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Überlastete Autobahn. Eine höhere Lkw-Maut könnte auch zu leereren Straßen führen.

© Robert Michael/dpa

Gesetzentwurf zur LKW-Maut: Das Mögliche nicht ausgeschöpft

Eine Erhöhung der Lkw-Maut könnte dem Staat Milliarden bringen und den Umstieg auf die Bahn fördern.

Die deutsche Lkw-Maut auf Bundesfernstraßen ist im internationalen Vergleich niedrig und deckt nur einen kleinen Teil der wirklichen Kosten des umweltbelastenden Lastwagenverkehrs. Eine höhere und deutlich ausgeweitete Maut würde dem Bund allein im Jahr 2025 rund 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen, um nachhaltige Mobilität zu fördern. 2030 könnten sogar 17 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse fließen. Das geht aus einer neuen Studie des Beratungsunternehmen Infras aus Zürich hervor.

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Die Experten aus der Schweiz, die mit hohen Schwerverkehrsabgaben eine massive Verlagerung von Lkw-Transporten auf die Bahn erreichte, haben das „Konzept für eine verkehrswendefreundliche Lkw-Maut“ im Auftrag des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen erstellt. Das NEE vertritt zahlreiche Güterbahnen, die sich von der deutschen Verkehrspolitik benachteiligt sehen. Enttäuscht ist die Branche auch über den ersten Referentenentwurf von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur 5. Novelle des Bundesfernstraßenmautgesetzes, für den derzeit die Verbändeanhörung läuft.

Der erste Entwurf ist zu moderat, sagen Kritiker

Demnach ist mit der Novelle lediglich eine moderate Erhöhung der Lkw-Maut von 2023 bis 2027 um durchschnittlich 665 Millionen Euro pro Jahr geplant. 2021 betrugen die Mauteinnahmen 7,64 Milliarden Euro. Die Belastung für Straßentransporte ändere sich nur geringfügig, der Verlagerungseffekt auf andere Verkehrsträger dürfte eher gering sein, räumt das Ministerium im Entwurf selbst offen ein. Für die gewünschte Verkehrswende hin zu mehr Bahnverkehr bringt diese moderate Erhöhung daher wenig.

Für NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger springt der Minister mit seiner Vorlage „deutlich zu kurz und auch noch in die falsche Richtung“. Sein Verband ist enttäuscht, dass weiterhin leichtere Lkw keine Maut zahlen sollen, Klimabelastungen noch immer nicht eingerechnet werden und 94 Prozent des Straßennetzes von den Abgaben befreit bleiben, während auf der Schiene für jeden Transport sofort Trassengebühren fällig werden. „Diese Ungleichbehandlung muss ein Ende haben“, fordert Westenberger.

Der Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nutzt seine Spielräume nicht, sagt die Güterbahnbranche.
Der Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nutzt seine Spielräume nicht, sagt die Güterbahnbranche.

© Imago

Tatsächlich sieht auch der vorigen Dezember vereinbarte Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vor, dass der Straßengüterverkehr zeitnah deutlich stärker belastet werden soll. In Zeile 1558 ff. heißt es dort, dass 2023 die Lkw-Maut nach CO2-Ausstoß differenziert und ein CO2-Zuschlag eingeführt werden soll. Außerdem sollen alle Lkw ab 3,5 Tonnen einbezogen werden, bisher muss erst ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht gezahlt werden. Zudem soll die Lkw-Maut im Vor- und Nachlauf des kombinierten Verkehrs entfallen, also bei der Umladung auf Güterzüge.

Die Umsetzung dieser Vorgaben benötige jedoch einen längeren zeitlichen Vorlauf, argumentiert das Ministerium im aktuellen Entwurf. Die Maßnahmen würden daher in einem separaten Änderungsgesetz geregelt. Wann dieses Gesetz kommen soll, lässt das Haus Wissing offen. Bis dahin profitieren Straßentransporte weiter von der begrenzten Maut.

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Die Güterbahnen sehen darin eine krasse Wettbewerbsverzerrung. Denn bereits seit der Bahnreform 1994 werden auf fast dem gesamten Schienennetz für Transporte und das Abstellen von Zügen Nutzungsentgelte fällig. Die streckenbezogene Lkw-Maut wird dagegen erst seit 2005 auf Autobahnen erhoben und erst seit 2018 auf allen 40 000 km Bundesfernstraßen. Alle übrigen Straßen aber seien bis heute mautfrei und auch das Abstellen von Lastwagen im öffentlichen Raum meist kostenlos, kritisiert das NEE.

