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Kaffeehaus Kleines Café

© imago stock&people/imago stock&people

Das österreichische Gefühl: Berliner und Wiener verbindet mehr, als man denken könnte

Mehr als 12.000 Österreicherinnen und Österreicher leben an der Spree und prägen die Kultur und Gastronomie der Hauptstadt. Wie denken sie über Berlin?

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In zahlreichen Berliner Restaurants, im KaDeWe oder am Hackeschen Markt hört man es immer wieder: das melodische, nicht nur für Berliner Ohren so charmant klingende Österreichisch. Kein Wunder einerseits, denn für Touristen aus Österreich ist Berlin eines der bevorzugten Ziele für Städtereisen, allein 11.500 Gäste aus dem Nachbarland waren es im März 2024, über 21 Prozent mehr als im Vorjahr, so das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

Doch andererseits leben, auch hier hilft die Statistik, rund 12.000 Menschen mit österreichischem Pass in Berlin. Die trifft man allerdings eher nicht an den touristischen Hotspots, sie arbeiten in zahlreichen Unternehmen, kellnern in der Gastronomie, haben Ateliers in Neukölln, schreiben Bücher oder jobben in einem der vielen Start-ups in Friedrichshain. Ganz normale Berliner eben.

Die beiden Hauptstädte Wien und Berlin haben seit vielen Jahrhunderten ein besonderes Verhältnis zueinander, nicht immer nur im Guten, und üben auf die jeweils anderen Bürger eine ganz spezielle Anziehung aus. Dabei seien die beiden Mentalitäten doch so unterschiedlich, sagen Gerüchte oder alte Witze, die dann mit „typisch Ösi“ oder „typisch Piefke“ unterlegt werden.

Kultur verbindet

In den Cafés und Kneipen in Prenzlauer Berg oder in Charlottenburg, wo österreichisch oft zu hören ist, ist davon wenig zu merken, auch nicht an den großen Berliner Bühnen, wo österreichische Schauspielerinnen wie Sophie Rois und Philip Hochmair zu den beliebtesten Stars gehören.

„Wenn wir auch gerne das Trennende darstellen, weil es ja auch lustig ist, muss man sagen, dass sich Österreicher und Deutsche in unglaublich vielen Dingen sehr ähnlich sind“, sagt Johanna Rohland-Lindner, die Direktorin des Österreichischen Kulturforums.

„Es gibt eine sprachliche und kulturelle Nähe, es gibt gemeinsame Werte, auch gemeinsame Ziele. Für österreichische Künstler:innen ist Deutschland deshalb sehr attraktiv. Also da wundert es mich nicht, dass die kulturellen Beziehungen so eng sind, spezifisch zwischen Wien und Berlin, aber nicht nur.“ Die Diplomatin ist seit Februar 2024 in Berlin, davor war sie für das österreichische Außenministerium in New York und Jordanien tätig.

Die Diplomatin Johanna Rohland-Lindner schätzt die enge deutsch-österreichische Zusammenarbeit im Kulturbetrieb.

© Philipp Gaiko

Berlin kennt sie schon lange, sie ist mit einem Deutschen verheiratet. Das Österreichische Kulturforum führt seit vielen Jahren kulturelle, künstlerische und wissenschaftliche Veranstaltungen in ganz Deutschland durch und fördert Projekte und Programme auch finanziell.

„Es gibt eine rege Zusammenarbeit in allen Bereichen, ob es jetzt die Literatur, die Musik, die bildende Kunst, Theater, Filmindustrie ist. Vor allem, auch was die Literatur betrifft, denn der deutsche Markt ist natürlich extrem relevant für unsere österreichischen Autor:innen. Es gibt nicht so viele andere Länder, wo sie in der eigenen Sprache ihre Texte an den Mann oder die Frau bringen können und wo man sie auch kulturell versteht.“

Kulinarischer Botschafter

Ein Kulturbotschafter ist auch Sebastian Frank, allerdings auf kulinarischem Gebiet. Der gebürtige Niederösterreicher arbeitet seit 2010 in Kreuzberg, wo er heute das Restaurant Horváth betreibt. Er ist auf dem Dorf aufgewachsen und liebt die Berliner Vielfalt und auch die Weltküchen, die man hier finden kann.

Gibt es da nicht manchmal ein österreichisches Gefühl, das ihn einholt? „Es ist komisch, aber mir ist meine Heimat erst richtig bewusst geworden, als ich weggegangen bin. Und das fördert natürlich noch mal mehr dieses Gefühl, ein Österreicher oder eine Österreicherin zu sein, weil man hier in Berlin auch so eine unterbewusste Botschafterrolle wahrnimmt.“ Er lacht: „Es ist jetzt aber nicht so, dass ich mit einem Austria-Shirt durch Kreuzberg laufe.“

Sebastian Frank bringt mit seinem Restaurant Horváth moderne österreichische Sterne-Küche nach Berlin.

