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Von Patagonia bis Lammsbräu: Wie sich Firmen für ökologische und soziale Zwecke einsetzen
Einige Unternehmen und Konzerne verpflichten sich zu ethischem Handeln. Noch ist Corporate Social Responsibility freiwillig, doch die EU legt der Wirtschaft einen sanften Zwang auf.
Stand:
Den Goldstandard hat in den 1970er-Jahren Patagonia gelegt. Dem Gründer des US-Unternehmens für Kletter- und Outdoorbekleidung, Yvon Chouinard, ging es von Anfang an darum, mit seinem Unternehmen die Umwelt zu schützen und den Mitarbeitern hohe soziale Standards zu bieten.
Patagonia nutzte schon in den 70ern Biobaumwolle, stellte bereits Anfang der 80er Fleece aus recyceltem Material her, spendete hohe Anteile seines Umsatzes dem Umweltschutz, zahlt heute seinen Mitarbeitern, für die USA ungewöhnlich, Krankenversicherung und Kinderbetreuung. Selbst Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Boni, es gibt bezahlte Freistellungen für Wahlkampfaktivitäten und anwaltliche Hilfe für Mitarbeiter, die wegen ihres umweltpolitischen Engagements festgenommen werden.

© Brewer Campbell
Dem Kürzel, dem sich Patagonia verschrieben hat, folgen inzwischen viele Unternehmen, wenn auch längst nicht in der gleichen Intensität oder mit ähnlichem politischen Einsatz: sie engagieren sich für mehr CSR, also für „Corporate Social Responsibility“.
Jenseits ihrer unternehmerischen Aktivitäten wollen diese Unternehmen in einer Art ethischer Selbstverpflichtung Gutes tun, für die Umwelt, gegen die Klimakrise, für ihre Mitarbeiter, für die Lieferanten und für die Gesellschaft insgesamt. CSR ist also eine Art Nachhaltigkeitsmanagement, das ökologische, soziale und unternehmerische Ziele vereint.
Sanfter Zwang der EU
Bisher ist CSR eine freiwillige Angelegenheit. Allerdings hat die EU der Wirtschaft mit verschiedenen Richtlinien einen sanften Zwang auferlegt, denn inzwischen müssen vor allem große Unternehmen über ihre CSR-Aktivitäten Bericht erstatten. Sie müssen ihren Kunden, Anteilseignern und Lieferanten nicht nur finanzielle Kennziffern offenlegen, sondern auch Informationen zu Umwelt- und Sozialaktivitäten, darüber, wie sie die Achtung der Menschenrechte sicherstellen oder wie Korruption bekämpft beziehungsweise unterbunden wird.
Mit der neuen „Corporate Sustainability Report Direktive“ werden diese Berichtspflichten sogar noch deutlich erweitert: Bis spätestens April 2025 müssen große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sowie Kreditinstitute und Versicherer mit einer Bilanzsumme von mindestens 25 Millionen Euro und/oder Nettoumsätzen von mindestens 50 Millionen Euro über ihre Aktivitäten in puncto CSR detaillierte Nachhaltigkeitsberichte für das Vorjahr vorlegen.
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Peu à peu kommen auch kleinere Unternehmen dazu, ab 2029 sind selbst Unternehmen, die außerhalb der EU angesiedelt sind, aber in der EU Töchter oder Niederlassungen haben, zu Berichten verpflichtet. Die Berichte sind standardisiert und ermöglichen damit Vergleiche zwischen den Unternehmen.
Die Verantwortung endet nicht am Werktor
Gesetzlich festgezurrt ist mit dem Lieferkettensorgfaltsgesetz auch das Fairplay in puncto Menschenrechte, deren Einhaltung ebenfalls ein Ziel aller CSR-Grundsätze ist. Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten müssen deshalb seit Anfang dieses Jahres dafür sorgen, dass ihre Lieferanten weltweit auf Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung verzichten, die Umwelt schützen und faire Löhne zahlen. Die Verantwortung der Unternehmen, so das Ziel des Gesetzes, endet damit nicht mehr am eigenen Werkstor.
Wer schon länger aktiv ist in puncto CSR, ist hier klar im Vorteil. In Ranglisten oder bei CSR-Preisvergaben tauchen in Deutschland immer wieder die gleichen Namen auf: einer ist beispielsweise die Neumarkter Lammsbräu Gebr. Ehrnsperger KG. Der Bier- und Limonadenbrauer will nicht nur seine 26 Bio-Biersorten und seine 13 Bio-Limonaden verkaufen, sondern hat darüber hinaus ein Ziel fest im Blick, für das das Familienunternehmen in der aktuell siebten Generation einen einprägsamen Namen gefunden hat: die enkeltaugliche Welt.
Ökologisch zertifizierte Standards
„Damit Menschen dauerhaft enkeltauglich leben, brauchen sie Vorbilder und Gleichgesinnte – und ein positives Beispiel davon, wie ihr Alltag künftig aussehen kann“, sagt Unternehmenschef Johannes Ehrnsperger. Die Brauerei wolle deshalb zeigen, was alles möglich sei und wie viel Zuversicht daraus erwachse, am Gemeinwohl zu arbeiten.

