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Arbeit an der Zukunft. Ein Stromnetz wie hierzulande gibt es in Afrika oft nicht – Solarenergie ist für viele der Ausweg.

© promo

Energieversorgung: Strom für Afrika - dank einer Idee aus Friedrichshain

Die Berliner Firma Mobisol bietet tausenden Haushalten in Tansania, Kenia und Ruanda Solarsysteme an. Und die Nachfrage steigt überproportional.

Ein grauer Novembermittag in Friedrichshain, ein Fabrikgebäude im dritten Hinterhof, nahe der Warschauer Brücke. Im vierten Stock des Backsteinbaus liegt das Büro der Berliner Firma Mobisol. In den engen Büros, die vom langen Flur abgehen, wird emsig gearbeitet. Links ein Konferenzraum, in dem gerade einige Mitarbeiter mit aufgeklappten Laptops sitzen, rechts eine Werkstatt mit vielen Computerbildschirmen, zwischen Lötkolben und Platinen steht auch eine aufgeschraubte, orangegelbe Plastik-Box: der „Solar Controller“. Das unscheinbare Ding erinnert an einen alten Radiowecker und könnte helfen, die drängendsten Energieprobleme in Ostafrika zu lösen.

Mobisol bietet Haushalten in Ostafrika kompakte Solarsysteme an, die ausreichend Strom für die Grundversorgung einer Familie liefern – also Licht, Radio und Handy. Größere Versionen können auch einen Kühlschrank oder Maschinen in Betrieben und Krankenhäusern betreiben.

Zwischen 30 und 200 Watt Leistung haben die Anlagen. Die Kosten für die Kunden, die die Solaranlagen über „Micro Payments“ innerhalb von 36 Monaten erwerben, liegen zwischen 320 und 1300 Euro. Der Vorteil des Systems sei, dass man es an die unterschiedlichen Bedürfnisse in Ostafrika anpassen könne, sagt Thomas Duveau von Mobisol. Das kleinste Vorführmodell im Flur besteht aus einem Solarpanel, vier Lampen, dem Solar Controller und einem großen Akku. Daneben stehen ein kleines Radio und ein Spezialanschluss, an dem Handys aufgeladen werden können.

Aufstrebende Mittelschicht in Tansania

Entwickelt und organisiert wird in Friedrichshain, gefertigt werden die Einzelgeräte in Deutschland und China. Duveau muss als Vertriebs-Verantwortlicher dafür sorgen, dass die bestellten Systeme pünktlich in den Filialen in Afrika zur Verfügung stehen. Kein einfaches Unterfangen, wie er sagt, denn im Moment steige die Nachfrage überproportional.

Allein in Tansania leben sieben Millionen Familien ohne Strom, vor allem auf dem Land. Für Licht sorgen Kerosinlampen, die aber brandgefährlich sind und umweltschädliche Dämpfe produzieren. Strom für Maschinen wird, wenn überhaupt, mit Dieselmotoren erzeugt. „Die meisten unserer Kunden kommen aus der aufstrebenden Mittelschicht – kleine Geschäftsleute, Landwirte und Handwerker. Sie haben sich einen bescheidenen Lebensstandard geschaffen und wollen, dass ihre Kinder Zugang zu Bildung bekommen“, sagt Duveau.

Der Anschluss ans Energienetz sei aber ein Problem, erzählt Duveau – Geldmangel, schlechte Planung oder Korruption seien daran schuld. Mit dem unabhängigen System bekommen indes schon nach kurzer Zeit tausende Haushalte Strom.