© René Riis

Sebastian Franks „emanzipierte Gemüseküche“ wird seit 2016 vom Guide Michelin mit zwei Sternen ausgezeichnet. Seine Frau Jeannine Kessler führt die Geschäfte des Horváth, sie ist in Berlin geboren, mit ein Grund für Frank damals hierher zu ziehen.

Mit den „Einheimischen“ kommt er meistens gut klar, manchmal nervt ihn aber auch die Unhöflichkeit: „Im Raunzen sind wir Österreicher ja eigentlich Weltmeister, aber das ist anders. Die Österreicher bleiben meistens dennoch höflich. Das ist nicht die Berliner Schnauze, das ist ja eher ein Frotzeln. Aber hier kommen manchmal Leute zur Tür rein, ohne Hallo oder Guten Tag zu sagen, das, und ein Bitte und ein Danke finde ich, kann man zumindest erwarten.“

Das Weltstädtische verbindet

Aber ist die oft gerügte Berliner Schroffheit nicht ganz nah dran an dem österreichischen Granteln? „Das österreichische Lebensgefühl ist einerseits Gelassenheit, Leichtigkeit, Genuss und Schmäh. Aber da gibt es bei uns auch dieses Granteln, dieses Sudern und Raunzen, das sich über das Leben im Allgemeinen auslassen. Das Klischee dafür ist natürlich der grantige Wiener Kellner”, sagt Johanna Rohland-Lindner, „die gibt es aber beim Berliner Trambahnfahrer manchmal auch. Meistens ist beides nicht böse gemeint.“ Aber das Verbindende, das Weltstädtische, das teilten sich die Berliner und die Wiener schon.

Als Österreicherin in Berlin schätze ich vor allem die kulturelle Vielfalt sowie die offene und tolerante Einstellung vieler Berliner – gerade für alternative Lebensweisen.

Johanna Rohland-Lindner, Direktorin des Österreichischen Kulturforums

Allerdings sei in der deutschen Hauptstadt mehr Diversität möglich: „Als Österreicherin in Berlin schätze ich vor allem die kulturelle Vielfalt und das breite Angebot an Kunst und Unterhaltung sowie die offene und tolerante Einstellung vieler Berliner – gerade für alternative Lebensweisen. Das schafft einen Möglichkeitsraum, wo man sich auch künstlerisch entfalten kann.“

Etwas mehr Entspanntheit täte gut

Der Schriftsteller Clemens Berger bestätigt das, der gebürtige Burgenländer ist einige Jahre zwischen Wien und Berlin gependelt, der Liebe und der Arbeit wegen: „Man kann in Berlin als nacktes Einhorn über die Straßen gehen, und es stört niemanden. Zumindest ist das das Gefühl, das man haben kann. Alles ist größer und heruntergekommener als in Wien, das hat auch seinen Charme. Und viele glauben, sie lebten in der Hauptstadt der Welt, was gleich anziehend wie absurd sein kann.“

Der Schriftsteller Clemens Berger sieht viele Ähnlichkeiten zwischen Berlinern und Wienern.

© Katharina Susewind

Viel Stoff also für einen Schriftsteller, der mit sehr genauen Menschenbeobachtungen arbeitet, die er dann in seinen Romanen („Im Jahr des Panda“, Luchterhand Verlag) verarbeitet. In Berlin schätzt Berger die Weltläufigkeit, wobei den Einheimischen manchmal ein bisschen mehr Entspanntheit guttäte.

Man kann in Berlin als nacktes Einhorn über die Straßen gehen, und es stört niemanden.

Clemens Berger, Schriftsteller

Es gebe viele Ähnlichkeiten zwischen Wienern und Berlinern, aber ein typisch österreichisches Gefühl fehle den „Piefkes“ eben manchmal: „Es gibt bei uns einen gewissen Gleichmut, eine Gelassenheit im Alltag. Den Unterschied erklärt vielleicht ein alter Witz: Der Deutsche sagt, die Situation sei ernst, aber nicht hoffnungslos, während der Österreicher sagt, die Lage sei hoffnungslos, aber nicht ernst.“

Nicht nur die österreichische Bundeshauptstadt ist einen Besuch wert, wirbt Johanna-Rohland-Lindner für ihr Heimatland: „Ich habe für mich vor ein paar Jahren mal Linz entdeckt und ich find die Stadt unglaublich spannend, weil es dort auch Ungewöhnliches zu sehen gibt, das man vielleicht als Berliner:in eben auch zu schätzen weiß. Das Lentos Museum zum Beispiel, oder das Zukunftsmuseum Ars Electronica, mit Ausstellungen, die wirklich cool sind. Und Bad Ischl ist ja 2024 die Kulturhauptstadt Europas, in diesem Rahmen gibt es ein sehr gutes Kulturprogramm, eine spannende Mischung aus sozial, unglaublich innovativ und kreativ.“

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