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200 Jahre Berliner Museumsinsel: Wo Spreeathen seinen Anfang nahm
Eigentlich ist hier alles Schlamm, und doch entstand eines der bedeutendsten Ensembles der Welt. Jetzt feiert die Museumsinsel Jubiläum – und das fünf Jahre lang.
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Es ist nur ein schlichtes Stück Holz, das in der Ausstellung „Grundstein Antike“ im Alten Museum zu sehen ist, und doch erzählt es bereits einen großen Teil dieser Geschichte. Denn ohne Holz wäre dieses Museum nicht denkbar. Karl Friedrich Schinkel ließ einst über 3000 lokal geschlagene Kiefernstämme in den Berliner Boden rammen, um darauf einen hölzernen Gitterrost zu legen, der wiederum das Fundament bildet für eben jenes Haus, das heute „Altes Museum“ heißt.
1825 war Grundsteinlegung, das ist jetzt 200 Jahre her. Und weil der Bau, der bei seiner Eröffnung nur „Museum“ oder „Königliches Museum“ genannt wurde, die ganze Entwicklung der nördlichen Spreeinsel in eine neue Richtung gelenkt hat, hin zu einer „Museumsinsel“, feiern die Staatlichen Museen zu Berlin das Jubiläum – und zwar nicht nur 2025, sondern auch in den fünf Folgejahren. Denn so lange währte damals die Bauzeit, 1830 war Eröffnung.
Der Norden der Insel war lange schlammig
200 Jahre klingt nach viel, doch natürlich ist die Spreeinsel eigentlich sehr viel älter, und die meiste Zeit war sie unbebaut, zumindest im Nordteil. Sie liegt mitten im Urstromtal und ist, wie fast alles im Raum Berlin-Brandenburg, von den Gletschern der letzten Kaltzeit geprägt, die vor rund 10.000 Jahren endete. Und sie ist leicht gekippt: Der Südteil liegt höher als der Nordteil, weshalb im trockeneren Süden die Besiedelung begann, um 1200 wurde die Stadt Cölln gegründet.

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Der Norden war schlammig und als Baugrund wenig geeignet, jedoch gut genug für die barocken Gartenanlagen des Schlosses in der Inselmitte, außerdem zog sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts ein Teil der Befestigungsanlagen quer über die Spitze.
Die Entscheidung, diesen Ort zumindest teilweise der Kunst zu widmen, fiel spät, erst im 19. Jahrhundert. „Eine große Rolle spielte dabei die Kunstkammer im Berliner Schloss“, erklärt Andreas Scholl. Er ist noch bis Ende dieses Jahres Direktor der Antikensammlung, die aus dieser Kunstkammer hervorgegangen ist und die selbst zur Initialzündung der Entwicklung der Museumsinsel wurde.
Barocke Wunderkammern
Viele europäische Herrscher, auch die brandenburgischen Kurfürsten und später die preußischen Könige, sammelten Naturpräparate, Raritäten, Kunstschätze und wissenschaftliche Geräte und präsentierten sie in sogenannten Wunder- oder Kunstkammern. Vor allem Friedrich II. erwarb unterschiedlichste Antiken im großen Stil. Der mutmaßlich homosexuelle König kaufte auch 1747 die Bronzestatue des Betenden Knaben, die um 300 vor Christus geschaffen und 1504 auf Rhodos gefunden wurde.

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Friedrich stellte sie auf der Terrasse von Schloss Sanssouci aus, seit 200 Jahren nun befindet sie sich in der zentralen Sichtachse des Alten Museums als dessen „signature piece“, so wie die Büste der Nofretete für das Neue Museum oder Velazques‘ „Las Meninas“ für den Prado.
Die Idee, der Öffentlichkeit die Kunstsammlungen zugänglich zu machen, lag um 1800 in der Luft.
Andreas Scholl, Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin
All die wundersamen Schönheiten der Kunstkammer waren lange Zeit nur dem Hof und Freunden des Königs zugänglich. Im Zuge von Aufklärung, Französischer Revolution und der Umwandlung des Pariser Louvre in ein öffentliches Museum wurde der Druck stärker, auch die preußischen Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, „die Idee lag in der Luft“, wie Scholl sagt.
Napoleon ließ jedoch nach seinem Sieg über Preußen alle Objekte nach Paris überführen, sie kehrten erst 1819 zurück. Laut Scholl sah Friedrich Wilhelm III., der sich ansonsten nicht sehr für Kunst interessierte, im Bau eines Museums die Gelegenheit, Konzessionen ans Bürgertum zu machen, ohne den Forderungen etwa nach einer Verfassung nachzugeben.
Schinkel vervollständigte den Lustgarten
Und so entstand das wahrscheinlich erste Museum weltweit, das von Anfang an als Kunstmuseum konzipiert und nicht – wie Louvre oder British Museum – architektonisch Teil eines Königsschlosses gewesen war. Wilhelm von Humboldt leitete die zuständige Kommission, der damals 44-jährige Karl Friedrich Schinkel wurde als Architekt berufen; er hatte zuvor die großen Museen in London und Paris studiert. Seine Pläne vervollständigten den Lustgarten als zentralen Ort des Berliner Selbstverständnisses: Politik (Schloss) im Süden, Religion (Dom) im Osten, Militär (Zeughaus) im Westen und jetzt die Kunst im Norden.

