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Glyphosat ist das Feindbild für die moderne Landwirtschaft, sagt Liam Condon. Der Manager plädiert für einen offeneren Umgang mit Innovationen. Das Bild zeigt ihn im Foyer des Bayer-Sitzes an der Müllerstraße im Wedding.

© Doris Spiekermann-Klaase

Bayer-Vorstand: "Glyphosat ist das Feindbild schlechthin"

Liam Condon ist bei Bayer für Monsanto und Unkrautvernichtungsmittel zuständig. Ein Interview über Krebs, den Absturz der Bayer-Aktien und Fake News.

Herr Condon, haben Sie Bayer-Aktien?

Ja, natürlich.

Wie viel Geld haben Sie mit Ihren Aktien seit dem Monsanto-Deal verloren?

Ganz ehrlich: Ich schaue da nicht drauf. Aktien sind eine langfristige Anlage und schwanken. Das ist so. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Bayer-Aktie auch wieder erholt.

Das hoffen die Aktionäre auch. Seit dem Jahr 2015 hat sich der Kurs der Aktie von 139 Euro auf 70 Euro fast halbiert. Wie lange halten die Anteilseigner noch still?

Es ist ein bisschen unfair, von diesem Spitzenwert auszugehen. Kurz bevor im Mai 2016 bekannt wurde, dass wir mit Monsanto über eine Übernahme sprechen, lag unser Aktienkurs bei rund 95 Euro – das wäre die richtige Vergleichsbasis. Für Investoren und Analysten werden wir am 5. Dezember einen Kapitalmarkttag veranstalten. Dort werden wir unsere mittelfristigen Ziele vorstellen und erläutern, wo es mit dem Unternehmen auch langfristig hingehen soll.

Bayer hat an der Börse seit dem Übernahmeangebot an Monsanto zehn Milliarden Euro an Wert verloren. Wird das Unternehmen nun selbst zum Übernahmekandidaten?

Das sehe ich nicht so. Wir sind mit unseren führenden Geschäften in attraktiven Wachstumsmärkten bestens positioniert. Und was den Aktienkurs angeht, gehe ich davon aus, dass sich das wieder ändern wird.

Manager sollten eigentlich den Wert des Unternehmens mehren, der Bayer-Vorstand verbrennt gerade Geld. Wie sieht man das in der Topetage?

Natürlich nehmen wir die aktuelle Kursentwicklung sehr ernst. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass wir mit der Monsanto-Übernahme viel Wert schaffen werden. Der Kursrückgang seit August ist ja nicht auf die operative Entwicklung von Bayer, sondern vor allem auf ein erstinstanzliches Urteil im ersten Glyphosat-Prozess zurückzuführen. Das hat den Kapitalmarkt verunsichert. Wir werden in Berufung gehen und sind zuversichtlich, dass das Urteil in den nächsten Instanzen aufgehoben wird. Wir haben sehr gute Argumente, und die Wissenschaft ist auf unserer Seite.

Bayer sagt, dass Glyphosat keinen Krebs verursacht und verweist dabei auf eine beeindruckende Zahl von Studien. Warum hat das Gericht Ihnen nicht geglaubt?

Der Prozess hat in einer sehr sensiblen Phase stattgefunden. Wir waren zwar auf dem Papier schon Eigentümer von Monsanto, aber aufgrund von Vorgaben des US-Justizministeriums hatten wir noch keinen Einfluss auf das Management und auf die Verteidigung vor Gericht. Das Urteil ist ein Geschworenenurteil in der ersten Instanz und ändert wirklich nichts daran, dass die Wissenschaft und Zulassungsbehörden weltweit Glyphosat seit mehr als 40 Jahren bei sachgemäßer Anwendung für sicher halten. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass das Urteil keinen Bestand haben wird.

Allein in den USA sind 8700 weitere Klagen anhängig. Wie viel Geld haben Sie in Ihrer Kriegskasse für die rechtlichen Risiken?

Wir sind im industrieüblichen Umfang versichert und haben Rückstellungen für die Verteidigungskosten gebildet.

Rechnen Sie auch in Deutschland mit Klagen?

Wir können nicht vorhersagen, ob und in welchem Umfang außerhalb der USA Klagen eingereicht werden. Darüber möchte ich nicht spekulieren.

