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Alborz Zahedi, Asylbewerber aus dem Iran, im Gespräch mit der Autorin.

© Mahtab Qoliizadeh

Iraner im Exil: Leben im Schwebezustand

Iranische Asylsuchende sind gefangen zwischen Bürokratie und Missverständnissen. Ein Beitrag von Exiljournalistin Mahtab Qolizadeh zum Weltflüchtlingstag.

Von Mahtab Qolizadeh

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Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran hat im Ausland lebende Iraner in tiefe Angst und emotionale Turbulenzen gestürzt. Viele leben seit Jahren, ja sogar Jahrzehnten im Exil, nachdem sie vor der Herrschaft des klerikalen Regimes geflohen sind.

Wird dieser Krieg den Weg für die Befreiung des Iran aus den Fängen der Islamischen Republik ebnen? Oder nur weitere Wunden im Heimatland hinterlassen? Wird der Konflikt eine neue Welle iranischer Flüchtlinge nach Deutschland auslösen? Oder werden die im Exil lebenden Iraner und Asylsuchenden in ihre Heimat zurückkehren, wenn die Islamische Republik zusammenbricht?

Obwohl die aktuelle Krise im Iran noch zu frisch ist, um sich auf die europäische Asylpolitik auszuwirken, erfordert sie bereits langfristige Überlegungen. Bislang hat noch keine groß angelegte Fluchtbewegung im Iran begonnen, aber die wenigen, die versucht haben zu fliehen, sind größtenteils gescheitert.

Der iranische Luftraum bleibt geschlossen, und alles deutet darauf hin: Die Flucht vor diesem Krieg wird nicht einfach sein. Zwar hat das Land fast 9.000 Kilometer Grenze, aber die Türkei hat ihre Landgrenzen stark befestigt, die östlichen Nachbarn – Afghanistan und Pakistan – bieten keine sichere Passage, und die südlichen Golfstaaten verlangen Visa.

Vom Leben ausgeschlossen

„Ich hoffe, dass dieser Krieg die Islamische Republik zu Fall bringt – denn wenn die Bedrohungen im Iran beseitigt sind, möchte ich zurückkehren. Bis dahin bin ich an deutsches Recht gebunden“, sagt Alborz Zahedi, ein im Exil in Berlin lebender Iraner (Foto oben: Zahedi im Gespräch mit der Autorin).

Sein Leben hier beschreibt er so: „Ich kann die psychische Belastung des Lebens in einem Flüchtlingslager nicht länger ertragen. Ich bin gefangen zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Im Iran wurde ich für meine Taten bestraft – und jetzt, im Exil, werde ich durch das Warten und die Ungewissheit bestraft.“

Der 40-Jährige hebt kurz seine Mütze und schließt die Augen. „Ich fühle mich gefangen in einer kafkaesken Maschine. Blind, kalt, rücksichtslos, aber effizient. Nicht aus Bosheit, sondern weil so die Bürokratie in Deutschland funktioniert.“

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Alborz Zahedi ist einer von rund 18.000 iranischen Asylbewerbern, die in der Schwebe des deutschen Flüchtlingssystems feststecken. Er hat Politikwissenschaft an einer der besten Universitäten des Iran studiert und war aktives Mitglied der iranischen Opposition. Jetzt, nach mehr als einem Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft, weiß er immer noch nicht, wie seine Zukunft aussehen wird.

49
Prozent der Asylanträge von Iranern wurden 2024 abgelehnt.

Iraner in Deutschland befinden sich in einer anderen Situation als beispielsweise Syrer oder Ukrainer, die meist als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden. Da der Iran bislang kein Kriegsland war, mussten Iraner individuell Asyl beantragen, mit deutlich niedrigeren Anerkennungsquoten als Syrer oder Ukrainer. Im Jahr 2024 lehnte das BAMF 49 Prozent der iranischen Asylanträge ab. Im Gegensatz dazu lag die Ablehnungsquote für Syrer bei 0,3 Prozent und für Afghanen bei 5,4 Prozent.

