
© NordArt/Jörg Wohlfromm
NordArt-Kuratorin im Interview: „Die Werke bilden mit dem Gebäude eine Einheit“
Im beschaulichen Büdelsdorf findet jeden Sommer eine der größten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst in Deutschland statt. Ab 1. Juni feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen.
Stand:
Nahe dem Nord-Ostsee-Kanal organisiert die Non-Profit-Kulturinitiative Kunstwerk Carlshütte jedes Jahr eine beeindruckende Kunstschau in einem ehemaligen Eisenwerk. Die imposanten Industriehallen sind heute von einem Skulpturenpark umgeben. 2024 feiert die vor 25 Jahren gegründete NordArt Jubiläum und wird alle Gewinner*innen des Kunstpreises der vergangenen Jahre präsentieren.
Die NordArt ist ein gewaltiges Ausstellungsprojekt. Wie kam es dazu im beschaulichen Büdelsdorf?
Den Anfang vor 24 Jahren machten ein Unternehmer und ein Künstler, Hans-Julius Ahlmann und Wolfgang Gramm, die sich gut verstanden. Sie wollten hier eine Ausstellung gemeinsam auf die Beine stellen, um der Stadt ein Highlight zu bescheren und sie besuchenswert zu machen. Damals war die Ausstellung noch kleiner, ebenso das Gelände. Aber von Beginn an war sie international angelegt. Die ersten Künstler kamen aus dem Norden, Schleswig-Holstein und Dänemark. Bald folgten Teilnehmer aus den USA und Frankreich.
Warum fiel die Wahl auf das Areal in Büdelsdorf?
Es handelt sich um ein früheres Industriegelände, auf dem die ehemalige Eisengießerei Carlshütte steht. Sie gilt als ältester Industriebetrieb Schleswig-Holsteins. Nach der Stilllegung 1997 ließ Hans-Julius Ahlmann, der Urenkel des Unternehmensgründers, mit seiner Frau Johanna darauf das „Kunstwerk Carlshütte” mit einem Skulpturenpark entstehen. In der 22.000 Quadratmeter großen Fabrikhalle und im 80.000 Quadratmeter großen Park findet jetzt die NordArt statt.

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Im vergangenen Jahr nahmen 200 Künstler mit über 1000 Werken teil. Wie stemmen Sie das in einem 10.000-Einwohner-Städtchen?
Dazu braucht man die passenden Leute, die entsprechend ticken. Oder man könnte auch sagen: die einfach genial sind. Sowohl Büdelsdorf als auch Rendsburg stehen engagiert hinter der Ausstellung. Für sie ist die NordArt der beste Beweis für ein vitales Kulturleben.
Die Ausstellung läuft den ganzen Sommer, fünf Monate lang bis in den Herbst. Bauen Sie dafür die Infrastruktur jedes Mal neu auf?
Wir haben das ganze Jahr über zehn festangestellte Mitarbeiter. Für den Auf- und Abbau der Werke kommen etliche Freiberufler hinzu. Und im Sommer helfen uns rund 100 Studenten und Schüler.
2023 erlebten Sie mit 100.000 Besuchern einen wahren Ansturm. Was ist das Spezifische an der NordArt – was macht sie so populär?
Es gibt eine Art Magie. Die NordArt ist ein Gesamtkunstwerk. Die Werke werden nicht einfach präsentiert, sondern kommunizieren miteinander. Sie bilden mit dem Gebäude eine Einheit.

© NordArt/Jörg Wohlfromm
Wie kommen Sie an so viele Künstler internationale Künstler und ihre Werke?
Es gibt ein Bewerbungsverfahren. Darüber melden sich jährlich etwa 3000 Künstler aus aller Welt, unter denen wir auswählen. Hinzu kommen Kooperationen mit geladenen freien Kuratoren für den Länderfokus und Sonderprojekte innerhalb der NordArt. Wir können auf ein großes Netzwerk zurückgreifen.
Das Besondere an der NordArt ist außerdem, dass sie ein privates Ausstellungsprojekt auf einem privaten Gelände ist. Wie finanzieren Sie sich?
Hauptsponsor ist die ACO-Gruppe, die im Bereich Tief- und Hochbau arbeitet mit Hans-Julius Ahlmann als Geschäftsführer. Es gibt eine Public Private Partnership, an der die beiden Städte Büdelsdorf von Rendsburg beteiligt sind. Den größten Teil des Budgets bekommen wir über den Eintritt herein.

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Es fällt ein Schwerpunkt bei chinesischen Künstlern auf. Kommt er durch Ihren Hauptsponsor Hans-Julius Ahlmann, dessen Unternehmen geschäftliche Verbindungen nach Asien unterhält?
Nein, das geht auf den NordArt-Gründer Wolfgang Gramm zurück, der seit 2008 intensiv Kontakte nach China pflegt. Inzwischen stellen bei uns die bekanntesten chinesischen Künstler aus.

© NordArt/Jörg Wohlfromm
Welche Rolle spielt bei Ihnen politische Kunst?
Politik spielt immer eine Rolle, auch bei unseren Künstlern. Aber das ist keine Prämisse, nach der wir Werke auswählen. 2023 haben wir auch ukrainische Künstler präsentiert, bei denen weder Krieg noch Zerstörung vorkamen. Kunst ist keine Illustration. Sie ist sehr viel mehr als nur die Spiegelung einer momentanen Situation oder sollte es zumindest sein.
Machen Sie thematisch Vorgaben für Ihre jeweilige NordArt-Ausgabe?
Nein, die Künstler setzen selbst die Themen, wir fügen ihre Werke dann zusammen. Eine Ausstellung kann so aufgebaut sein, dass die Besucher traurig oder fröhlich wieder gehen. Wir möchten sie aber mit einem positiven Gefühl entlassen. Statt Hoffnungslosigkeit möchte die NordArt auf ein besseres Morgen bauen.
2023 war die Türkei ihr Brennpunktland, aus dem immer wieder von autoritären Tendenzen zu hören sind. Schlug sich das als Kritik auch in der Kunst nieder?
Nein, wir bauen eher eine Gegenwelt auf. Wir haben Werke von türkischen Künstlern präsentiert, die trotz aller negativen Strömungen zeigen, was bei ihnen das Leben lebenswert macht. Und dennoch gibt es auch kritische Untertöne, zum Beispiel beim „Stelzenläufer“ von Ayla Turan, der den Blick von oben zeigt und damit auf die bedrohte Welt der Kinder.
Für die NordArt sind große Werke, gewaltige Skulpturen charakteristisch. Hat das mit der schieren Größe der Industriehallen und des Parks zu tun?
Ja, die riesigen Räume und das weitläufige Gelände ermöglichen es, solche Positionen zu zeigen. Aber es gibt auch intime und kleine Werke. Wir gestalten die Ausstellung so, dass sie ebenso zur Geltung kommen. Teil der Ausstellung ist aber auch die Architektur, die immer wieder überraschende Blickwinkel liefert. Wir sind stolz auf diese Kulisse.
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