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Sitzung des ukrainischen Parlaments

© imago images/Ukrinform

Ukraine-Invasion Tag 875: Welche Spuren der Krieg im ukrainischen Parlament hinterlässt

Deutschland liegt bei der Integration von Ukraine-Flüchtlingen im Mittelfeld. Ukrainische Truppen geben mehrere Stellungen im Südosten auf. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Wegen des russischen Angriffskrieges finden in der Ukraine derzeit keine Wahlen statt. Das aber hat Auswirkungen auf die Arbeit des Parlaments, wie die „New York Times“ nun in einem Artikel erläutert (Quelle hier). Demnach können zum Beispiel Abgeordnete nicht ersetzt werden, die ihre Arbeit aufgegeben haben oder zur Armee gegangen sind. Und es komme mitunter zu ungewöhnlichen Koalitionen.

Geht es nach der Verfassung, dann hat das ukrainische Parlament mehr Macht als der Präsident. Laut Wolodymyr Fesenko, einem ukrainischen Politik-Analysten, ergibt sich derzeit aber das Bild eines Parlaments, das während des Krieges ins Abseits gedrängt wurde. „Im Zustand des Kriegsrechts, mit unserer Zentralisierung der Staatsverwaltung und dem Ende der öffentlichen Politik hat das Parlament seinen Einfluss verloren“, sagte er der „New York Times“.

Ein Teil des Problems, so heißt es in dem Artikel weiter, sei, dass die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj, „Diener des Volkes“ durch interne Streitereien und Revierkämpfe geprägt sei. Spaltungen, die es bereits vor dem Krieg gegeben habe, hätten sich noch mehr vertieft, während es zu Beginn des Krieges solidarisch einstimme Abstimmungen gegeben habe. Das habe sich nun geändert.

So hätten etwa 20 Abgeordnete im Parlament eine Fraktion gebildet, 15 von ihnen würden aber noch Selenskyjs Partei angehören. Und die Partei „Diener des Volkes“ verfüge zwar nominell immer noch über die meisten Stimmen, doch bei Gesetzesabstimmungen bringe sie kaum noch eine Mehrheit auf, weswegen sie sogar mit ehemaligen Mitgliedern der aufgelösten prorussischen Partei stimme, um ihre Gesetzesvorhaben durchzubekommen.

Positiv wird laut einigen Experten aber gesehen, dass das ukrainische Parlament trotz Kriegszustand überhaupt zusammenkomme. Zu Beginn des Krieges sei man nur schnell im Geheimen zusammengekommen, weil man Luftangriffe gefürchtet habe. Seit die Luftabwehr in Kiew aber verbessert worden sei, seien die regulären Sitzungen wieder aufgenommen worden.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Deutschland liegt bei der Integration von Ukraine-Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg hervor. Deutschland erreichte demnach Anfang 2024 eine Integrationsquote von 27 Prozent. Mehr hier.
  • Die Bundesregierung will beim Wiederaufbau der durch einen russischen Luftangriff teilweise zerstörten Kiewer Kinderklinik helfen. Das Entwicklungsministerium stellt der ukrainischen Regierung zehn Millionen Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Mehr hier.
  • Die Mehrheit der Abgeordneten des Europaparlaments verurteilt den Besuch von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán beim russischen Machthaber Wladimir Putin. Knapp 500 Abgeordnete stimmten in Straßburg für eine entsprechende Resolution, in der es zudem heißt, das Europaparlament sehe den Besuch als „einen eklatanten Verstoß gegen die EU-Verträge“. Mehr hier.
  • Die ukrainischen Truppen haben nach inoffiziellen Berichten Stellungen im Südosten des Landes bei Krynky im Gebiet Cherson und Uroschajne im Gebiet Donezk unter russischem Druck aufgeben müssen. „In beiden Siedlungen hat es aufgrund der großen Zerstörungen keinen Sinn mehr gemacht, die Positionen zu halten“, wurden Quellen im Generalstab in ukrainischen Medien zitiert. Mehr hier.
  • Die Ukraine könnte möglicherweise aus einem weiteren Nato-Land eine große Anzahl von F-16 Kampfjets erhalten: Griechenland. Das berichtet „Al Jazeera“ unter Berufung auf Regierungskreise. Griechenland und die Ukraine verhandeln derzeit über ein zehnjähriges Beistandsabkommen. Teil davon könnte offenbar die Lieferung von 32 Kampfjets sein. Mehr im Newsblog.
  • Die Nato verstärkt ihre zivile Vertretung in der Ukraine und schickt einen ranghohen Bündnisvertreter nach Kiew. Der frühere beigeordnete Generalsekretär, Patrick Turner, werde von September an die Nato-Vertretung in der Hauptstadt leiten und als zentraler Ansprechpartner für die dortigen Behörden fungieren.
  • Bei einem ukrainischen Drohnenangriff in der russischen Grenzregion Belgorod sind nach Angaben der dortigen Behörden zwei Menschen getötet worden. Bei den Todesopfern habe es sich um ein junges Paar gehandelt.
  • Russland und die Ukraine haben nach Angaben aus Moskau im Rahmen ihres jüngsten Gefangenenaustauschs insgesamt 190 gefangene Soldaten freigelassen. 95 russische Soldaten seien zurückgekehrt, teilte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch im Onlinedienst Telegram mit. Im Gegenzug seien Kiew „95 Kriegsgefangene der ukrainischen Armee“ übergeben worden.
  • Wegen der illegalen Lieferung von Bauteilen für Drohnen an Russland verurteilt das Stuttgarter Oberlandesgericht einen früheren Geschäftsmann aus dem Saarland zu sechs Jahren und neun Monaten Gefängnis. Die Güter hätten eine militärische Verwendung gefunden, urteilte der Strafsenat.
  • Der Kreml hat Spekulationen über ein Scheitern der russischen Offensive im Nordosten der Ukraine zurückgewiesen. „Der Einsatz geht weiter und das wird er, bis er erfolgreich abgeschlossen ist“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. 
  • Japan gewährt einem Medienbericht zufolge der Ukraine einen Kredit von 3,3 Milliarden Dollar aus den Zinsen eingefrorener russischer Vermögenswerte. Die Summe sei Teil des 50-Milliarden-Dollar-Pakets der G7-Staaten, berichtet die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. 

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