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Im nordrhein-westfälischen Monheim hat man mit diesem Bus schon Erfahrungen gesammelt – mit Aufpasser an Bord.

© Oliver Berg/dpa

Autonomes Fahren: Die Skepsis überwiegt

Befürworter autonomen Fahrens versprechen weniger Unfälle, zuverlässigeren Verkehrsfluss. Die Bürger sind schwer zu überzeugen.

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Das ist eines der großen Versprechen, das mit dem autonomen Fahren gegeben wird – und das auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) immer wieder betont. In technischem Fortschritt sieht der Minister „aktive Unfallverhütung“.

Es gehe darum, das Fahren sicherer zu machen, hob auch Tobias Miethaner unter Verweis auf diverse Studien am Dienstag beim digitalen VDV-Digitalgipfel hervor. Miethaner leitet im Bundesverkehrsministerium die Abteilung Digitale Gesellschaft, die den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland voranbringen soll.

Die Skepsis überwiegt

Nicht alle teilen die Begeisterung der Bundesregierung für die Technologie. In der Bevölkerung werden Robofahrzeuge durchaus kritisch gesehen. Nicht einmal ein Drittel glaubt, dass autonom fahrende Fahrzeuge den Verkehr sicherer machen, wie eine exklusive Civey-Umfrage für Tagesspiegel Background unter 2500 Deutschen zeigt, die Anfang Februar online ihre Stimme abgaben. Die Mehrheit geht sogar davon aus, dass das Gegenteil der Fall ist. Weitere 13,5 Prozent sind unentschieden, wenn es um die Sicherheit geht.

Ungeklärte Haftungsfragen

Was die Zuverlässigkeit angeht, ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier überwiegt die Skepsis. Nur knapp 30 Prozent erwarten, dass autonome Fahrzeuge den Verkehr zuverlässiger oder eher zuverlässiger steuern können. Rund 55 Prozent rechnen damit, dass es anders herum ist.

Ein noch höheres Risiko als in der Unfallgefahr sehen die Deutschen laut Umfrage in ungeklärten Haftungsfragen. 63 Prozent der Befragten sehen darin die größte Unsicherheit, gefolgt vom Datenschutz (36,1 Prozent). Andere Bedenken spielen in der öffentlichen Wahrnehmung indes kaum eine Rolle. So glauben nur 9,2 Prozent der Deutschen, dass durch den Energieverbrauch computergesteuerter Fahrzeuge Probleme entstehen könnten. Auch die Angst vor verstopften Straßen durch Robofahrzeuge ist gering.

Mobilitätsforscher sehen das anders

Mobilitätsforscher sehen das anders. Automatisiertes Fahren könnte die Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße erhöhen, warnt beispielsweise Agora Verkehrswende. In einer anderen Studie kommt der Berliner Thinktank zu dem Schluss, dass der Stromverbrauch der Fahrzeuge die Effizienz bedroht.

Welche Auswirkungen KI-gesteuerte Fahrzeuge tatsächlich auf den Verkehr haben werden, lässt sich heute schwer absehen. „Das ist ein Blick in die Glaskugel“, gibt Miethaner aus dem Verkehrsministerium zu. Aufgabe der Politik sei es, einen rechtlichen Rahmen zu setzen, mit dem sich Rebound-Effekte möglichst verhindern lassen.

Deutschland als Vorzeigeland

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Deutschland beim autonomen Fahren zum Vorzeigeland machen. Kein anderes Land erlaubt derzeit Robofahrzeuge im Regelverkehr. Am Mittwoch befasste sich das Kabinett mit einem entsprechenden Gesetzentwurf.

Demnach sollen neben Kleinbussen im ÖPNV auch Lkw fahrerlos unterwegs sein dürfen, etwa um „die Post- oder Dokumentenverteilung zwischen verschiedenen Standorten“ zu vereinfachen, heißt es in dem Papier, das Tagesspiegel Background vorliegt. Ebenso soll das selbstständige Einparken erlaubt werden, wie es heute bereits Mercedes in Stuttgart auf der Basis einer Ausnahmegenehmigung praktiziert.

Viele offene Fragen

Doch es gibt noch viele offene Fragen. Opposition, Verbände und der Autoindustrie kritisieren den vorliegenden Entwurf scharf. Und auch innerhalb der Bundesregierung gab es zuletzt Zoff zwischen den zuständigen Ressorts. Dieser scheint nun zumindest vertagt, um den Gesetzentwurf auf den letzten Drücker durch das Kabinett zu bringen. Wenn das Kabinett diesen Monat kein grünes Licht gibt, wird es mit dem Vorhaben in dieser Legislatur wohl nichts mehr, denn auch die EU muss noch zustimmen.

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Die von der Bevölkerung kritisch gesehene Haftungsfrage ist einer der Knackpunkte im aktuellen Entwurf. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht noch erheblichen Klärungsbedarf. Die Verordnung aus dem Ministerium regle diese zentrale Frage nicht ausreichend, kritisierte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen im „Spiegel“ vor wenigen Tagen.

Streit um Daten

Auch beim Thema Daten gibt es weiterhin Streit. Der Deutsche Städtetag drängt, diese Fragen zügig zu klären: „Zum Beispiel, wer die Daten nutzen und weiterverarbeiten darf, die autonom fahrende Fahrzeuge liefern“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

Er glaubt, dass Städte und Kommunen von diesen Informationen profitieren würden. „Solche Fahrzeugdaten könnten gut für den Klimaschutz und einen effizienten Verkehr vor Ort eingesetzt werden. Dafür brauchen wir eine klare gesetzliche Regelung“, fordert er.

Kritik besteht weiterhin

Der aktuelle Gesetzesentwurf zeichne sich „durch eklatante Mängel im Umgang mit Daten aus“, kritisiert auch Mario Brandenburg, technologiepolitischer Sprecher der FDP und Obmann im Ausschuss Digitale Agenda des Bundestages. „Moderne Fahrzeuge erzeugen jetzt schon viele digitale Informationen, autonome Fahrzeuge werden noch mehr erzeugen“, sagt er.

Um die Akzeptanz für diese Technologie in der Bevölkerung zu schaffen, müssten Fahrzeughalter:innen der Souverän über den Umgang mit diesen Datenmengen sein, fordert er – und liegt damit auf einer Linie mit dem Bundesjustizministerium. Auch das macht sich für einen strengen Umgang mit den Daten stark und setzt sich dafür ein, dass diese zunächst dem Halter des Fahrzeugs gehören. Er soll zustimmen können, ob diese für neue Dienste genutzt werden.

Die Kritik besteht weiterhin, bekennt die Regierung. Ob umfassende Regelungen zu den Mobilitätsdaten zu erarbeiten sind, etwa im Rahmen eines eigenen „Mobilitätsdatengesetzes“, müsse die Bundesregierung prüfen, heißt es im Gesetzentwurf. Änderungen und Ergänzungen können auch noch im parlamentarischen Verfahren vorgenommen werden, also wenn das Gesetz Bundestag und Bundesrat vorgelegt wird.

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