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Seit dem Börsengang 2013 hat die Twitter-Aktie eine Achterbahnfahrt hinter sich.

© Emmanuel Dunand/AFP

Exodus bei Twitter: #Absturz

Der Abgang von vier Managern verdeutlicht die Misere bei Twitter. Der Kurznachrichtendienst kommt nicht voran, die Anleger werden unruhig.

Da war Jack Dorsey einfach zu langsam. Gern, so behauptet der Twitter-Chef im eigenen Kurznachrichtendienst, gern hätte er seinen Mitarbeitern im Lauf der Woche selbst davon berichtet. Mit „davon“ umschreibt er den personellen Exodus, der das Unternehmen am Wochenende ereilte. Gleich vier Manager an Schlüsselpositionen des Facebook-Konkurrenten verlassen das Unternehmen, wie das Tech-Blog „Re/code“ als erstes berichtete und sich dabei auf mit der Sache vertraute Personen berief. Dorsey, Mitgründer der Firma und seit Oktober wieder an der Spitze, sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. Auch weil es zunächst geheißen hatte, er habe die Führungskräfte gefeuert.

Chef-Entwickler Alex Roetter, Produktchef Kevin Weil, Personalleiter Brian „Skip“ Schipper und Medien-Direktorin Katie Stanton kehrten ihrem Unternehmen auf eigenen Wunsch den Rücken. Anders als die nach Dorseys Aussage „falsche“ Berichterstattung waren die Reaktionen der Betroffenen offenbar mit ihm abgestimmt. Minuten nach dem „für immer dankbaren“ Dorsey twitterten die so gelobten Manager ihre Version – tränenreich und mit viel Wehmut.

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Zum Heulen dürfte auch den Anlegern zumute sein, die bislang noch an den Erfolg des Geschäftsmodells Twitter geglaubt haben. Binnen zwölf Monaten hat sich der Wert der Aktie mehr als halbiert. Vom einstigen Höchststand – 69 Dollar im Januar 2014 – ist das Papier inzwischen so weit entfernt, wie das Unternehmen von seinen Zielen und der Konkurrenz. Mit einem deutlichen Abschlag von rund vier Prozent wurde am Montag gleich nach Handelsbeginn in den USA deutlich, was die Anteilseigner von den Nachrichten des Wochenendes hielten.

Verluste und keine überzeugende Strategie

Twitter ist hintendran. Nicht nur bei der Verkündung eigener Personalien, sondern vor allem bei der Erfüllung der Erwartungen, die Dorsey und sein Team selbst geweckt haben. So jedenfalls sehen es viele Analysten – und deren Einschätzung entscheidet darüber, ob Fonds und Privatanleger das Papier in ihrem Portfolio halten oder nicht. Dabei mögen die Zahlen auf den ersten Blick so gar nicht nach Krise aussehen: Twitter ist eines der größten sozialen Netzwerke wird weltweit regelmäßig von mehr als 300 Millionen Menschen genutzt. Sie versenden täglich hunderttausende Nachrichten. Ein gutes Umfeld für die Werbewirtschaft – eigentlich.

Allerdings hat das Unternehmen trotz steigender Umsätze noch nie Gewinn gemacht. Im dritten Quartal vergangenen Jahres betrug der Verlust 132 Millionen Dollar (119 Millionen Euro). Anders als Facebook hat Twitter lange Zeit keine Antwort auf die wachsende Zahl der Smartphone-Nutzer gefunden. Da die Mobilgeräte kleinere Displays haben, taugt die herkömmliche Banner-Werbung nicht dafür.

Ohne die Vier wird es schwieriger

Dorsey hatte im Herbst erklärt, das Unternehmen aus San Francisco werde „mutige Kurswechsel“ vollziehen. Dazu gehört, dass sich Twitter von seiner 140-Zeichen-Maxime verabschiedet. So sollen Nutzer auch längere Beiträge veröffentlichen, die die Leser bei Interesse ausklappen können. Dabei würden in einem Nachrichtenstrom wie bisher nur 140 Zeichen angezeigt. Dorsey will Twitter für Einsteiger attraktiver machen. Einen detaillierten Plan, wie er die 2006 gegründete Firma zum Erfolg zurückführen will, blieb er bisher aber schuldig. Die Nutzerzahl wuchs 2015 so langsam wie noch nie. Inzwischen ist das zu Facebook gehörende Foto-Netzwerk Instagram mit seinen 400 Millionen Mitgliedern dem Kurznachrichtendienst weit enteilt. Facebook selbst bewegt sich mit 1,5 Milliarden Nutzern ohnehin in anderen Sphären.

Ohne die vier Spitzenkräfte dürfte die Aufholjagd noch deutlich schwieriger werden. Produktchef Kevin Weil beispielsweise trat in der Technologie-Szene oft als das Gesicht des Unternehmens auf – zuletzt mit Hinweisen auf den genannten Wegfall der Begrenzung von Nachrichten auf 140 Zeichen. Medien-Direktorin Katie Jacobs Stanton war bereits vor ihrem Wechsel zu Twitter eine Größe: Sie arbeitete für den in Alphabet umbenannten Internetkonzern Google.

Dorsey will Tag und Nacht helfen

Wie nervös die Lage bei Twitter inzwischen ist, lässt sich aber nicht erst aus dem geballten Abgang der vier Top-Manager erkennen. Der Analyst Rich Greenfield postete beispielsweise auf seinem Twitter-Profil einen Prospekt vom Twitter-Analysten-Tag im November 2014. Darauf hat er acht der 13 Teilnehmer aus dem Management rot durchgestrichen: Sie alle haben das Unternehmen seither verlassen.

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Insider vermuten, dass die Personal-Rochade auch mit den jüngsten Abgängen nicht beendet ist. Milliardär Dorsey, der auch den Online-Bezahldienst Square leitet, plant demnach noch in dieser Woche Beratungen mit seinem obersten Führungsteam. Adam Bain und Adam Messinger sollen als Mitglieder des Vorstands vorerst auch die Aufgaben ihrer Ex-Kollegen übernehmen. Möglicherweise auch die von Jason Toff, der den Video-Dienst Vine leitet und twitterte, zu Google zu wechseln. Er werde seinen Vorstandskollegen bei ihren Interimsaufgaben helfen, kündigte Dorsey an – „Tag und Nacht“.

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