Gut entwickelte Mobilfunknetze

Der Ingenieur Thomas Gottschalk gründete Mobisol 2010. Die Idee: die immer günstigere Solartechnik mit der in Afrika verbreiteten Mobilfunktechnik zu verbinden. „Rund 80 Prozent der Haushalte südlich der Sahara haben Zugang zu einem Handy, die Mobilfunknetze sind besser entwickelt als in manchen Gegenden Brandenburgs.“ Die meisten Geldtransfers erfolgten per Handy – da habe es nahegelegen, die Finanzierung der Anlagen damit zu verbinden. Gerade tourt Gottschalk durch Ruanda. „Der afrikanische Markt wächst konstant, und die Nachfrage nach Strom wird in den nächsten zehn Jahren dramatisch zunehmen“, hofft er. „Deshalb bin ich mir sicher, dass wir das Richtige tun: Wir passen uns an den vorhandenen Markt an, und versuchen nicht, den Markt an europäische Verhältnisse anzupassen.“

Für den Kauf einer Solaranlage bietet Mobisol ein Prepaid-System an. „Dadurch erreichen wir auch Menschen, die wenig Einkommen haben, zumal ihre Kosten für Diesel oder Kerosin höher sind als die Abzahlung der Anlage, die dazu nach drei Jahren ihr Eigentum wird.“ Beglichen werden die Monatsraten mit „Mobile Money“, einer in weiten Teilen Afrikas üblichen Zahlungsmethode. Da die meisten Menschen kein Bankkonto haben, ist das Smartphone das wichtigste Instrument für Überweisungen: Der Käufer zahlt bei einer Telefongesellschaft ein, das Guthaben kann er per Handy übermitteln. Der Ablauf des Ratengeschäfts wird auf der Website von Mobisol in Englisch und Suaheli sowie auch auf Flyern in Comicform erklärt, es gibt noch immer viele Analphabeten. Die Anlage wird nach der Zahlung durch einen Techniker installiert und über eine Sim-Karte im orangegelben Solar Controller freigeschaltet, die als virtuelles Konto dient. Ist kein Geld auf der Sim-Karte, fließt auch kein Strom.

Die Ausbildung der einheimischen Berater und Techniker erfolgt seit Mai 2014 in der „Mobisol Academy“, rund 180 Arbeitsplätze in Ruanda und Tansania sind so schon entstanden. Viele Kunden konnten sich auch einen kleinen Nebenverdienst schaffen, sie laden gegen geringe Gebühren die Mobiltelefone ihrer Nachbarn auf, wie Gottschalk berichtet.

Boom wirkt sich auch auf Deutschland aus

Dass das Mobisol-Konzept als eine gelungene Mischung aus Solartechnik, Klimaschutz und Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert, ist nicht unbeachtet geblieben. Unterstützung findet Gottschalks Idee inzwischen bei Entwicklungshilfe-Organisationen und der Europäischen Union. „Ohne lokalen Support könnten wir das Projekt nicht umsetzen. Die Zusammenarbeit mit den Politikern und Entscheidern vor Ort ist eminent wichtig. Ebenso wichtig wie die Tatsache, dass die Techniker, die unsere Anlagen installieren und warten, aus der Region stammen.“

Die Zahlen sprechen für sich: Rund 10.000 Mobisol-Anlagen werden Ende 2014 in Betrieb sein, so Gottschalk, viermal so viele wie im Vorjahr. Schon Ende 2015 sollen in Ostafrika 25.000 Anlagen aus Friedrichshain laufen. Die beste Werbung ist die praktische Umsetzung, sagt Gottschalk: „Wenn die Anlage des Nachbarn funktioniert, wenn nachts das Licht brennt und das Radio läuft, wenn die Menschen sehen, dass der Techniker tatsächlich kommt, wenn etwas nicht klappt, dann können wir sie überzeugen. Wenn wir dann das nächste Mal ins Dorf kommen, um Anlagen zu verkaufen, dann haben wir zehnmal so viel Nachfrage.“

Der Boom in Ostafrika wirkt sich auch auf die Jobs in Deutschland aus, berichtet Vertriebs-Mann Duveau. Die 55 Mitarbeiter in Berlin werden wohl zukünftig nicht ausreichen. Der Umzug in ein sehr viel größeres Büro ist für das Frühjahr geplant.

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