
© Rolf Brockschmidt
Neues Archiv am Petriplatz: Frau Klähne behält den Überblick
350.000 Objekte umfasst die Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Der Großteil zieht gerade in das archäologische Haus Petri Berlin.
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Die Aufgabe ist riesig, schier unüberschaubar: 350.000 Objekte der Studiensammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte hat Museologin Christiane Klähne zu verwalten. Ein Drittel dieser Sammlung ist bereits in das Petri Berlin, das neue Archäologische Haus in Berlins Mitte, umgezogen.
Der Rest der Sammlung befindet sich zwar noch im Dachgeschoss des Langhans-Baus des Schlosses Charlottenburg. Doch weitere archäologische Fundstücke sollen in den nächsten Jahren ebenfalls auf die Spreeinsel gebracht werden. Auch die Restaurierungswerkstatt soll folgen.
In dem fünfstöckigen Neubau an der Gertraudenstraße, der von den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Landesdenkmalamt betrieben wird, lagern die restaurierten Funde sicher verpackt in unzähligen Kartons auf langen grauen Regalen im dritten Stock. Jeder Karton ist beschriftet mit dem Ort, an dem die Objekte gefunden wurden, mit einer Inventarnummer und einem Barcode. So lässt sich problemlos erkennen, woher der Inhalt stammt.
Schönes und Kurioses
„Alles, was an einem Ort gefunden wurde, bleibt zusammen in einem Karton. Darin können also ganz unterschiedliche Gegenstände versammelt sein“, erläutert Klähne. Der Barcode außen verweise auf eine Datenbank mit Inhaltsverzeichnis. Meistens liegen in den Kartons Keramikscherben, Bronzegegenstände und Gesteine, alles, was nicht empfindlich auf klimatische Einflüsse reagiert. „Eisen wird separat in einem klimatisierten Raum aufbewahrt, denn die Luftfeuchtigkeit darf 30 Grad Celsius nicht überschreiten, sonst setzt der Rost ein“, sagt Klähne.
Die Museologin zieht exemplarisch einen Karton aus dem Regal. Im Inneren, auf Schaumstoff gebettet, liegen Stücke von Armreifen in kleinen Plastikbeuteln, Fragmente von Gewandfibeln und Murmeln sowie ein Feuerstein.
In der nächsten Schachtel mit Funden aus dem mecklenburgischen Klatzow im Kreis Demmin steckt ein großer, fein restaurierter Kupfertopf im Schaumstoffbett. Natürlich finde man auch Glas, aber auch das werde extra verwahrt, um es vor Erschütterungen zu schützen, denn Glas könne sehr fragil sein, erläutert Klähne. Gold und Münzen, kurzum, alles, was wertvoll ist, werde ebenfalls separat aufbewahrt und nicht in die Fundkontextkartons gepackt, ergänzt sie.

© Rolf Brockschmidt
Die Sammlung des Museums ist einst aus den Königlichen Kunstkammern hervorgegangen, weniger aus Grabungen. Man habe damals das Schöne und Kuriose entdeckt und gesammelt. Erst um 1910 habe man begonnen, nach heimischen Altertümern zu graben, berichtet Christiane Klähne.
Zum Bestand gehören zudem auch Nachlässe, etwa die des berühmten Universalgelehrten Rudolf Virchow und des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann. Durch Schliemanns Nachlass haben sich der Umfang und die inhaltliche Reichweite der Sammlung erheblich erweitert.
Und noch mehr ist zu erwarten: Die umfangreiche Bautätigkeit in der Berliner Innenstadt in den letzten 15 Jahren macht es möglich, auch große Flächen im Stadtgebiet archäologisch zu erforschen. Für das Wiederentdecken des mittelalterlichen Berlins und anderer Epochen haben sich dadurch ganz neue Perspektiven ergeben. Bei Grabungen wie etwa am Petriplatz, am Molkenmarkt, aber auch bei den Zwangsarbeiterlagern in Neukölln werden eine Unmenge an Objekten zutage gefördert.
Die Funde eines Ortes bleiben zusammen in einem Karton. Es können also ganz unterschiedliche Dinge darin liegen.
Christiane Klähne, Sammlungsverwalterin des Museums für Vor- und Frühgeschichte
Platz ist im Petri jedenfalls reichlich. Im vierten Stock stehen noch viele Regale leer. Rund 2500 wissenschaftlich bearbeitete Funde vom Petriplatz lagern dort bereits. 250.000 weitere Objekte ebenfalls vom Petriplatz, die zwischen 2007 und 2009 entdeckt wurden, befinden sich dagegen noch in einem von drei Außenlagern am Westhafen.

© Rolf Brockschmidt
Die aktuellen Grabungen stellen die Mitarbeiter immer wieder vor neue Aufgaben. Beispielsweise wurden bei den Neuköllner Zwangsarbeiterlagern Plastikkämme, Kondome und Objekte aus Flugzeugblech gefunden. Restauratorisch und dokumentarisch ist dies eine neue Herausforderung. Wie konserviert man Bakelit oder moderne Materialien?
Aus Königsberg ausgelagert
Zum Museum für Vor- und Frühgeschichte gehört indes auch die Verwaltung der sogenannten Prussia-Sammlung aus dem Museum in Königsberg, das im Krieg zerstört wurde. Der Bestand umfasste archäologische Funde aus 5000 Jahren Regionalgeschichte. Kurz vor Kriegsende wurden Teile der Sammlung nach Demmin gebracht. „Sie gehört uns nicht, aber wir müssen uns treuhänderisch um sie kümmern“, erklärt Kähne.
Da es sich dabei meist um Metallgegenstände wie Nägel und Armreifen handle, seien sie mit Folie auf DINA4-Pappen vakuumiert und an der Stirnseite der Regale aufgehängt worden, sodass die Besucher des Petri sie durch die Scheibe sehen können.
Zu den Hauptaufgaben von Christiane Klähne und ihrem Team gehören in der nächsten Zeit die Organisation des weiteren Umzugs der Objekte von Charlottenburg nach Mitte sowie die Digitalisierung, die noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Jedes Stück, das das Haus Richtung Spreeinsel verlässt, wird digitalisiert.
Mit dem Umzug ins Petri gewinnt die Sammlung entsprechend an Wert und Nutzen. Nicht nur, dass sich Sammlung und Werkstätten unter einem Dach befinden, auch der Bestand wird klarer, geordneter und leichter zugänglich. Davon profitieren werden alle, die künftig zur frühen Berliner Geschichte forschen wollen.
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