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„Wir müssen alle Register ziehen“: Die Regierung kämpft gegen Fachkräftemangel
Der Bund will den Fachkräftemangel mit Stärkung der Ausbildung und mehr Zuwanderung lösen. Beim Führungskräftegipfel in Berlin diskutierten Politiker:innen mit Praktiker:innen.
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Es gibt kaum eine Branche in Deutschland, die derzeit nicht von dem Problem betroffen ist: Fachkräftemangel. Mit einem Mix aus der Stärkung der dualen Ausbildung und Weiterbildung sowie Erleichterungen bei der Einwanderung will die Bundesregierung nun darauf reagieren.
Sie geht davon aus, dass bis 2026 rund 240.000 Fachkräfte fehlen werden. Gründe dafür sind zum einen das Zusammenwirken der „drei großen D“ - Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung – sowie kurz- und mittelfristig die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.
„Wenn das nicht klappt, ist das eine Wachstumsbremse“
Gemessen an der Erwerbstätigenzahl ist vor allem der Handel besonders betroffen. Über die neue Fachkräftestrategie haben Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Mittwoch beim Fachkräftegipfel in Berlin mit Vertreter:innen aus der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Politik diskutiert.
Die Fachkräftesicherung entscheide neben der Digitalisierung und der Modernisierung der Energieversorgung über den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
„Wenn das nicht klappt, ist das eine Wachstumsbremse. Es geht jetzt darum, alle Register zu ziehen, um die inländischen Potenziale zu heben.“
Zusätzlich sei qualifizierte Zuwanderung nötig. Die Ausbildung müsse gestärkt, frühere Berufsberatung etabliert werden. „Es dürfen nicht mehr so viele Menschen nach der Schule ins Nichts fallen.“
Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen hätten keine Ausbildung, das müsse sich bessern. Auch Weiterbildung sei ein wichtiges Thema:
„Wir müssen die Beschäftigten von heute und die Arbeit von morgen zusammenbringen.“ Neben der Stärkung der Ausbildung und Fachkräfteeinwanderung bezeichnete Hubertus Heil die Erhöhung der Frauenerwerbsquote als wichtige Säule im Kampf gegen Fachkräftemangel.
Erhöhung der Frauenerwerbsquote als wichtige Säule
„Es gibt unheimlich viele gut ausgebildete Frauen, die ungewollt in der Teilzeitfalle feststecken, da müssen wir etwas unternehmen.“Nur auf Einwanderung zu setzen, sei nicht zielführend: „Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen.“
Wichtig sei es vor allem aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, sagte Heil und zitierte anfangs den Schriftsteller Max Frisch: „Wir wollten Arbeitskräfte und es kamen Menschen. Wir wollen ein Einwanderungsland sein. Deswegen müssen wir Integration bei all unseren Schritten mitdenken.“
Integration in einer diversen Gesellschaft funktioniere nur, wenn man sich auf Augenhöhe begegne. Es brauche kluge Köpfe und fleißige Hände, sagte die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
„Akademische und berufliche Bildung darf nicht gegeneinander ausgespielt werden, den Fachkräftemangel können wir nur gemeinsam lösen.
Schon am Dienstag hatte Heil eine Baustelle des familiengeführten Handwerksunternehmens Krone gt in Berlin-Spandau besucht, um sich über die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu informieren.
Philip Krone, Chef eines Handwerksunternehmens mit Fokus auf Gebäudetechnik, skizzierte vor Ort die schwierige Situation seiner Branche. 170 Mitarbeiter:innen hat Krone, zehn bis fünfzehn mehr könnte er locker gebrauchen, sagt er dem Tagesspiegel.
„Die Auftragsbücher sind voll, trotzdem macht es keinen Spaß momentan: Der Fachkräftemangel, Lohndruck wegen der Inflation und krisenbedingte Lieferkettenengpässe, da kommt vieles zusammen.“
Den aktuellen Drang zum Hochschulstudium sieht Hubertus Heil mit Besorgnis. „Wenn ich sage, dass wir nicht nur Master, sondern auch Meister brauchen, dann klatschen alle.
Aber wenn ich frage, was ist denn mit ihren Kindern, dann ist da das große Schweigen.“ Viele junge Menschen brächen ihr Studium ab. „Die müssen wir dann mühsam wieder auf den Weg bringen.“
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