Dessen Vorsitzender Ludolf Kerkeling und Geschäftsführer Peter Westenberger empfehlen Wissing, das Infras-Konzept für eine Überarbeitung des Gesetzentwurfes zu nutzen. Demnach verursacht der Lkw-Verkehr ab 3,5 Tonnen in Deutschland hohe externe Kosten, die bisher von der Allgemeinheit und der öffentlichen Hand getragen werden. Allein für 2017 berechnet Infras diese Kosten auf 21 Milliarden Euro, darunter 7 Milliarden für Klimafolgen wegen schädlicher Emissionen, 2,8 Milliarden wegen Unfällen und 2,4 Milliarden durch Verlust von Ökosystemen.

Auch für die Klimafolgen sollte bezahlt werden

Die deutsche Lkw-Maut deckt der Studie zufolge bisher nur die Infrastrukturkosten sowie Kosten für Luftverschmutzung und Lärm teilweise. Die Autorinnen Anne Greinus und Maleika Wörner raten daher zu deutlich weitergehenden Maßnahmen als von der Koalition geplant:

Erstens sollte die Lkw-Maut auf dem gesamten Straßennetz erhoben werden. Auch der Einbezug von Lieferwagen unter 3,5 Tonnen sei zu prüfen.

Zweitens sollten die bisher ungedeckten externen Kosten vollständig in die Mautberechnung einbezogen werden, bei den Klimafolgen ermögliche das nun die EU-Wegekostenrichtlinie.

Drittens sollten jährliche Staukosten von 4 Milliarden Euro über eine Staugebühr für überlastete Straßen ausgeglichen werden. Auch das erlaube die neue EU-Richtlinie. Die Staugebühr solle für alle Fahrzeugklassen eingeführt werden, also auch Pkw. Viertens sollte auf vollständige Mautbefreiung alternativ angetriebener Lkw, zum Beispiel Gasmotoren, verzichtet werden. Und fünftens sollten Mauteinnahmen wie in der Schweiz teils zum Ausbau der Bahn genutzt werden.

Luftverschmutzung durch Lkws soll seinen Preis haben.
Luftverschmutzung durch Lkws soll seinen Preis haben.

© Imago

Infras hat berechnet, wie hoch die Maut im Schnitt sein müsste, um die externen Kosten zu decken, wenn für alle Lkw ab 3,5 Tonnen gezahlt würde. Demnach wären 31,6 Cent je Kilometer fällig. Davon entfallen 13,4 Cent auf die Deckung der Infrastrukturkosten, 5,1 Cent auf Klimakosten, 3,5 Cent auf Natur und Landschaftsverbrauch, 3,2 Cent auf Luftverschmutzung, 2,7 Cent auf Lärm und 1,2 Cent auf Unfallkosten. 2018 betrug die deutsche Lkw-Maut im Schnitt 13,7 Cent, 2020 waren es 18,4 Cent.

Mit der vorgeschlagenen Weiterentwicklung der Maut könnte der deutsche Staat seine Einnahmen allein 2025 von 8 auf 23 Milliarden Euro fast verdreifachen, so die Experten. Gleichzeitig würden die mautpflichtigen Lkw-Fahrleistungen um jährlich 6 bis 7 Prozent sinken und so auch Emissionen, Lärm- und Unfallkosten geringer werden. Weniger Lkw-Verkehr reduziere zwar auch Staatseinnahmen aus Umsatz- und Energiesteuer, der Verlagerung von Fracht auf die Bahn bringe aber einen Ausgleich.

Die Konsumpreise würden durch die höheren Lkw-Transportkosten nicht dramatisch steigen, erwartet Infras. Bier aus Bayern, das per 40-Tonner mautpflichtig fast 800 km nach Hamburg gefahren werde, verteuere sich nur um 0,6 Prozent pro Halbliterflasche – konkret in Zahlen: um lediglich 0,7 Cent.

Was die neue EU-Änderungsrichtline erlaubt

Die Maut für Lastwagen ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht bringt seit 2005 viel Geld in die Staatskasse. Allein voriges Jahr kassierte der Bund für Transporte auf den Bundesfernstraßen 7,64 Milliarden Euro. Und künftig kann Finanzminister Christian Lindner mit noch höheren Erlösen rechnen. Die Mauteinnahmen sollen von 2023 bis 2027 weiter moderat steigen, von 8,02 auf 8,61 Milliarden Euro. So sieht es Verkehrsminister Volker Wissing im Entwurf zur Änderung des Mautgesetzes vor.

In den kommenden fünf Jahren würden sich damit die Einnahmen auf insgesamt 41,52 Milliarden Euro summieren. Grundlage für die Lkw-Maut sind EU-Vorgaben, wonach sich Nutzungsgebühren an den Kosten für Bau, Betrieb und Instandhaltung von Verkehrswegen orientieren sollen. Die jeweiligen Mautsätze werden durch Wegekostengutachten ermittelt. Auch externe Kosten für Luftverschmutzung und Lärmbelastung durch Verkehr dürfen nach der neuen EU-Änderungsrichtlinie 2022/362 nun in tatsächlicher Höhe eingerechnet werden. Diese Spielräume würden genutzt, heißt es im Entwurf.

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