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Porträtfoto des Philosophen Walter Benjamin.

© dpa/picture alliance

Walter Benjamins „Berliner Kindheit“: Zum „Entdeckungsbummel“ verklärt

Der Tagesspiegel deutete 1950 die Erinnerungen des von den Nazis in den Tod getriebenen Philosophen als Jugendidyll. Theodor W. Adorno las das Buch anders.

Eine Glosse von Markus Hesselmann

Im Tagesspiegel haben wir zuletzt einige Ausschnitte aus dem lesenswerten neuen Buch „Berliner Kindheiten“ gebracht, in dem Menschen aus unserer Stadt sich an ihre jungen Jahre erinnern., nachzulesen hier, hier und hier sowie hier die Rezension zum Buch.

Der Titel der Sammlung lässt sofort an Walter Benjamin denken und seine „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“. Von einem „Entdeckungsbummel eines Pennälers zwischen 1900 und 1910, zwischen Tiergarten und Genthiner Straße und Magdeburger Platz“, schrieb der Tagesspiegel 1950 idyllisch verklärend über das posthum veröffentlichte Buch des von den Nazis in die Flucht und in den Suizid getriebenen jüdischen Philosophen.

„Walter Benjamin, 1892 in Berlin geboren, 1940 durch Selbstmord in der Emigration gestorben“, heißt es lapidar verkürzt und verharmlosend in der Rezension, in der Nazis und Juden nicht vorkommen. Dafür seien die Erinnerungen „ein Büchlein, das man am Heiligen Abend lesen sollte“.

Dazu passend wird eine versöhnliche Botschaft hineininterpretiert: „Das ist alles wie der Gruß eines Bruders von jenseits der großen Grenze, die Leben und Tod trennt: er spricht aus, was wir vor 1914 alle gleich gesehen und erlebt haben, in Berlin.“

Theodor W. Adorno, ebenfalls Philosoph und als Jude von den Nazis verfolgt, las das Buch anders: „Denn die Bilder, die es zu befremdender Nähe heraufholt, sind nicht idyllisch und nicht kontemplativ. Über ihnen liegt der Schatten des Hitlerschen Reichs."

Ein Kindheits-Buch wird zur Erinnerung, es nie wieder zu dem kommen zu lassen, was bald darauf geschah.

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