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Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und David Jacob, Gründer von «Workeer», nehmen am 22.09.2016 in Berlin an einer gemeinsamen Pressekonferenz teil.

© dpa

Integration von Flüchtlingen: Andrea Nahles setzt auf Start-ups

Start-ups spielen bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen eine immer größere Rolle. Die Plattform Workeer will 10000 Jobs vermitteln.

Die Arbeit auf deutschen Baustellen hat ihn erst überrascht. Alle mussten Helme, Westen, Sicherheitsschuhe tragen. „In Syrien, da reichen Sneakers“, erzählt Modar Rabbat. Im letzten Jahr floh er nach Deutschland, und weil er sich ein Master-Studium nicht leisten konnte, suchte er nach einer Arbeitsstelle. Gefunden hatte er sie im vergangenen November – über Workeer, einer Jobplattform speziell für Geflüchtete. Heute ist er Bauingenieur in dem Berliner Büro Krebs & Kiefer.

Die Online-Plattform existiert seit gut einem Jahr und war ursprünglich die Abschlussarbeit zweier Studenten in Berlin. Aktuell sind dort mehr als zehntausend Flüchtlinge registriert. 2733 haben ein öffentliches Profil, auf dem sie ihre Qualifikationen, Sprachkenntnisse und Berufswünsche angeben. Manche wollen „alles“ machen, andere stellen sich sehr genau vor. Die 4500 angemeldeten Arbeitgeber bieten ihnen Ausbildungsplätze, Praktika und Festanstellungen an. Meistens sind es kleine oder mittelständische Betriebe.

Das Ziel: 10000 Jobs für Flüchtlinge

Bislang hätten 50 Bewerber und Unternehmen zusammengefunden. Das Ziel sei es, 10000 Jobmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen. „Das ist sportlich, aber absolut machbar“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am Donnerstag. Sie ist seit Juni Schirmherrin des Projekts – und zeigt damit, dass sie bei der Integration auf neue kleine Internet-Firmen setzt.

Rabbat hatte in einer Facebook-Gruppe für Flüchtlinge von der Plattform gelesen; seine Chefin Martina Köppe in einer E-Mail der Initiative „Willkommen in Wilmersdorf“. Ein Kollege arbeitete Rabbat als sein Pate ein, doch obwohl er kaum Berufserfahrungen hatte, war das kein Problem. „ Aufwendig waren vielmehr die arbeitsrechtlichen Fragen“, sagte Köppe. Unternehmer kritisieren oft die bürokratischen Hürden, wie zum Beispiel dass Arbeitsgenehmigungen nicht schnell genug erteilt werden.

Um in Deutschland studieren zu können, hatte Rabbat Deutsch schon in Syrien geübt. Was er hier neu lernen musste, waren Fachbegriffe aus dem Bauwesen – und das Steuersystem.

In ein, zwei Monaten soll es das Portal Workeer auch in englischer Sprache geben. „Arabisch macht wenig Sinn, weil die Arbeitgeber das nicht verstehen würden“, sagte Mitgründer David Jacob. Noch arbeitet sein Team hauptsächlich ehrenamtlich, was auf Dauer nicht funktionieren könne. Auch deswegen spreche er mit den Betreibern anderer Jobbörsen, von denen es mittlerweile einige gibt. „Es würde Sinn machen, sie alle zu einem Portal zu bündeln.“

Was andere Plattformen machen

Eine andere Plattform ist JobKraftwerk. Dort geht es ebenfalls um das Matching zwischen Flüchtlingen und Unternehmen, aber auch um eine optimale Kompetenzerfassung. Die Bewerber geben ihre Qualifikationen an, testen ihre Stärken anhand psychometrischer Tests und erhalten einen Lebenslauf nach europäischem Standard. JobKraftwerk wurde Ende Mai in Berlin gegründet und hat im Juli beim Business-Plan-Wettbewerb (BPW) Berlin-Brandenburg gewonnen. Es befindet sich noch in der Pilotphase und wird in einer Region im Süden Deutschlands für 500 Flüchtlinge getestet. Bis Ende des Jahres soll es deutschlandweit verfügbar sein und von mindestens 10000 Flüchtlingen genutzt werden.

Das Portal Welcome2Work wiederum setzt auf die Betreuung der Flüchtlinge: Wenn sie möchten, kann ihnen ein Pate bei der Jobsuche helfen. Manche von ihnen seien hochqualifizierte Ärzte oder Architekten. Andere suchten, ohne etwas gelernt zu haben, nach einem Hilfsarbeiterjob. Von den Unternehmen seien auch hier viele klein oder mittelgroß. Das Bekannteste sei Zalando.

Ein Patenprogramm möchte auch Workeer anbieten, hieß es am Donnerstag. Eine Konkurrenz zur Arbeitsagentur soll die Jobbörse aber nicht werden. Sie soll eine Ergänzung sein, einen ersten Kontakt zwischen Flüchtlingen und Unternehmen herstellen. Nein, die Frage, ob sie die Arbeit der Arbeitsagentur in 100 Jahren übernehmen werde, stelle sich nicht, sagte Nahles. Und meinte lachend: „Viel Spaß sag ich da auch nur.“

Das Estrel Berlin veranstaltet am 25. Januar 2017 zum zweiten Mal eine analoge Jobbörse für Geflüchtete und Migranten.

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