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Pflegebeilage

© GettyImages Carl Smith

Kraft und Balance: Wie ältere Menschen durch Training Stürze vermeiden können

Zu stürzen und hinzufallen, das gehört zu den größten Ängsten älterer Menschen. Denn danach ist oft nichts mehr wie zuvor. Doch man kann etwas tun, damit es nicht so weit kommt.

Von Claudia Füßler

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Die Teppichkante im Wohnzimmer, eine Unebenheit in den Platten des Gehwegs, die eine Treppenstufe, die nur ein klein wenig höher ist als die anderen – unzählige Dinge bringen uns im Alltag kurz aus dem Gleichgewicht. In den allermeisten Fällen geht das glimpflich aus: Wir stolpern und fangen uns. Diese Fähigkeit nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab. Die Muskelkraft lässt ebenso wie das Balancegefühl nach. Das führt dazu, dass viele ältere Menschen mitunter Schwierigkeiten damit haben, ihren Körper im Raum aufrecht zu erhalten. Ihnen fehlt dann die sogenannte posturale Kontrolle, sie fallen hin.

Der AOK Nordost zufolge stürzen etwa 30 von 100 Menschen über 65 Jahren jährlich in den eigenen vier Wänden. Fatal ist, wenn dabei Knochen brechen. „Wer lange mit einem Hüft- oder einem Oberschenkelhalsbruch liegt, kommt danach nur schwer oder gar nicht mehr auf die Beine“, sagt Pia Pauly vom Deutschen Turner-Bund und Geschäftsführerin der Bundesinitiative Sturzprävention (BIS).

Solche Stürze haben nicht nur für die Betroffenen Folgen, weil sie sich beträchtlich darauf auswirken, wie selbständig jemand den Alltag bewältigen kann, sie belasten auch unser Gesundheitssystem: Physiotherapien, Reha-Aufenthalte und die Behandlung der durch langes Liegen verursachten Krankheiten verursachen hohe Kosten. Das alles lässt sich vermeiden, wenn Menschen weniger hinfallen.

Jeder kann viel tun, um das eigene Risiko zu minimieren.

Pia Pauly, Bundesinitiative Sturzprävention

In der BIS haben sich Wissenschaftler und Experten aus dem Bereich der Sturzprävention, Mitarbeiter von Krankenkassen sowie von Sport- und Wohlfahrtverbänden zusammengeschlossen. Ziel ist es, ambulante Sturzpräventionsgruppen zu fördern und so die Zahl der Stürze älterer Menschen zu reduzieren. Denn, das haben zahlreiche Studien inzwischen gezeigt: Training hilft. „Es sind vor allem Kraft, Koordination und Balance, die man üben sollte“, sagt Pauly, „da kann jeder viel tun, um das eigene Risiko zu minimieren.“ Etwa ab 70 Jahren, liest man oft als allgemeine Empfehlung, sei es sinnvoll, an einem Sturzpräventionstraining teilzunehmen.

Oft zu spät, findet Pauly: „Es geht ja darum, möglichst lange selbständig zu bleiben im Alter, also müsste man mit spätestens Mitte 50 oder mit 60 Jahren anfangen, Kraft, Balance und Koordination zu stärken.“ Dafür brauche es nicht immer einen speziellen Kurs zur Sturzprävention. Viele Sportarten wie Radfahren, Tennis oder auch das Training im Fitnessstudio stärken genau die Fähigkeiten, die vor Stürzen schützen. „Die Hauptsache ist es, in Bewegung zu kommen, und das gelingt am ehesten, wenn man einen Sport findet, der einem Spaß macht“, sagt Pauly.

Wer unsicher ist, wo er anfangen soll, fragt am besten mal bei lokalen Sportvereinen nach, oft kann man bei den Kursen erst mal ein, zwei Stunden reinschnuppern, ob das was für einen ist. Der Deutsche Olympische Sportbund hat gerade die Bewegungslandkarte (bewegungslandkarte.de) erstellt, auf der man deutschlandweit nach Sportangeboten in seiner Umgebung suchen kann.

Sich für ein Sturzpräventionstraining zu entscheiden, das von vielen Krankenkassen kostenlos angeboten wird, ist auf jeden Fall auch eine gute Idee. Zu diesem Schluss kommen Lena Fleig und Lisa Marie Warner. Die Wissenschaftlerinnen von der Medical School Berlin haben im Auftrag der AOK Nordost untersucht, wie wirksam deren Sturzpräventionsprogramm „Sicher- und Aktivsein im Alter“ ist. An der Studie haben 174 Menschen im Alter von 51 bis 91 Jahren teilgenommen, das Durchschnittsalter lag bei 76 Jahren. Bei der Befragung gaben die Teilnehmenden an, in dem sechsmonatigen Monaten habe sich ihre Balance und ihre Koordination verbessert, sie fühlten sich sicherer im Alltag.

Stabil bleibende Messwerte

„Unsere objektiven Messungen zeigen stabil bleibende Messwerte in den Bereichen Koordination und Gehgeschwindigkeit“, sagt Warner. Das könne als Erfolg gewertet werden, denn altersgerecht wäre in diesem Zeitraum ein Nachlassen genau dieser Fähigkeiten. Dafür ist nicht nur die schwindende Muskelkraft verantwortlich.

Das Arbeitsgedächtnis ist im Alter schneller überlastet. Dann fällt es schwerer, sich gleichzeitig zu bewegen und dabei Dinge zu tun.

Lisa Marie Warner, Medial School Berlin

„Das Arbeitsgedächtnis ist im Alter schneller überlastet“, erklärt Warner, „dann fällt es schwerer, sich gleichzeitig zu bewegen und dabei Dinge zu tun. Etwa, sich beim Laufen die Handschuhe auszuziehen oder etwas aus der Tasche zu holen. Viele ältere Menschen bleiben dafür stehen.“ Sturzpräventionstrainings setzen genau hier mit speziellen Übungen an. Zum Beispiel, indem man einen Ballon in der Luft halten muss, während man durch den Raum geht.

Zurückgegangen ist im Untersuchungszeitraum die Sturzangst der Teilnehmenden. „Das ist wichtig, denn viele ältere Menschen schränken sich aus dieser Angst heraus ein, sie meiden Spaziergänge, steigen keine Treppen mehr, und werden so langfristig immobiler“, sagt Warner.

Ein Effekt, den das regelmäßige Sturzpräventionstraining in der Gruppe der Studie zufolge ganz nebenbei hat: Es macht weniger einsam. Denn nachdem die Teilnehmenden sich Bälle zugeworfen und auf einem Bein balanciert haben, gibt’s oft noch einen Schwatz oder man geht gemeinsam einen Kaffee trinken. „Da sorgt dann oft gar nicht der Gesundheitsgedanke dafür, dass jemand regelmäßig an den Trainings teilnimmt, sondern der soziale Aspekt ist entscheidend“, sagt Warner.

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