„Mein CSD“ mit Autorin Debora Antmann : Und plötzlich waren wir 600.000

Ich war noch nicht ganz 14. Ein Jahr auf der Oberschule. Ich wusste, dass ich anders war. Aber das ist nicht unbedingt etwas, das man möchte mit fast 14. Ich war nicht out. „Lesbe“ wäre kein Wort gewesen, dass ich für mich benutzt hätte.

„Lesben“ – darunter konnte ich mir ohnehin nur bedingt etwas vorstellen. Mein damaliger bester Freund hingegen war sich angeblich schon immer ziemlich sicher, dass ich lesbisch bin. Auch mein bester Freund wusste, dass er irgendwie anders war. Er war nicht out, „schwul“ war oft nicht so nett gemeint, wenn es an ihn gerichtet war. Ich wusste tatsächlich schon immer, dass er schwul war. Vielleicht war das Teil unserer Freundschaft.

Es ist also 2003. Ich nicht out. Er nicht out. Unser Freund*innenkreis ausgesprochen heterosexuell. Und trotzdem beschließen wir irgendwie als Gruppe auf den CSD zu gehen. Mein bester Freund und ich teilten das Gefühl, dass niemand so war wie wir, dass es nicht okay war so zu sein wie wir, dass uns das zu einem Leben in Einsamkeit verdammte.

Und dann bogen wir am 28.6.2003 einfach um eine Ecke und ich konnte meinen Augen kaum glauben: tausende Menschen. Stolz, bunt, feiernd. Es war eine Woge aus Queerness, die über uns hineinbrach, uns mittrug und auffing. Wir liefen voller Euphorie – wurden nicht müde.

Nach und nach fing eine Hete nach der anderen aus unserer Gruppe an zu nörgeln, dass sie nicht mehr könne. Wir registrierten es kaum. Nach und nach ging eine nach der anderen nach Hause. Wir registrieren es kaum. Am Ende waren es nur noch wir beide. Oft Hand in Hand. Am Tanzen. Am Wachsen. Am Ankommen. Am Glücklichsein.

Wir sind gemeinsam an diesem Tag stundenlang gelaufen, ohne Pause. Wir haben es kaum registriert. Unsere Welt hat sich an diesem Tag geändert: Wir waren nicht allein. Das war unübersehbar.