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Auf einen Wisch. Heizung, Licht, Rollläden, Türschlösser, Alarmanlage – mit modernen Systemen lassen sich ganze Häuser über eine App steuern.

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Smart Home - das vernetzte Haus: Das Internet der Dinge oder wenn das Zuhause schlau wird

Sprechende Staubsauger, intelligente Kühlschränke, selbststeuernde Heizungen – bald werden viele Hausgeräte und -technik miteinander vernetzt sein. Datenschützer haben Bedenken.

Nein, die Henne-Ei-Frage kann auch der „Egg Minder“ nicht beantworten. Aber die unscheinbare Plastikkiste kann mitteilen, welches Ei im Kühlschrank das frischeste ist und von welchem man eher die Finger lassen sollte. Das ist immerhin mehr als herkömmliche Eierkisten im Kühlschrank können. Und es ist die Zukunft in der Gegenwart. Seit rund zwei Jahrzehnten versuchen Unternehmen, Verbrauchern unter dem Schlagwort „Smart Home“ vernetzte Anwendungen im Haushalt schmackhaft zu machen.

Von Kühlschränken, die Milch nachbestellen, ist da die Rede, von Staubsaugern, die erkennen, wo es besonders schmutzig ist, von Türschlössern, die blockieren, sobald alle Bewohner das Haus verlassen haben. Was nach Einfällen aus einem Science-Fiction-Film klingt, ist längst möglich – und teilweise im Handel zu bekommen. Die schöne neue Produktwelt hat bisher allerdings einen gravierenden Schönheitsfehler: Es fehlen die Kunden, wie nicht einmal Branchenvertreter bestreiten. „In den vergangenen Jahren sind die Versuche, Smart Home einer breiten Masse zugänglich zu machen, gescheitert“, sagt Michael Schidlack, Smart-Home-Experte beim IT-Branchenverband Bitkom.

Der Durchbruch steht kurz bevor, sagen Analysten

Doch dieses Mal soll es anders sein. 2014, da sind sich Analysten einig, sind die Chancen für den Durchbruch der vernetzten Haushaltshelfer größer als jemals zuvor. Tatsächlich hat sich ein Teil der angekündigten Revolution bereits fast unbemerkt vollzogen. Mehr als 75 Prozent der Umsätze bei Unterhaltungselektronik und IT-Produkten wurden 2013 mit vernetzungsfähigen Geräten gemacht, schätzt der Bitkom. Insbesondere über internetfähige Fernsehgeräte findet die Technologie Einzug in die Wohnzimmer. Der unabhängige Digital-Experte Ralf Kaumanns verdeutlicht das Kalkül der Hersteller: „Dass der Fernseher sich mit dem Internet verbinden kann, spielt für die Kunden zunächst keine Rolle. Aber er kann es und die Verbraucher werden es irgendwann nutzen.“

Was bei Unterhaltungselektronik also fast Standard ist, trifft auf Waschmaschinen, Kaffeeautomaten, Staubsauger noch lange nicht zu. „Bei Hausgeräten ist der Anteil noch gering, aber der Markt wächst schnell“, gibt sich Branchenexperte Schidlack zuversichtlich. Ermöglichen soll das die rasante Entwicklung bei Sensoren und Steuerungen, die das Herz der neuen Geräte sind. Durch sie bekommt das Internet praktisch Sinne: Sehen, Hören, Fühlen – die Geräte können sich auf ihre Besitzer einstellen, ihre Gewohnheiten lernen und entsprechend reagieren. Sie können Hilfe rufen, wenn sich tagelang in der Wohnung nichts bewegt, jemand Unbefugtes sich Zutritt verschafft oder ein Feuer ausbricht.

