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"Die Entscheidung über Hilfen für Griechenland hat eine demokratische Grundlage", meint Michaele Schreyer.

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Krise in Griechenland: „Die Troika ist keine Macht“

Wie kommen die Anpassungsprogramme zustande? Was sind die Aufgaben der „Troika“? Wer entscheidet und wo liegt die Legitimation? Ein Gastbeitrag

Als die Abgeordneten des Bundestages 2010 das erste Mal der Bundeshaftung für Kredite an Griechenland zustimmten, hatten sie wohl kaum damit gerechnet, dass sie knapp fünf Jahre später mit dem Vorwurf eines neuen griechischen Finanzministers konfrontiert würden, dass diese Kreditvergabe ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ war. Aber vielleicht wollte der Minister nicht das Parlament treffen, sondern – auch in Unkenntnis der eigentlichen Entscheidungsprozesse – einen Pfeil in Richtung „Troika“ und des Programms abschießen, das die wirtschafts- und haushaltspolitischen Bedingungen für die Kreditvergabe enthält. Das „Memorandum of Understanding“ und die Troika, das heißt die Mitarbeiter der drei Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank und IWF, waren im griechischen Wahlkampf zum Synonym für Fremdbestimmung erklärt worden. Aber ist die Troika tatsächlich eine „Macht“, die „jenseits aller demokratischen Kontrolle“ entscheidet und einem Euro-Land in finanzieller Not die Politik diktiert?

Die intensiven Verhandlungen zwischen der Euro-Gruppe und der neuen griechischen Regierung, die wir in den letzten Wochen verfolgen konnten, und die anstehenden Parlamentsentscheidungen in mehreren Euro-Staaten legen offen, dass dem nicht so ist.

Wie kommen also die ökonomischen Anpassungsprogramme zustande? Was sind die Aufgaben der „Troika“? Wer entscheidet und wo liegt die Legitimation?

Die Verfahren und Aufgaben wurden nicht nur in Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs und mit dem Abkommen der Euro-Länder zur Schaffung der Europäischen Finanzstabilität gelegt, sondern in einer Vielzahl von Rechtsgrundlagen, wie dem ESM-Vertrag, der ein völkerrechtlicher Vertrag ist und von allen Parlamenten der Euro-Staaten ratifiziert wurde, sowie in zwei europäischen Verordnungen aus dem Jahr 2010 und 2013 und in Deutschland auch in den Gesetzen zu den Stabilitätshilfen.

Politische Handschrift der jeweiligen Regierung

Am Anfang steht der Kreditantrag des Landes, verbunden mit seinem Entwurf für ein ökonomisches Anpassungsprogramm, mit dem die Hauptziele erreicht werden sollen: Stabilität des Finanzsektors, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Senkung der Haushaltsdefizite, die ja nur für eine begrenzte Zeit durch die Kredite aus den Rettungsschirmen gedeckt werden sollen. In Griechenland betrugen die Defizite von 2010 bis 2013 insgesamt 85 Milliarden Euro. Ohne die Hilfskredite der Euro-Staaten wären in gleichem Umfang zusätzliche Streichungen und Abgabenerhöhung notwendig geworden. Die konkreten Maßnahmen des Programms beruhen häufig auf Empfehlungen anderer Institutionen, etwa der OECD, und sie tragen im Rahmen der allgemeinen Ziele die politische Handschrift der jeweiligen Regierung. Entschieden wird über das Programm aber nicht von der Troika, sondern den Finanzministern der Euro-Gruppe und zwar einstimmig.

Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen) war Senatorin in Berlin und von 1999 bis 2004 EU-Haushaltskommissarin. Heute lehrt sie als Professorin am Fachbereich Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin.
Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen) war Senatorin in Berlin und von 1999 bis 2004 EU-Haushaltskommissarin. Heute lehrt sie als Professorin am Fachbereich Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin.

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Die Troika überprüft die Umsetzung. Hiervon hängt ab, ob weitere Kredittranchen ausgereicht werden. Die Umsetzung oder Nichtumsetzung des Programms liegt in der Verantwortung von Parlament und Regierung des betreffenden Mitgliedstaates und auch dies spiegelt die jeweiligen politischen Prioritäten wider. Ob das jeweilige Parlament von Beginn bis zum Abschluss eines Programms intensiv eingebunden ist, hängt von der Verfassung des Landes und seiner Stärke ab. In den vierteljährlichen Überprüfungsberichten kann das Programm verändert werden. So kann eine neue Regierung – wie bei Griechenland – ihre Reformvorschläge einbringen. Aber auch die Änderung muss von der Euro-Gruppe einstimmig beschlossen werden.

Verstärkte Europaverantwortung der nationalen Parlamente

Fehlt es diesen Beschlüssen der Euro-Gruppe an demokratischer Legitimation und parlamentarischer Kontrolle? Die Finanzminister sind für ihre Entscheidungen ihren nationalen Parlamenten verantwortlich und werden von diesen kontrolliert. In einigen Mitgliedstaaten sind die Parlamente als Haushaltsgesetzgeber direkt in die Entscheidungen über die Kredithilfen eingebunden. In Deutschland entscheidet der Bundestag nicht nur über das Ob und die Höhe der Kredithilfen, für die eine Haftung übernommen wird, sondern auch über die damit verbundenen Bedingungen. Freilich lässt sich streiten, ob diese Verankerung der demokratischen Legitimation und parlamentarische Kontrolle auf der nationalen Ebene optimal ist oder ob langfristig ein Europäischer Währungsfonds errichtet werden sollte, für den die parlamentarische Kontrolle beim Europäischen Parlament liegt.

Die Krise hat uns aber vor Augen geführt, wie stark sich in einer Wirtschafts- und Währungsunion nationale wirtschafts- und haushaltspolitische Entscheidungen auf die gesamte Union auswirken. Das erfordert als Antwort eine verstärkte Europaverantwortung der nationalen Parlamente. Genau in diesem Sinne hat der Bundestag bei seinen Entscheidungen für Kredithilfen im Rahmen der Euro-Zone seine nationale Budgetverantwortung als Integrationsverantwortung für das gesamte europäische Projekt wahrgenommen. Damit sich die Wirtschaft- und Währungsunion in dieser Weise vertiefen kann, ist eine solche Europaverantwortung der nationalen Entscheidungsträger in allen Mitgliedstaaten der Euro-Zone, eben einschließlich Griechenlands, erforderlich.

Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen) war Senatorin in Berlin und von 1999 bis 2004 EU-Haushaltskommissarin. Heute lehrt sie als Professorin am Fachbereich Politikwissenschaften der Freien Universität Berlin

Michaele Schreyer

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