zum Hauptinhalt
Polizei bei Demo in der Türkei, c: privat

© privat

Medien in der Türkei: Journalismus im Griff von Repression und Zensur

In der Türkei müssen Journalisten mit Hausarrest und Geldstrafen bis hin zu Gefängnis rechnen. Schon ein Social-Media-Post kann gefährlich werden, schreibt Ihsan Yalin.

Von Ihsan Yalin

Stand:

„Der Druck auf die Presse in der Türkei nimmt mit jedem Tag zu.“ Dieser Satz wurde in den letzten Jahren regelmäßig zum ersten Satz von Berichten, die von lokalen und internationalen Presseorganisationen über Journalisten in der Türkei veröffentlicht wurden.

In einer Situation, in der Nachrichten über von der Justiz bestrafte Journalisten zur Routine geworden sind, gibt es leider kein Licht am Ende des Tunnels. Hinzu kommt, dass die Presse unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Mobbing leidet.

Laut einem Bericht der Media and Law Studies Association waren Journalisten im Jahr 2024 weiterhin rechtlichen Schikanen und wirtschaftlichem Druck ausgesetzt. Im Bericht des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) für das Jahr 2023 wurde die Zahl der inhaftierten Journalisten in der Türkei mit 13 angegeben, während diese Zahl im Jahr 2024 auf 43 anstieg.

Diese Daten zeigen, dass die Türkei zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl inhaftierter Journalisten weltweit gehört.

Im Europäischen Bericht über die Pressefreiheit wird die Türkei ebenfalls zu den Ländern gezählt, in denen Journalisten am häufigsten Gewalt ausgesetzt sind.

Laut dem Medienbeobachtungsbericht für Oktober-November-Dezember 2024 von Bianet, einer oppositionellen Medienorganisation in der Türkei, wurden in diesem Zeitraum von drei Monaten 31 Journalisten festgenommen und gerichtliche Kontrollmaßnahmen missbräuchlich angewendet. Außerdem wird die Internet-Zensur fortgesetzt, obwohl es dafür keine Rechtsgrundlage gibt.

Laut dem Bericht der türkischen Journalistengewerkschaft „Journalismus in der Türkei: Untersuchung zur Wahrnehmung und zum Profil“ berichten 47,7 Prozent der Journalisten, dass sie bei der Ausübung ihres Berufs politischen Druck verspürt hätten.

Darüber hinaus geben 42,8 Prozent der Journalisten an, dass sie Zensur ausgesetzt seien, während 25,3 Prozent der Journalisten berichten, dass sie häufig oder ständig Selbstzensur ausübten. Mehr als die Hälfte der Journalisten sehen politischen Druck als das größte Hindernis für die Ausübung des Journalismus in der Türkei.

Die kurdische Presse ist besonders betroffen

Die kurdische Presse ist zu einem der am stärksten von den Repressionen in der Türkei betroffenen Sektoren geworden. Schon die geringste Kritik an Staat und Regierung wird sofort mit dem Stempel „terroristisch“ versehen.

Im Jahr 2017 wurde auch das Unabhängigkeitsreferendum in der irakischen Region Kurdistan als Rechtfertigung für die Zensur der kurdischen Presse genutzt. In Erbil ansässige Sender wie Rudaw, K24 und Waar TV wurden vom Satelliten Türksat genommen und die Presseausweise und Akkreditierungen ihrer Mitarbeiter in der Türkei wurden annulliert.

31
Journalisten wurden innerhalb von drei Monaten festgenommen.

Der Druck auf die Journalisten geht über die von ihnen verbreiteten Nachrichten hinaus. Selbst die geringste Kritik über Accounts in den sozialen Medien entgeht nicht dem Radar von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Dies führt manchmal zu Bestrafungen, bis hin zu Verhaftungen. Maßnahmen wie die Freilassung unter richterlichen Auflagen, Ausreiseverbot, Hausarrest und Geldstrafe sind für fast alle Journalisten zur gängigen Praxis geworden. Diese Situation ist nicht auf Journalisten beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Influencer in den sozialen Medien und normale Bürger.

So wurde beispielsweise die in den sozialen Medien als „Astrologin“ bekannte Hilal Saraç im Februar festgenommen, nachdem sie in den sozialen Medien Nachrichten über den Gesundheitszustand von Devlet Bahçeli, dem Vorsitzenden der Partei der Nationalistischen Bewegung, gepostet hatte.

Dies zeigt, dass die Gruppe, die einem beim Thema Zensur und Druck zuerst in den Sinn kommt, über die Medienschaffenden hinausgeht und eine andere Dimension erreicht hat.

Im März teilte der Journalist İsmail Saymaz mit, dass er bei dem Versuch, ins Ausland zu reisen, von einem gegen ihn verhängten Ausreiseverbot erfahren habe. Saymaz erklärte, dass auch sein Reisepass eingezogen worden sei, und sagte: „Ich betrachte dies als Einschüchterung gegen kritischen Journalismus und weise dies zurück.“ Die Nachrichtensprecherin Ece Üner, die auf X auf die Entscheidung gegen Saymaz reagierte, wurde ebenfalls von der Polizei zum Verhör bei der Staatsanwaltschaft gebracht.

X-Accounts werden gesperrt

In den letzten Jahren ist der Austausch von Nachrichten und Informationen über soziale Medien in der Türkei wie auch weltweit populär geworden. Die Justiz, die von vielen Kreisen dafür kritisiert wird, dass sie sich zu einem Unterdrückungsinstrument der Regierung gewandelt hat, hat die sozialen Medien in die Zange genommen.

Insbesondere auf der Social-Media-Plattform X hat die Zensur ein extremes Ausmaß erreicht. Die Accounts vieler im Ausland lebender Journalisten, Akademiker und Influencer in sozialen Medien sind gesperrt, und Nutzer in der Türkei können deren Postings nicht sehen.

Der X-Account des Journalisten Metin Cihan, der mit Meldungen über den nicht erfolgten Abbruch des Handels der Türkei mit Israel auf die nationale Agenda kam, ist seit Februar von der Türkei aus nicht mehr zugänglich. Es wurde mitgeteilt, dass die Entscheidung des Gerichts, den Zugang zu sperren, zum „Schutz der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung“ getroffen worden sei.

Andererseits stellte auch Gazete Duvar, eine der wenigen und wichtigen Institutionen, die nicht auf einer Linie mit der Regierung sind, ihre Veröffentlichungen ein und verwies hierbei auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, die mit der Änderung des Google-Algorithmus einhergingen.

Laut dem jährlich veröffentlichten Rechtsstaatlichkeits-Index (Rule of Law Index) liegt die Türkei auf Platz 117 von 142 Ländern. Dies ist eine weitere Information, die das Ausmaß des Drucks auf die Presse zeigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })