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Blick in die Sonderausstellung zum Palast der Republik, c: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
Hin und weg - Palast der Republik

© Foto: David von Becker

Palast der Republik: Im Haus der Erinnerungen

Hin und weg im Humboldt Forum? Was sich Besucher der Sonderausstellung zum Palast der Republik wünschen.

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Wo steckt er, der Palast der Republik? Er steckt, zum Beispiel, im recycelten Stahl eines VW-Motorblocks. Er steckt im Burj Khalifa-Wolkenkratzer in Dubai. Er steckt in einer orangefarbenen Linie, die auf dem Schlossplatz den ehemaligen Grundriss markiert. Er steckt, vor allen Dingen, in den Köpfen, den Geschichten, den Erinnerungen.

Insofern ist der Palast der Republik tatsächlich „Gegenwart“, wie es der Titel der Ausstellung „Hin und weg! Der Palast der Republik ist Gegenwart“ suggeriert. Seit Mitte Mai und noch bis Mitte Februar ist sie zu sehen, die vierte große Sonderausstellung der Stiftung Humboldt Forum.

„Zu Beginn der Laufzeit kamen vor allem Menschen mit Ost-Biographie, die sich erinnern wollten“, sagt Oliver Glatz. „Inzwischen sind die Gruppen gemischter.“ Der Mann mit dem markanten Vollbart führt regelmäßig Interessierte durch die 1300 Quadratmeter große Schau.

Er geht mit ihnen durch die weit geöffneten Originaltüren, die sich – zur Überraschung des Künstlers, der sie schuf – erhalten haben, zeigt ihnen die Reste der gläsernen Blume, die einst das Foyer zierte und im Depot des Deutschen Historischen Museums eingelagert wurde, weist auf originalverpacktes Geschirr mit rotem Rand und Signet hin, auf sorgfältig designte Stühle, Sessel, Gläser und natürlich auf die Lampen, jenes „Stabkugelleuchtensystem“, das dem Gebäude den Spitznamen „Erichs Lampenladen“ eintrug.

Sind so viele Fragen: Blick in die Sonderausstellung zum Palast der Republik.

© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss Hin und weg - Palast der Republik / David von Becker

Und er regt dabei Gespräche an über die vielen Fragen, die sich rund um den verschwundenen Palast stellen und die auf großen Tafeln in den Ausstellungsraum hängen: Bewahrt oder verloren? Traditionell oder zukunftsweisend? Staatsnah oder volksnah? Prachtvoll oder zweckmäßg? Geliebt oder gemieden?

Ich habe mal ein Glas aus dem Palast der Republik mitgehen lassen.

Anonymer Besucher

Auch auf türkisfarbenen Theken können die Besuchenden ihre Erinnerungen und Meinungen hinterlassen. „Ich habe mal ein Glas aus dem Palast der Republik mitgehen lassen“, beichtet da ein Anonymus. „Ich habe hier als Kind einen Parteitag erlebt, als Zuwinkende mit Halstuch“, erinnert sich eine Besucherin schriftlich, und eine andere teilt mit, sie sei „leidenschaftlich Rolltreppe gefahren, als wir im Restaurant auf einen Tisch gewartet haben“.

Auf einem Podest in der Mitte des Raums kann man noch viel mehr Erinnerungen lauschen: Die Stiftung hat 22 Menschen interviewt, die in der DDR gelebt haben, und aus 80 Stunden Interview-Material eine 18-minütige Collage gefertigt. Sie äußern sich teils nostalgisch, teils ablehnend über den Palast: ein Symbol der Unterdrückung sei er gewesen, sagt einer von ihnen.

Kontakte zu „negativ-dekadenten Jugendlichen“

Dass die Stasi hier ihr eigenes Büro hatte und per Überwachungskameras dokumentierte, wer sich wann mit wem traf, wird durch Protokolle und Videoausschnitte ebenfalls deutlich. Von den Palast-Mitarbeitern wusste die Stasi, wer homosexuell war oder „Kontakt zu negativ-dekadenten Jugendlichen“ unterhielt.

Die meisten Diskussionen in den Gruppen, so Glatz, entstünden dort, wo es um die Asbestbelastung des Gebäudes geht. Ein original weißer Schutzanzug verweist auf den gesundheitsschädlichen Grund, warum der Palast noch vor Vollzug der Deutschen Einheit, im September 1990, geschlossen und dann jahrelang saniert wurde.

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„Immer wieder ist zu hören, das sei nur vorgeschoben gewesen, weil man den Palast weg haben wollte“, sagt Glatz. Dass beim Bau des Palasts zwischen 1973 und 1976 der besonders gefährliche Spritzasbest verwendet wurde, sei eine Tatsache – ob daraus zwingend ein Abriss folgen musste, wird sehr unterschiedlich bewertet.

Auch in der kleinen Gruppe, die Glatz an diesem Sonntag führt, sind die Meinungen geteilt. Christopher Ledsham, 35, stammt aus Australien und lebt seit 2009 in Berlin. Er sei bei seiner Ankunft enttäuscht gewesen, dass von der DDR nur noch so wenig zu sehen gewesen sei, sagt er. Dass nun mit einer Ausstellung an den Palast erinnert wird, findet er gut – und wünscht sich, dass sie dauerhaft im Humboldt Forum bleiben sollte.

Verschiedene Meinungen: Blick ins Gästebuch.

© Dorothee Nolte

Damit spricht er aus, was auch im Gästebuch zur Ausstellung mehrfach gefordert wird. „Das Thema Palast der Republik und der Umgang damit sollte unbedingt langfristig im Humboldt Forum erhalten bleiben“, schreibt dort etwa eine Besucherin.

Anderenfalls könnte der Palast in Vergessenheit geraten. „Wenn ich junge Leute frage, wie alt wohl das Gebäude des Humboldt Forums ist, sagen viele: ungefähr 300 Jahre“, berichtet Oliver Glatz. Dass zwischendurch mal gar nichts und dann etwas ganz anderes hier stand, das sei vielen Nachgeborenen nicht präsent.

Diejenigen, die die jahrzehntelangen Debatten um Palast und Schloss miterlebt haben, empfinden das natürlich anders. Sie wissen, was Oliver Glatz so ausdrückt: „Der Palast der Republik steckt dem Humboldt Forum in den Knochen.“  

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