Bald können alle Geräte miteinander kommunizieren

Die nötigen Chips sind inzwischen erschwinglich. Bosch hat Ende vergangenen Jahres eine Tochterfirma für das so genannte Internet der Dinge gegründet und verkauft beispielsweise Sensortechnik, die in Fenstern und Haustüren bei Einbrüchen Alarm schlägt. In entsprechender Stückzahl hergestellt, kostet solch ein Sensor nach Unternehmensangaben gerade mal einen Dollar. Und durch den neu eingeführten Internetstandard IPv6 ist die Zahl der IP-Adressen – eine Art Internet-Nummernschild – ins schier Unendliche gewachsen. Künftig bekommt nicht nur jeder Computer, jedes Tablet, jedes Smartphone eine solche individuelle Adresse, sondern praktisch jeder Gegenstand vom Toaster bis zum Auto. „Wir denken, dass in naher Zukunft – sagen wir in fünf bis sechs Jahren – jedes neue Gerät im Haushalt mit anderen kommunizieren kann“, prognostiziert Schidlack. Der US-Netzwerkspezialist Cisco schätzt, dass es im Jahr 2020 weltweit 50 Milliarden internetfähige Dinge gibt. 2010 sollen es erst 12,5 Milliarden gewesen sein.

Google will in dem Markt eine wichtige Rolle spielen

Eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg von Smart-Home-Lösungen ist die Steuerung über mobile Endgeräte. Knapp zwei Drittel der Deutschen besitzen ein Smartphone, ein Tablet-Computer ist in knapp 30 Prozent der Haushalte vorhanden. „Insbesondere jene Anbieter werden künftig eine dominierende Stellung am Markt einnehmen, die möglichst viele Geräte möglichst einfach für Smart-Home-Lösungen nutzbar machen“, schreibt Andreas Gentner von der Beratungsfirma Deloitte in einer Studie.

Gefragt ist also eine einheitliche Plattform, über die Geräte verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren können. Das haben auch die großen Konzerne erkannt. Mitte Januar kaufte Google für 3,2 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) die mittelständische US-Firma Nest Lab. Das Unternehmen stellt smarte Thermostate und Rauchmelder her. Für den Suchmaschinenbetreiber Google ist es der Einstieg in das Internet der Dinge. „Die Heizungssteuerung ist dabei eigentlich nur Mittel zum Zweck“, sagt Digital-Experte Kaumanns. Entscheidend sei, wie sich solche Geräte mit bestehenden Google-Services verknüpfen lassen. Das Gerät regelt dann eben nicht nur die Temperatur, sondern sucht auch zugleich den günstigsten Energieanbieter. „Es geht für Google darum, das Betriebssystem Android auf möglichst viele Geräte zu bekommen, also eine Präsenz zu schaffen“, erläutert Kaumanns. Ähnlich denkt auch die Samsung-Führung. Der Konzern, der auch Haushaltsgeräte herstellt, startete vor kurzem seine eigene Smart-Home-Plattform, offen für Programmierer. Und auch die Telekom bietet seit vergangenem Jahr eine Smart-Home-Steuerung an – Einstiegspreis 300 Euro. Deloitte erwartet 2017 in Europa einen Smart-Home-Umsatz von 4,1 Milliarden Euro. Im abgelaufenen Jahr lag er demnach bei 1,7 Milliarden Euro.

Mit den vernetzten Geräten bekommen die Hersteller zumindest theoretisch Zugriff auf ganz neue Kundendaten. Verbraucherschützer sind deshalb alarmiert. „Selbstverständlich kann es bequem und angenehm sein, die Steuerung komplexer Vorgänge im Haushalt letztlich von außen erledigen zu können“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Doch er hat Sorge vor einem gläsernen Zuhause. „Ob wir in den Trinknapf des Hundes genug Wasser gegeben haben, wie lange der Fernseher läuft und welches Programm wir dabei schauen, ob die Toilettenspülung betätigt wird und wie oft, welche Temperatur zu welcher Zeit in den Räumen herrscht, ob Raucher anwesend sind oder sich verderbliche Waren im Kühlschrank befinden.“ Die Daten könnten dann zu Werbezwecken genutzt werden oder – was noch schlimmer sei – Geheimdiensten in die Hände fallen. „Am Ende dieser Entwicklung kennen andere uns besser als wir selbst“, fürchtet Caspar.

IT-Lobbyist Schidlack wiegelt ab. „Hierzulande können sich Kunden auf den gesetzlich geregelten Datenschutz verlassen.“ Und bei einigen Sicherheitsaspekten, etwa der Passwortlänge der verschiedenen Smart-Home-Dienste, hätten die Kunden selbst die Kontrolle.

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