Trotz der offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen durch das iranische Regime fällt es vielen Iranern schwer, ein individuelles Risiko nachzuweisen – wodurch sie, wie Alborz, in einer administrativen Grauzone gefangen sind.

Während seines Asylgesprächs erzählte Alborz dem Beamten, dass er vor den iranischen Sicherheitskräften geflohen sei. Der Beamte antwortete: „Warum haben Sie keine Beschwerde bei der iranischen Justiz eingereicht?“ Alborz antwortete: „Wenn das möglich gewesen wäre, hätte ich den Iran nicht verlassen.“

Europa wirft uns mit anderen Muslimen in einen Topf.

Alborz Zahedi, Asylbewerber aus dem Iran

Viele Iraner, insbesondere diejenigen, die sich aktiv gegen das Regime stellen, fühlen sich seit langem falsch eingestuft – sie werden als Menschen aus dem Nahen Osten angesehen, als Muslime betrachtet und nicht als Menschen aus einem Kriegsgebiet.

Doch viele identifizieren sich nicht mehr als Muslime, lehnen patriarchalische Normen ab und haben für Freiheit und Gleichberechtigung alles riskiert. „Europa wirft uns mit anderen Muslimen aus dem Nahen Osten in einen Topf und ignoriert dabei die kulturellen und sozialen Unterschiede, die uns prägen“, sagt Alborz Zahedi.

Bis zu 30.000 Euro Schleusergebühr

Gleichzeitig kritisieren Regimekritiker und Verfolgte ihre Landsleute, die betrügerische Asylanträge stellen: Schleusernetzwerke verlangen bis zu 30.000 Euro pro Person und überfluten das System mit falschen Fällen – so dass selbst echte Flüchtlinge bei den Behörden auf Skepsis stoßen.

„Ich bin zwischen zwei Systemen gefangen, nicht zwischen zwei Ländern. Jeder Asylbewerber ist nur eine Fallnummer, staatenlos, stimmlos und vergessen“, sagt Alborz.

Selbst geschlechtsspezifische Anträge sind selten erfolgreich. Trotz Zwangsverschleierung, Reiseverboten für Frauen und der Unterdrückung von Demonstranten im Iran erhielten 2024 nur 321 iranische Antragstellerinnen aus geschlechtsspezifischen Gründen Asyl.

Zara Kanani, Soziologin aus dem Iran

© Mahtab Qoliizadeh

Zara Kanani promoviert in Soziologie an der Universität Kassel. Sie sagt dem Tagesspiegel: „Viele in der iranischen Diaspora hoffen, dass dieser Krieg zum Sturz der Islamischen Republik führen wird – denn sie sind keine Migranten, sondern Exilanten. Mit anderen Worten: Viele von ihnen sind sehr daran interessiert, in den Iran zurückzukehren oder zumindest in einer Zeit nach der Islamischen Republik hin- und herreisen zu können.“

Iranische Diaspora ist gespalten

Im Gegensatz zu anderen Migrantengemeinschaften ist es der iranischen Diaspora noch nicht gelungen, dauerhafte rechtliche oder kulturelle Netzwerke aufzubauen. Dies ist besonders auffällig angesichts des Profils der jüngsten Migranten, die gebildet und politisch aktiv sind.

Denn im Gegensatz zu vielen anderen Migrantengemeinschaften ist die iranische Diaspora in generationenübergreifenden, psychologischen und ideologischen Spaltungen gefangen geblieben, anstatt kohärente Institutionen aufzubauen – Spaltungen, die in einer fragmentierten Migrationsgeschichte, tiefem politischem Misstrauen und dem Fehlen finanzieller und struktureller Unterstützungssysteme begründet sind.

Laut Zara Kanani fühlen sich die meisten Iraner in einer psychologischen Leere gefangen: Sie sind nicht mehr Teil des Landes, aus dem sie geflohen sind, aber noch nicht willkommen in dem Land, in das sie gekommen sind.

Ob der aktuelle Krieg zu einem Wendepunkt oder zu einer weiteren Tragödie wird, bleibt abzuwarten. Aber vorerst bleiben Tausende von Iranern gestrandet – nicht nur wegen der Grenzen, sondern auch weil der politische Wille fehlt.

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