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Im Mai 2017 kam hoher Besuch nach Kamenz, 50 Kilometer südlich von Dresden, um mit Daimler-Chef Dieter Zetsche den Grundstein für eine Batteriefabrik zu legen. Was dagegen die Fertigung von Batteriezellen anbelangt, hat Zetsche die Politik schon häufiger geärgert.

© Reuters

Batteriezellen aus Deutschland: Bundesregierung lockt Chinesen

Der Zellhersteller CATL prüft den Bau einer Fabrik in Thüringen oder Brandenburg. Die deutsche Industrie hält sich bei der Schlüsseltechnologie noch immer zurück.

Schon wieder Dieter Zetsche. Vor ein paar Jahren scheiterte der Versuch einer Handvoll Unternehmen, hierzulande eine Batteriezellenfertigung auf die Beine zu stellen, unter anderem an Querschüssen des Daimler-Chefs. Und nun ging mit der sächsischen Litarion GmbH ein großer Hersteller von Komponenten für Lithium-Ionen-Zellen pleite, weil Zetsche eine Auffanglösung blockierte. Appelle von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an den Daimler-Boss gingen ins Leere. Der Eigentümer der Immobilie in Kamenz - die Daimler-Tochter Li-Tec – verweigerte den möglichen Litarion-Übernehmern einen Mietvertrag. Der Insolvenzverwalter musste daraufhin den Betrieb einstellen und 120 Beschäftigten kündigen.

Daimler baut die Batteriemontage aus

Zetsche begründete die Verweigerung der Vermietung der Hallen mit dem Argument, der Konzern brauche die Kapazität womöglich irgendwann selbst für seine Tochterfirma Deutsche Accumotive, die in Kamenz seit 2009 Batterien für Elektroautos montiert. Derzeit baut die Firma für 500  Millionen Euro eine zweite Fabrik in Kamenz, sodass in absehbarer Zeit die Hallen der Litarion nicht gebraucht werden. Aber wer weiß schon, was in zehn Jahren ist.

Litarion ist jedenfalls Geschichte und damit erfahren die Bemühungen, hierzulande Batteriezellen für das elektromobile Zeitalter herzustellen, einen weiteren Rückschlag. Die Zelle ist der Kern der Batterie und die Batterie ist der wertvollste Teil des Elektroautos. Bislang werden die Zellen für die Autobatterie ausschließlich in Asien gebaut, und wenn das so bleibt, fehlt in der Wertschöpfungskette ein wichtiges Glied; ausgerechnet in Deutschland, dem Autostandort schlechthin. Mercedes und BMW, VW, und Audi wollen selbst keine Zellen bauen, sondern die Teile kaufen und dann zu Batterien montieren. Und die großen Autozulieferer scheuen die Investitionen von bis zu 20 Milliarden Euro, die jedenfalls aus Sicht von Bosch erforderlich wären, um den Vorsprung der Asiaten aufzuholen. Deshalb hat sich der Weltmarktführer Bosch sogar aus der Zellforschung zurückgezogen. Und die Nummer zwei, Conti, will erst 2020 entscheiden, ob man in die Zellfertigung einsteigt.

Das Konsortium Terra E tritt auf der Stelle

Auch ein Zusammenschluss von fast 20 Unternehmen kommt nicht in die Gänge. Das Konsortium von Maschinen- und Anlagenbauern sowie Zellverarbeitern hatte sich vor einem Jahr unter dem Namen Terra E gebildet, um eine Zellfertigung in Sachsen in Angriff zu nehmen. Die Gruppe, zu der auch Thyssen-Krupp, Streetscooter und Manz gehören, steckt im Planungsstadium fest. Es fehlt schlicht ein Investor und ein Finanzierungsmodell für die bis zu vier Milliarden Euro teure Fabrik.

Derweil wird die Politik immer ungeduldiger. Eine halbe Milliarde Euro Steuergelder ist in den vergangenen zehn Jahren in die Batterieforschung geflossen und mindestens eine weitere halbe Milliarde ist für eine Forschungsfabrik rund um die Zellfertigung vorgesehen. Aber wozu das alles, wenn es am Ende keine großindustrielle Zellfertigung hierzulande gibt und asiatische Hersteller den Markt dominieren? Die aktuelle Hoffnung der Wirtschaftspolitiker kommt aus China und heißt CATL. Der erst sieben Jahre alte Batterie- und Batteriezellenhersteller ist Marktführer auf dem größten Automarkt und will nun raus in die Welt, vor allem nach Europa, am besten nach Deutschland.

Der CATL-Chef war im Kanzleramt

Politiker, Ministerialbeamte und Wirtschaftsförderer aus den Bundesministerien für Wirtschaft und Wissenschaft sowie aus Brandenburg und Thüringen versuchen seit Monaten, die Chinesen von den Vorzügen des Standorts Deutschland zu überzeugen. Die Nähe zu großen Herstellern ist wichtig, ebenso die Qualität der Fachkräfte sowie der Wissenschaftsszene. Abschreckend wirken dagegen die hohen Kosten für Energie und Arbeit, weshalb die CATL-Manager auch Standorte in Polen oder Ungarn in Erwägung ziehen. Vor rund zwei Wochen war der CATL-Chef in Berlin und hat sich von Helge Braun, dem Chef des Kanzleramtes, versichern lassen, wie hoch willkommen die Chinesen hierzulande wären.

Die Politik sieht in CATL so etwas wie einen Knotenlöser. Sollten die Chinesen hierzulande Zellen bauen, dann werden auch deutsche Unternehmen, Autohersteller sowie -zulieferer, in die Schlüsseltechnologie investieren. Auch aus Eigeninteresse, denn der Bedarf wird vermutlich enorm sein, allein der VW-Konzern braucht 2025 die Kapazität von vier großen Zellfabriken – sofern der Konzern dann tatsächlich eine Million Autos baut. Und nach jetzigem Stand gibt es bis dahin maximal eine Handvoll Zellenhersteller, vor allem die südkoreanische LG Chem, dazu CATL, Panasonic und Samsung. Wenige Anbieter sind gefährlich für die Autohersteller, weil die Unternehmen dann hohe Preise durchsetzen können.

Altmaier will unbedingt eine Zellfertigung

„Wir bauen in jedem Fall eine Zellfabrik“, hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier neulich im kleinen Kreis gesagt. Der Attentismus der Konzerne geht der Regierung schon lange auf den Geist, doch bislang hat man keinen Hebel gefunden. Also fließt erst mal viel Geld in eine Forschungsfabrik. Eine entsprechende Vorlage liegt im Kanzleramt und soll Ende Juni ins Kabinett. Wenn es so kommt, wie Wirtschafts- und Forschungsministerium planen, dann gibt es im Haushaltsjahr 2019 rund 600 Millionen Euro für eine Zukunftsfertigung, angedockt an die Fraunhofer-Gesellschaft. Schon jetzt wetteifern Lobbyisten aus allen möglichen Bundesländern um die Forschungseinrichtung, über deren Standort Anfang nächsten Jahres die Würfel fallen. Jetzt steht erst mal die Entscheidung von CATL an. „Das wäre sehr bitter, wenn die nicht kommen“, heißt es in der Bundesregierung.

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