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Doch Schinkel wusste um die Schwierigkeiten des Baugrundes. Ausgerechnet unterm Westteil der Insel, der als ursprünglicher Standort des Museums vorgesehen war, befindet sich ein unterirdischer eiszeitlicher Schlammsee, in Norddeutschland Kolk genannt (in Süddeutschland sagt man Gumpe). Solche unterirdischen Wassereinlagerungen kommen überall in der mitteleuropäischen Tiefebene vor, ein zentraler Platz in Amsterdam etwa trägt den Namen „Nieuwezijds Kolk“ („Neuseitiger Kolk“).
Noch heute, beim Bau der 2019 eröffneten und auf Betonpfeilern gründenden James-Simon-Galerie, machen diese Bodenverhältnisse riesige Probleme. Nachdem er den Standort des Museums etwas nach Osten verschoben hatte, ließ Schinkel, wie es auch in den Niederlanden oder in Venedig üblich war, die Baumstämme in den Boden schlagen. Ein 2011 an der TU Berlin entstandenes Modell des Museums im Maßstab 1:50 macht das anschaulich, es ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Das auch architektonisch dem antiken Ideal nachempfundene Museum nahm also die königliche Antikensammlung auf. Unter dem Begriff „Antiken“ versteht man sämtliche Objekte, die im etruskischen, römischen, griechischen oder zypriotischen Kulturkreis gefunden werden – also nicht nur Statuen und Skulpturen, sondern auch Münzen, Vasen, Waffen, Alltagsgegenstände.
Bei den Staatlichen Museen zu Berlin sind die Sammlungen heute nicht identisch mit den Häusern, was Besucher manchmal vor Schwierigkeiten stellt. Die Antikensammlung etwa verteilt sich auf drei Häuser: Altes und Neues Museum und Pergamonmuseum.
Bei der Eröffnung 1830, damals bei freiem Eintritt, war es alles andere als ausgemacht, dass weitere Einrichtungen folgen und eine „Museumsinsel“ entstehen würde. Die Insel war lange Zeit auch ein Wirtschaftsstandort, es gab Magazine, Lagerschuppen und den – ebenfalls von Schinkel – modernisierten Packhof, der seit dem Mittelalter als Zoll- und Steuerstelle fungiert hat und erst 1938 abgerissen wurde. Ein „Masterplan Museumsinsel“ habe, so Scholl, nie existiert. Die Entwicklung verlief in Schüben, in einem hundertjährigen Prozess. Allerdings war bald klar, dass das Haus am Lustgarten zu klein sein würde. Denn die Sammlungen wuchsen stetig.

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Als Erweiterungsbau wurde 1855 das Neue Museum von Friedrich August Stüler eröffnet, das auch der damals einsetzenden Faszination für die Kunst des alten Ägypten Rechnung trug. Heute beherbergt es, nach umfangreicher Restaurierung durch David Chipperfield, unter anderem das Ägyptische Museum mit der Büste der Nofretete und die Papyrussammlung. Die 1876 als dritter Museumsbau eröffnete Alten Nationalgalerie, damals einfach „Nationalgalerie“ genannt, war auch Ausdruck der Euphorie über die Bismarcksche Reichseinigung, und spätestens jetzt war auch klar, dass wohl die gesamte Nordinsel zu einem Museumsensemble heranwachsen würde.

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Seit 1904 prägt die gerundete Prunkfassade des unter dem wesentlich klangvolleren Namen „Kaiser-Friedrich-Museum“ eröffneten Bode-Museums die Nordspitze. 1930, exakt 100 Jahre nach der Eröffnung des Alten Museums, kam schließlich mit dem Pergamonmuseum das größte und heute bekannteste Haus hinzu. Dessen Baugeschichte einschließlich mehrerer im Schlick versunkener Vorgängerbauten steht dem geologischen Untergrund der Insel in puncto Komplexität in nichts nach, entsprechend aufwändig wird das Haus in einem Jahrzehnte andauernden Prozess restauriert.

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Tatsächlich dürfte die Zukunft der Insel vor allem in Renovierungen bestehen, nachdem mit der James-Simon-Galerie der wohl letzte Neubau hinzugekommen ist. Allerdings greifen die Staatlichen Museen schon lange auch aufs „Festland“ aus, mit dem Haus Bastian als Zentrum für kulturelle Bildung etwa oder mit dem Pergamon-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi, an dessen Planung und Entstehung Andreas Scholl beteiligt war. Eine Renovierung wünscht sich Scholl auch fürs Alte Museum, denn seit dem 1966 abgeschlossen Wiederaufbau und einer „Pinselsanierung“ Mitte der 1990er-Jahre sei hier nichts Wesentliches mehr geschehen. Doch Planung und Finanzierung dafür stehen erst ganz am Anfang.
2026 steht die Alte Nationalgalerie im Mittelpunkt
Gefeiert wurde das Jubiläum im Sommer mit einem Inselfest unter den wunderschönen Kolonnaden, in den kommenden fünf Jahren soll dann jedes Jahr ein anderes Haus im Mittelpunkt stehen: Nach dem Alten Museum in diesem Jahr also 2026 die Alte Nationalgalerie, 2027 das Pergamonmuseum (denn dann werden auch der Mittelteil mit dem Pergamonaltar sowie die überarbeitete Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst im Nordflügel wiedereröffnet), 2028 das Neue Museum und 2029 das Bode-Museum.
2030 soll es dann um die ganze Insel gehen. Wie das genau aussehen wird, ist noch unklar. „Eigentlich bräuchten wir eine große Ausstellung zur Geschichte der gesamten Insel“, meint Andreas Scholl. Doch geeignete Räume dafür fehlen trotz der regen Bautätigkeit immer noch. So bleibt die Berliner Museumsinsel das, was sie schon immer war: Ein großartiges, unfertiges Projekt, das Menschen aus aller Welt anzieht.
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