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Landwirt Leo Traub: Die Schweinehaltung mussten die Eltern aufgeben.

© Heike Jahberg

Bauernproteste in Berlin: Warum Leo Traub seit Dienstag demonstriert

Bis Samstag wollen wütende Landwirte noch in Berlin protestieren. Was sie antreibt und was die Agrarministerin dazu sagt.

Seit Dienstag demonstrieren Bauern vor dem Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU), am Donnerstag zogen die Trecker durch Berlins Mitte. Bis Samstag wollen die Landwirte bleiben.

Einer von ihnen ist Leo Traub, 18 Jahre alt. Am Montagabend ist er von der Schwäbischen Alb nach Berlin gekommen, seit Dienstag steht er vor dem Agrarministerium. Zehn Stunden am Tag. Bis vor einem halben Jahr hatten seine Eltern und er einen Betrieb mit 40 Schweinen und 400 Ferkeln, jetzt haben sie sich von den Tieren getrennt.

"Wir hätten Geld in die Ställe investieren müssen", sagt Traub, "aber angesichts der Preise lohnt sich das nicht".

Auf der Landvolk-Fahne, hier rechts im Bild, ist ein weißer Pflug mit einem roten Schwert zu sehen.
Auf der Landvolk-Fahne, hier rechts im Bild, ist ein weißer Pflug mit einem roten Schwert zu sehen.

© imago images/JeanMW

Die Schweinehalter leiden unter einem enormen Preisverfall. Vor einem Jahr hatten sie noch zwei Euro pro Kilo Fleisch bekommen, jetzt sind es gerade einmal 1,19 Euro. Wegen der Afrikanischen Schweinepest nehmen China und andere wichtige Käufer kein deutsches Schweinefleisch mehr ab.

Weil zudem viele deutsche Schlachthöfe wegen der Corona-Infektionen in der Belegschaft vorübergehend geschlossen waren, stauen sich die schlachtreifen Tiere in den Ställen.

Traub trägt Symbole der "Landvolk"-Bewegung

Traubs Eltern haben umgesattelt und machen jetzt Ackerbau. Der Sohn ist in seinen alten Beruf zurückgehrt und arbeitet tagsüber als Zimmermann, abends hilft er auf dem Hof.

Er ist verärgert und frustriert. Traub findet, dass die Landwirte mit neuen gesetzliche Vorgaben für den Einsatz von Dünger, Pestiziden und schärferen Auflagen für die Tierhaltung überfordert werden. Im Ausland würden niedrigere Standards gelten. Er fürchtet um die Zukunft der Landwirtschaft. "Bald wird alles importiert", sagt er.

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In der Hand hält er eine Fahne mit Pflug und Schwert. Es ist das Symbol der "Landvolk"-Bewegung. Traub findet das nicht problematisch. Es zeige nur, dass die Bauern bereit sind, für ihren Boden zu kämpfen. Völkisch oder rechts sei das nicht.

Diskussion: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner spricht mit Bäuerinnen und Bauern.
Diskussion: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner spricht mit Bäuerinnen und Bauern.

© imago images/photothek

Ministerin Klöckner sieht das anders. Die "Landvolk"-Bewegung war eine Protestbewegung am Ende der 1920er Jahre. "Völkisch-national und gewaltbereit", sagt Klöckner. "Man muss wissen, unter welcher Fahne man läuft", warnt die Ministerin die Demonstrierenden vor den "Geistern, die ich rief".

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Zwei Mal hat Klöckner am Mittwoch mit den Landwirten gesprochen. In der Sache hat sie Verständnis. "Die Landwirte stehen unter einem enormen finanziellen und gesellschaftlichen Druck", sagt sie. Die Bauern würden für Umwelt- und Tierschutz verantwortlich gemacht, das bringe Familien "mental an den Rand".

Der Umbau der Landwirtschaft müsse mit Augenmaß erfolgen, um die Bauern nicht zu überfordern. Das meint auch die Ministerin. Aber ein Umbau müsse sein. Schärfere Düngevorschriften sind EU-Vorgaben geschuldet. Nationalistische Tendenzen unterstützt Klöckner nicht: "Ich werde weder den EU-Binnenmarkt aufgeben noch die WTO-Welthandelsregeln ignorieren", betonte sie am Donnerstag.

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In der Bewegung finden sich nationalistische Denkansätze 

Als Sammel-Organisation, die Bauern-Interessen bündelte, gründete sich die "Landvolk"-Bewegung in Schleswig-Holstein. Schon früh waren die Strukturen von Rechtsradikalen durchsetzt, wie die Historikerin Heidrun Edelmann in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift "Bauernblatt" vergangenes Jahr zusammenfasst.

Wilhelm Hamkens, einer der "Landvolk"-Anführer, war in der Weimarer Republik Mitglied rechtsextremer Wehrverbände, mit Beginn des Jahres 1929 wurden durch "Landvolk"-Mitglieder regelmäßig Sprengstoffanschläge auf öffentliche Einrichtungen und Behörden verübt.

Zwar sei "Landvolk" keine Parteiströmung der NSDAP gewesen, dennoch attestiert Historikerin Edelmann ihr klar "völkische, nationalistische und antisemitische Denkansätze".

Worum es heute geht, zeigt ein Blick auf den internen Telegram-Kanal von "Landvolk". Mehr als zweitausend Menschen sind Mitglieder in dem Channel. 

Auf Telegram werden neben Beiträgen der völkisch-nationalistischen "Arminius-Bewegung" auch Bilder geteilt, auf denen Corona als "Hoax" bezeichnet wird. Außerdem heißt es "die Klimaerwärmung wird nicht vom Menschen gemacht." In dem Chat finden sich auch Fotos die an die amerikanische Verschwörungserzählung "QAnon" angelehnt sind. 

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