"Glyphosat ist das Feindbild schlechthin"

Ein französischer Bauer sprüht Glyphosat auf sein Feld
Ein französischer Bauer sprüht Glyphosat auf sein Feld

© AFP/Jean-Francois MONIER

Monsanto-Vertreter haben früher vor den Farmern Glyphosat getrunken, um zu zeigen, dass das Unkrautvernichtungsmittel unschädlich ist. Wollen Sie das nicht auch mal machen?

Nein. Aber ich würde ja auch keine Seife essen, um zu zeigen, dass sie harmlos ist.

Glyphosat killt in der Pflanze alles Grün, das mit ihm in Berührung kommt. Insekten und Vögel finden keine Nahrung und sterben. Deshalb will die Bundesregierung den Einsatz von Glyphosat einschränken. Zu Recht?

Nein, Glyphosat ist das Feindbild schlechthin für alle, die die moderne Landwirtschaft grundsätzlich ablehnen. Einzelne Politiker versuchen daher mit diesem sehr emotional aufgeladenen Thema einfache Punkte bei den Wählern zu machen. Glyphosat ist ein sicheres, effizientes und seit Jahrzehnten etabliertes Mittel für Landwirte, um Ernten zu sichern. Ohne Glyphosat wäre die Unkrautbekämpfung schwieriger und weniger nachhaltig – Landwirte müssten mehr pflügen, was den Boden und damit die Biodiversität schädigt. Wer für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist, müsste sich für Glyphosat einsetzen, anstatt den Ausstieg zu fordern. Dass viele derjenigen, die Ernteschutzmittel wie Glyphosat ablehnen, auch gegen Gentechnik oder die Digitalisierung der Landwirtschaft vorgehen, zeigt ja die Absurdität der Debatte. Beide Bereiche können zu einer deutlichen Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln beitragen, werden aber trotzdem bekämpft.

Bayer, ein deutsches Traditionsunternehmen, produziert im Agrargeschäft Pflanzenschutzmittel und gentechnisch verändertes Saatgut, das die Gesellschaft ablehnt. Passen Sie noch nach Deutschland?

Ja, denn Deutschland braucht innovative Unternehmen, die mehr Nachhaltigkeit fördern. Aber in der Tat sind die Menschen zum Beispiel in den USA sehr viel offener für Innovationen. Auch in Lateinamerika und Asien wollen die Bauern unsere Produkte, weil sie damit ihre Erträge steigern können. In Deutschland wird dagegen viel über moderne Landwirtschaft gestritten, obwohl nur noch ein Prozent der Menschen in der Landwirtschaft arbeitet und kaum jemand wirklich weiß, mit welchen Herausforderungen die Bauern Tag für Tag kämpfen. Ähnlich wie beim Fußball. Alle meinen, mitreden zu können, aber nur wenige kennen sich wirklich aus. Viele Menschen in Deutschland verlangen richtigerweise nach mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft, kaufen aber dann zugleich Lebensmittel, die mit großem Aufwand aus dem Ausland importiert werden.

Was meinen Sie?                        

95 Prozent der Biopaprika und 88 Prozent der Biotomaten kommen aus dem Ausland, meist aus Südspanien oder Nordafrika. Der Anbau benötigt wahnsinnig viel Wasser, aber Wasser ist in diesen Ländern knapp. Also wird das Grundwasser aus großer Tiefe hochgepumpt. Dann werden Obst und Gemüse mit Lastwagen oder sogar per Flugzeug auf den langen Weg nach Deutschland geschickt, und  die Anhänger von Bio-Lebensmitteln kaufen sie mit gutem Gewissen im Supermarkt. Das ist doch absurd und auf jeden Fall nicht nachhaltig.

"Wir verklagen keine Kleinbauern"

Vertrocknete Erde auf einem Acker in Bayern
Vertrocknete Erde auf einem Acker in Bayern

© dpa/Daniel Karmann

Die Dürre im Sommer hat vor allem den Monokulturen geschadet. Ist das nicht ein Beweis dafür, dass Sie falsch liegen?

