
© Jörn Hasselmann
Von der dunklen Höhle zum Lichtpalast: Dach des Berliner Ostbahnhofs ist nach 15 Jahren Bauzeit fertig
15 Jahre wurde am neuen Dach des Ostbahnhofs gebaut. Fahrgäste müssen nicht mehr Slalom durch Gerüste laufen. Eigentlich sollte nur das Glas getauscht werden – doch die Schäden waren riesig.
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Jugendliche kennen Berlins ältesten Fernbahnhof nur als Baustelle. Seit 15 Jahren wird gebaut, nun ist der Ostbahnhof (fast) fertig saniert. Eines fällt sofort auf: So hell war es noch nie. Denn nun besteht die größte Bahnhofshalle der Stadt aus Glas, durch 20.000 Quadratmeter Dachfenster fällt viel Licht auf die Bahnsteige.
Für Fahrgäste noch wichtiger ist, dass Gleise nun wieder befahren werden können. Jahrelang hieß es: Slalom laufen um Behelfsstützen und Baugerüste, Bahnsteige waren entweder gar nicht oder nur von einer Seite zu betreten, Gleise gesperrt. In den kommenden beiden Jahren gibt es noch einige Restarbeiten. Die allerletzten Teile der knallroten Stützenkonstruktion verschwinden erst im Sommer nächsten Jahres.
Für den Abbau müssen dann wieder mehrere Gleise gesperrt werden, dies will man den Fahrgästen jetzt nicht zumuten. Da die Bahn von Mitte Juni bis Mitte Dezember 2026 wegen anderer Arbeiten die Stadtbahn vollständig sperrt, wird der Abbau dann mitgemacht. Bei dieser Berliner „Generalsanierung“ werden vor allem die defekten Brücken am Hauptbahnhof erneuert und der Brandschutz am Alexanderplatz und am Zoo erneuert.

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Früher war die Halle am Ostbahnhof „eine Art Höhle“, wie Berlins Bahnchef Alexander Kaczmarek am Mittwoch bei der Eröffnungsfeier sagte, schwarz und düster. Zu DDR-Zeiten hatten noch tausende Dampfloks ihren Qualm ans Hallendach gepustet, gereinigt wurde selten. Und von oben gaben Tauben ihren Mist dazu.
Eigentlich wollte die Bahn nur das alte Glas tauschen, doch dieser Plan ging nicht auf. Denn Taubenkot vermischt mit Regenwasser hatte die Stahlkonstruktion weitaus stärker rosten lassen als geahnt. Es wurde ein kompletter Neubau. Noch im Sommer 2024 wurde ein bis dahin unbekannter Kriegsschaden gefunden, ein kaputter Stahlträger am Westgiebel des südlichen Daches, berichtete Projektleiterin Patricia Deurer.
Wenn man oben auf dem Dach steht, erkennt man die Dimensionen. Die beiden Hallen sind mehr als 200 Meter lang, zusammen 92 Meter breit. Denn der Ostbahnhof hat elf Gleise und fünf Bahnsteige. Zum Vergleich: Hauptbahnhof oben und Spandau haben nur sechs Gleise jeweils. Um künftig Tauben fernzuhalten, wurden auf dem Dach über 120 Kilometer „Spikes“ montiert, dünne Metalldrähte und -stifte.

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Die Modernisierung gehörte zu den größten laufenden Projekten der Bahn in Berlin. Und zu den kompliziertesten. Denn wenn am Dach gearbeitet wird, darf darunter niemand sein, kein Zug und natürlich keine Fahrgäste. Also wurde eine Zwischendecke eingezogen, die die Station erst recht zur Höhle machte. Über der Halle wurde ein riesiger knallroter Stahlbügel gespannt, eine Art Kranausleger, 100 Meter lang, für den Materialtransport. Die seitlichen Backsteinmauern der Halle mussten mit komplizierten Konstruktionen stabilisiert werden. Auch sie waren rot.
Beim ersten Bauabschnitt war es deutlich schneller gegangen. Von 2010 bis 2012 wurde die Nordfassade an der Erich-Steinfurth-Straße neu verglast. Dazwischen gab es einen Riesenschreck: 2011 brannten eine E-Lok und ein Wagen eines Regionalzuges komplett aus, es war für die Feuerwehr ein dramatischer Einsatz.

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Mit dem nun fertigen Dach ist der Ostbahnhof wieder ein Bahnhof. Laut Bahn fahren pro Jahr 404.000 Züge. Mit 66.000 Reisenden am Tag rangiert er aber eher im Mittelfeld. Am Ostkreuz, nur ein Kilometer weiter, sind es mehr als 250.000 Reisende. Es fehle am Ostbahnhof ein Anschluss an U-Bahn oder Straßenbahn, bedauerte Kaczmarek.
Angebunden ist die Station nur mit wenigen Buslinien, die auf dem auffallend unansehnlichen Vorplatz halten, der vor allem ein Autoparkplatz ist. Kaczmarek versicherte, dass der Platz noch verschönert werden soll.
Der Bahnchef für Berlin und Brandenburg kennt sich aus, seine Familie lebte einst nebenan. Deshalb konnte er gut auch etwas über die Historie erzählen: 1894 wurde hier die erste Bahnhofsmission gegründet, damit die jungen Frauen und Mädchen, „nicht unter die Räder gerieten“. Denn hier kamen sie an, die Arbeitssuchenden aus dem Osten.
Und noch etwas ist besonders an diesem Fernbahnhof. Keiner in Berlin hat so oft den Namen gewechselt. Elf Jahre lang, von 1987 bis 1998, war er der Hauptbahnhof, natürlich nur für Ost-Berlin. Diese Jahre prägen ihn auch optisch. Das Empfangsgebäude war im Krieg zerstört worden, die Hallen aus den Jahren 1929 und 1937 hatten die Bomben überstanden.
Den Nachkriegseingang sprengte die DDR 1985. Es entstand zur 750-Jahr-Feier der Stadt eine moderne Glashalle zur Spree hin, einem Flughafen ähnlich. Die „Hauptstadt der DDR“ brauchte schließlich einen Hauptbahnhof.
1998 wurde diese politische Entscheidung getilgt, denn einige Kilometer weiter westlich war der neue Hauptbahnhof im Werden. Ostbahnhof hatte die Station bereits von 1950 bis 1987 geheißen. Ursprünglich war sie ab 1842 der Frankfurter Bahnhof, die bislang längste Zeit, von 1881 bis 1950, der Schlesische Bahnhof.
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