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Paradies für Geldwäscher. Deutschland konkurriert mit tropischen Steueroasen.

© picture alliance / dpa

Steuervermeidung und Geldwäsche: Auch Deutschland ist eine Oase

Im neuen Länderindex des Netzwerks Steuergerechtigkeit zu Geldwäsche und Steuervermeidung stehen aber die Schweiz und die USA ganz oben. Ein EU-Mitglied ist ein ganz besonderer Fall.

Die EU-Staaten prangern gern Steueroasen wie Panama oder Barbados an, schauen aber weniger genau hin, wenn es um die eigenen Probleme mit Steuervermeidung, Geheimhaltungspraxis oder unfairem Steuerwettbewerb geht. Das jedenfalls ist der Vorwurf, den das Netzwerk Steuergerechtigkeit am Dienstag bei der Vorstellung des neuen „Schattenfinanzindex“ erhebt. Zwischen dem Anspruch, eine Vorreiterrolle gegen Geldwäsche und Steuervermeidung zu spielen, und der Wirklichkeit innerhalb der EU herrscht demnach ein Widerspruch.

Insbesondere Deutschland kommt nicht gut weg, trotz der von Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf den Weg gebrachten Zehn-Punkte-Offensive, die zu mehr internationaler Ächtung unfairer Steuerpraxis und Beihilfe zur Geldwäsche führen soll. „Deutschland ist weiterhin eine Geheimnisoase für ausländisches Vermögen“, sagt der Projektleiter des Schattenfinanzindexes, Markus Meinzer. Schäubles Plan (eine Reaktion auf die 2016 veröffentlichten Panama Papers) sei völlig unzureichend gewesen. „Gleichzeitig bremst Deutschland bei Verschärfungen auf EU-Ebene und hat beschlossene Änderungen nur unvollständig umgesetzt“, beklagt Meinzer.

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit wirft der Bundesregierung vor, dass es trotz der guten Ansätze – Gesetz gegen Briefkastenfirmen, schärfere Berichtspflichten, Abschaffung des Bankgeheimnisses – noch zu viele Mängel und Schlupflöcher gebe. So sei die EU-Richtlinie gegen Geldwäsche verwässert worden. Das Transparenzregister sei nicht offen genug. Auch sei Berlin nicht zu einem einseitigen Austausch von Konteninformationen mit Entwicklungsländern bereit, was laut Netzwerk den dortigen Geldeliten das Fortschaffen von Vermögen erleichtert. Auch werden in Deutschland immer wieder Konten beschlagnahmt, die der italienischen Mafia zuzurechnen sind – aber der Umfang (pro Jahr sechs Millionen Euro) nimmt sich nach Einschätzung des Netzwerks mager aus im Vergleich zu der geschätzten Geldwäschesumme der Mafia in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Deutschland auf Platz sieben - keine gute Position

Für die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus hält der Schattenfinanzindex der Bundesregierung „schonungslos den Spiegel vor“. Er sei eine „eindrückliche Mahnung, endlich die Scheinheiligkeit zu beenden und mit gutem Beispiel im Kampf gegen Steuerflucht und Geldwäsche voranzugehen“.

Der Schattenfinanzindex kombiniert mehrere Faktoren, die als Indizien dafür gelten, wie transparent Geldanlage in einem Land ist, wie groß die Möglichkeiten zu anonymem Geldverstecken sind, wie der Informationsaustausch der Behörden funktioniert und wie intensiv Geldwäsche und Steuerbetrug tatsächlich verfolgt werden. Die so entstandene Liste wird gewichtet nach der Bedeutung der Finanzplätze, weshalb große Länder wie die Schweiz (Platz 1 und somit die schlechteste Position), die USA (Platz 2) und Deutschland (Platz 7) weiter oben stehen als klassische Steueroasen wie Panama, deren Praktiken deutlich krasser sind.

Von den EU-Ländern stehen auch Luxemburg, die Niederlande und Malta weit oben im Schattenindex. „Mit starker Geheimhaltung bleibt die Schweiz unangefochtener Spitzenreiter“, heißt es im Report. Das Nachbarland kommt auf einen „Geheimhaltungswert“ von gut 76 Punkten – Deutschland liegt bei 59 Punkten, Österreich bei 56, Frankreich bei 51. Italien hat 49 Punkte, Belgien kommt gar nur auf 49 Punkte.

Dagegen rutschen die USA trotz eines mittleren Wertes von knapp 60 Punkten wegen der überragenden globalen Macht und Anziehungskraft des eigenen Finanzmarktes auf den zweiten Platz im Schattenranking. Die USA entwickelten sich immer mehr „zum letzten Hafen für illegales Vermögen“, lautet das Fazit in dem Bericht. „Sie waren zwar das erste Land, das für sich und seine Bürger den automatischen Informationsaustausch beansprucht hat, liefern aber im Gegenzug nur sehr wenige Informationen“, konstatiert Netzwerk-Mitarbeiter Christoph Trautvetter. Indem Washington zu wenig unternehme gegen „Geheimnisoasen“ wie Delaware oder Nevada, zeige sich hier das Prinzip „America first“ von seiner schlimmsten Seite.

Sonderfall Großbritannien: Nur auf den ersten Blick sauber

Ein ganz besonderer Fall, auch mit Blick auf die Zeit nach dem Brexit, ist Großbritannien, das als die „versteckte Nummer 1“ der Schattenfinanzwelt gezählt wird. Das Mutterland hat zwar einen sehr niedrigen Geheimniswert von nur 42 Punkten, was zunächst wie eine Oase der Transparenz anmutet. Doch ist es umgeben von einem ganzen Kranz von Kronländern und Überseegebieten, die meist zu den echten Steueroasen zählen. Das Londoner Finanzzentrum, formal sehr sauber, fungiert so als Drehscheibe in einem eigenen System, das Steuervermeidung, „steuereffiziente“ Geldanlage und Geldwäsche begünstigt.

Die britische Regierung lehnt laut Netzwerk Gesetzesinitiativen für mehr Transparenz in diesen Gebieten ab und wehrt sich gegen solche Versuche auch auf EU-Ebene. Die britische Regierung lehnt laut Netzwerk Gesetzesinitiativen für mehr Transparenz in diesen Gebieten ab und wehrt sich gegen solche Versuche auch auf EU-Ebene. Zu den britisch kontrollierten Steueroasen gehören Anguilla (Geheimniswert 77 Punkte), Bermuda (73 Punkte), die Cayman-Inseln, die Jungferninseln und Guernsey (jeweils 72 Punkte) und Jersey (65 Punkte). Den höchsten (und damit schlechtesten) Wert aller im Index erfassten Länder hat Vanuatu in der Südsee mit 88 Punkten, dicht gefolgt von Dubai, den Bahamas und Paraguay mit je 84 Punkten.

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