Laden reparieren lassen, Mud Jeans vermietet Jeans und G-Star entwickelte 2018 die erste, die komplett recycelt werden kann.

Jetzt geht das Hamburger Label Closed einen Schritt weiter und bringt die erste Stretch-Jeans heraus, die komplett kompostierbar ist. Dafür arbeitet Closed mit der italienischen Weberei Candiani zusammen, die den Stoff dafür entwickelt hat.

Vor sieben Jahren holte Closed seine Jeansproduktion nach Italien zurück und führte die Linie „Better Blue“ ein, für die Jeans mit weniger Wasser, ohne Chemikalien und teils aus Biobaumwolle hergestellt werden. Die Linie macht inzwischen rund 50 Prozent des Sortiments aus.

Candiani ist die letzte Weberei in Italien die Denim herstellt

Dass der Stoff für Closed-Jeans fast ausnahmslos von Candiani kommt, hat einen Grund: Es ist das letzte Unternehmen seiner Art in Westeuropa. Vor gut zwanzig Jahren wurde die italienische Jeansproduktion nach Fernost verlagert. Aber der damalige Besitzer Gianluigi Candiani entschied sich, seine Fabrik nicht aufzugeben und stattdessen auf Nachhaltigkeit zu setzen. Inzwischen lässt sein Sohn Alberto in Robocchetto, einem kleinen Ort nahe Mailand, Garne spinnen und Stoffe weben. Er nutzt dazu auch Biobaumwolle und Lasertechniken, die das Färben ersetzen und Wasser sparen.

Uwe Kippschneider kümmert sich bei Closed um die Entwicklung von neuen Jeans. Als Candiani ihm vor zwei Jahren von dem neuen Stoff erzählte, wollte er ihn unbedingt in die Kollektion aufnehmen. Er wusste: Das ist eine Investition in die Zukunft. Jeans ohne Stretch wollen heute die wenigsten anziehen. Aber eine nachhaltige Variante gab es bisher nicht, weil das für den Stretch notwendige Elasthan bisher nicht zu ersetzen war.

Das Garn ist aus natürlichem Kautschuk und ersetzt Elasthan in der Stretch-Jeans.
Das Garn ist aus natürlichem Kautschuk und ersetzt Elasthan in der Stretch-Jeans.

© Candiani

Sechs Jahre tüftelte man bei Candiani daran, aus Kautschuk einen Faden zu spinnen, der sich mit Baumwolle verweben lässt und robust genug fürs Färben und Waschen ist. „Intern hatten wir so viel Widerstand, dass wir mehrmals aufgeben wollten“, sagt Marketingchef Simon Giuliani.

Aber da sein Vater schon in den achtziger Jahren der Erste war, der Stretchdenim nach Kalifornien verkaufte, wollte Alberto Candiani mit einer nachhaltigen Variante nachziehen. Vor einem Jahr meldet er schließlich seinen neuen Stoff „Coreva“ als Patent an. Auch Uwe Kippschneider setzte sich hohe Ziele: „Die komplette Hose sollte abbaubar sein.“ Also mussten das Nähgarn, die Metallknöpfe, die Nieten und die Etiketten ersetzt werden.

Ob das wirklich funktioniert, wurde bei Closed bereits mit Würmern ausprobiert, eine Mitarbeiterin hat die Jeans in ihrem Komposthaufen verbuddelt. „Der Zersetzungsprozess ist im vollen Gange. Das ist aber keine offizielle Forschung, eher ein Spaß“, sagt Kippenschneider.

Die Kunden von Closed wollen gerade nicht auf Nummer sicher gehen

Auch er weiß, dass sich die wenigsten Menschen eine Jeans kaufen, weil sie sie kompostieren wollen. „Es geht um den Lebenskreislauf. Wenn man sich anschaut, wie viele Milliarden Kleidungsstücke auf Deponien landen! Wir schaffen eine Option, wie sich die Jeans komplett ohne Schadstoffe zersetzt.“

Gerade arbeitet Candiani an einem Denim, der mit einem Stretchgarn aus einem künstlichen Polymer ausgestattet ist. „Das ist zwar nicht biologisch, aber abbaubar. Das ist kommerzieller, weil es mehr Ware ergibt und günstiger ist“, sagt Simon Giuliani. Bei Candiani denkt man zwei Jahre im voraus darüber nach, wie die Jeans im Laden aussehen sollen. „Wir machen die Innovation. Normalerweise braucht es drei Saisons, bevor die Marken checken, was du entwickelt hast“, sagt Giuliani.

Und dann ist da ja auch noch Corona: Closed hat schnell auf die neue Situation reagiert – zu schnell, wie sich jetzt herausgestellt hat. „Wir dachten, dass viele Kunden auf Nummer sicher gehen und bekannte Optiken mehr gefragt sind. Mit den beiden Kollektionen, die wir im ersten Lockdown vorgestellt haben, wollten wir dem entgegenkommen“, sagt Kippenschneider. Aber die Rückmeldung seiner modischen Kunden war eine andere. „Die wollten gerade in Zeiten wie diesen mutige, frische Waschungen, neue Optiken.“ Das sieht man der Kollektion für den nächsten Herbst an, die wieder im Lockdown entstand: Sie enthält jede Menge runtergerockte Vintagewaschungen für Jeansoptimisten.

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