Im Gegenteil. Die extreme Trockenheit in diesem Sommer hatte bekanntlich große Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft. Flächenkulturen wie Getreide hat es besonders hart getroffen. Genau dieses Beispiel zeigt ja, wie dringend wir Innovationen in der Landwirtschaft brauchen. Gentechnik oder auch das viel diskutierte CRISPR/Cas-Verfahren können dazu beitragen, Pflanzen zu züchten, die nicht nur resistent gegen Schädlinge und Krankheiten sind, sondern auch gegen Trockenheit und Hitze. Wollen wir die Folgen des Klimawandels bewältigen, können wir es uns nicht leisten, aus ideologischen Gründen auf den Fortschritt verzichten.

Geht das zusammen mit Monsanto leichter?

Auf jeden Fall. Wir können Saatgut und Pflanzenschutzmittel besser aufeinander abstimmen und auch unsere Beratung verbessern. Jedes Feld ist anders und braucht individuelle Lösungen, um den besten Ertrag zu sichern und gleichzeitig natürliche Ressourcen zu schonen.

Monsanto gehört in Deutschland zu den meist gehassten Unternehmen. Mussten Sie die wirklich kaufen? Dem Bayer-Image hat das sehr geschadet.

Da muss ich Ihnen widersprechen. Ja, Monsanto hat ein schlechtes Image, vor allem in Deutschland und Frankreich. Wir sind aber in weit über 100 Ländern tätig und außer in den beiden genannten Ländern, sehen wir nirgends nennenswerte negative Auswirkungen auf die Reputation von Bayer. Wir haben Monsanto gekauft, weil es ein erstklassiges Biotechnologie-Unternehmen ist.

Was sind die Hauptmärkte von Monsanto?

Nord- und Lateinamerika. Diese Regionen ernähren mit ihren Exporten die Welt.

Aber ist Monsanto nicht vor allem in Lateinamerika verpönt, weil die Bauern unter unfairen Knebelverträgen leiden?

Wenn ich vor Ort mit Kleinbauern spreche, dann treibt die vor allem um, wie sie Zugang zu besserem Saatgut bekommen - und damit auch zu einem besseren Leben. Die Mär der Knebelverträge stimmt einfach nicht. Jeder Landwirt entscheidet frei, von wem er was bezieht. Und eines muss ich jetzt wirklich mal klarstellen: Kleinbauern, die aus dem von uns gekauften Saatgut neues Saatgut allein für ihren eigenen Gebrauch gewinnen, verklagen wir grundsätzlich nicht.

Was ändern Sie an Monsantos Geschäftspolitik?

Monsanto hat sich in der Vergangenheit sehr stark auf die Kommunikation mit seinen Kunden, den Landwirten, konzentriert und zu wenig den Austausch mit der breiten Öffentlichkeit gesucht. In Europa ist das Unternehmen zudem mit seinem genveränderten Saatgut auf Widerstand gestoßen und hat sich kommunikativ entsprechend zurückgezogen. Das ändern wir gerade und suchen verstärkt den Austausch mit der Öffentlichkeit.

Wo finden Sie eher Gehör? Bei Agrarministerin Klöckner oder bei Umweltministerin Schulze?

Sagen wir mal so: Wir plädieren leidenschaftlich dafür, dass wichtige Entscheidungen nicht auf Basis von Emotionen oder Ideologien, sondern auf Grundlage anerkannter wissenschaftlicher Fakten getroffen werden.

Liam Condon (50) ist viel unterwegs. Der Bayer-Vorstand ist für die Pflanzenschutzsparte des Dax-Konzerns und damit für die Integration von Monsanto zuständig. Bayer hatte den US-Saatguthersteller für 63 Milliarden Dollar gekauft, das ist die teuerste Übernahme, die ein deutsches Unternehmen jemals gemacht hat. Ob der Deal zu einem Erfolg wird, muss sich zeigen. Im August hatte ein Geschworenengericht in Kalifornien einem krebskranken Platzwart Schadensersatz zugesprochen und seine Krankheit auf das von Monsanto verkaufte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zurückgeführt. Der Börsenkurs ist seitdem im Keller. Condon versucht, zwischen Deutschland und den USA zu vermitteln. Bayer kennt er in- und auswendig. Seine Karriere begann bei Schering, Condon war für die Pharmafirma in Japan. Gute Sprachkenntnisse und eine große Ausdauer zeichnen den gebürtigen Iren aus: Der Langstreckenläufer spricht neben Japanisch Englisch, Deutsch, Französisch und Mandarin.

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