© HUBERT BÖSL
Lammsbräu achtet streng auf ökologisch zertifizierte Standards bei ihren Zulieferern und unterstützt bäuerliche Betriebe bei der Umsetzung von „Kulturlandplänen“ zur Förderung von Naturschutz und Artenvielfalt.
In der Produktion wird mit Wasser sparsam umgegangen, Reinigungswasser wird wiederverwendet. In der Dekade bis 2030 will Lammsbräu seine CO₂-Emissionen um 42 Prozent reduzieren. Recycling-Etiketten, dünnere Kronkorken und der Verzicht auf einen höheren Exportanteil sind Schritte auf dem Weg dorthin.
Zahlreiche Preise
Mit einer Gehaltsspreizung von eins zu vier zwischen niedrigstem und höchstem Gehalt gehört die Lammsbräu KG zudem zu den „Vorreitern der Gemeinwohl-Ökonomie“.

© Gisela Schenker
Für das CSR-Engagement gab es viel Anerkennung: Die Brauerei hat den zuletzt 2020 (und nun wieder 2025) verliehenen CSR-Preis der Bundesregierung in der Kategorie kleiner Unternehmen gewonnen, war unter den Top drei des deutschen Nachhaltigkeitspreises 2023 und des Energy Efficiency Awards im selben Jahr. Zudem erhielt Lammsbräu 2022 vom Institut Great Place to Work eine Auszeichnung als einer der besten Arbeitgeber.
Initiative gegen Lebensmittelverschwendung
Eine der deutschen Firmen, die CSR auf allen Ebenen pflegt, ist auch die Rewe Group. Das Kölner Unternehmen ist genossenschaftlich organisiert und getragen von selbständigen Kaufleuten und 170.000 Mitarbeitern, die die 3800 deutschen Rewe-Märkte betreibe. Allein in Deutschland setzt Rewe fast 31 Milliarden Euro im Jahr um.
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„Wir müssen endlich von der reinen Wertschöpfungskette zu einer Wertschätzungskette kommen“, sagt Emilie Bourgoin, Chefin der Kommunikationsabteilung bei Rewe. Die Rewe-Gruppe ist beispielsweise Teil der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ gegen Lebensmittelverschwendung, betreibt in Berlin-Friedrichshain einen veganen Supermarkt, unterstützt die Arbeit der Tafeln, fördert die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern und will bis 2040 komplett klimaneutral sein.
BASF plant CO₂-neutrales Wachstum
International und bei großen Unternehmen finden sich auf den Bestenlisten Namen, die man dort eigentlich so nicht vermuten würde: Den CSR-Preis der Bundesregierung für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten etwa hatte 2020 die BASF gewonnen. Der Chemieriese setzt sich seit seiner Gründung für soziale Belange ein, hat beispielsweise Betriebskrankenhäuser und Wohnungen für seine Beschäftigten gebaut.
Als eines der ersten großen Unternehmen in Deutschland veröffentlichte die BASF bereits 1998 einen Umweltbericht. Gleichzeitig will der Chemieriese sein Wachstum nur noch CO₂-neutral umsetzen, die Emissionen auf dem Stand von 2018 einfrieren beziehungsweise senken. Bis 2050 soll Klimaneutralität erreicht sein, obwohl BASF als Chemieriese zu den energieintensivsten Unternehmen überhaupt zählt. Das Unternehmen hat deshalb in der Nordsee einen der größten Offshore-Windparks weltweit gebaut und 2023 eingeweiht.
Auch die Pharmafirmen Johnson & Johnson und Pfizer ebenso wie Exxon und BP gehören zu den Unternehmen, die CSR sehr ernst nehmen. Die beiden Ölmultis beispielsweise stecken viel Geld in Forschung und Entwicklung von Biokraftstoffen, fördern lokale Communities, unterstützen Bildungsinitiativen, investieren massiv in erneuerbare Energien.
Verantwortung ist nicht mehr nur „nice to have“
Nach Daten einer CSR-Studie der Unternehmensberatung KPMG sind inzwischen etwa 90 Prozent der größten Unternehmen weltweit auf die eine oder andere Weise sozial, umweltpolitisch oder gesellschaftlich aktiv. Bei mittelständischen Unternehmen sind es nur gut 60 Prozent. In Asien sticht Indien mit 100 Prozent hervor, denn indische Unternehmen sind seit 2014 gesetzlich verpflichtet, mindestens zwei Prozent ihrer Gewinne in soziale Projekte zu stecken.
Das stetig steigende Interesse für CSR könnte auch damit zu tun haben, dass ethische Verantwortung nicht mehr nur „nice to have“ ist, sondern zunehmend auch den Zugriff auf Gelder und gut ausgebildetes Personal beeinflusst: Für 83 Prozent der Millennials etwa ist CSR ein wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes.
75 Prozent sind sogar bereit, eine Gehaltskürzung von 30 Prozent in Kauf zu nehmen, um für ein Unternehmen mit starken sozialen Werten zu arbeiten, hat eine Studie des amerikanischen PR-Unternehmens Cone Communications ergeben.
So könnte das nachhaltige und sozial verantwortungsvolle Agieren von Unternehmen letztlich zu einem Wettbewerbsvorteil werden und seine Kosten neutralisieren.
Den letzten Schritt, den Patagonia gegangen ist, werden sich die meisten Unternehmen dieser Erde jedoch verkneifen. „Die Erde ist unsere einzige Anteilseignerin“, heißt es mittlerweile bei dem Outdoor-Unternehmen, das nach eigenen Worten den „Kapitalismus auf den Kopf gestellt hat“.
Denn der Patagonia-Gründer hat sein Unternehmen an eine gemeinnützige Stiftung verkauft, die den kompletten Gewinn nach Kosten und Investitionen für die „Bekämpfung der Umweltkrise“ einsetzt.
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